"In the absence of intimidation, creativity will flourish"
G.Ginn

Dienstag, 22. Juli 2014

Gestern abend in unserer Kneipe

Als Urlaubserinnerung der erste Teil des Weges zur Taverna, durch den Olivenhain, aufgenommen mit wackliger Handykamera. Diesen Weg bin ich schon oft gegangen, den letzten Teil gerne von einem rasenden Esel verfolgt (Bildqualität leider katastrophal, aber ihr kennt das ja von mir.....)

Das unterlegte Lied (auf der Original-Tonspur hört man mich am Schluss nur laut schnaufen)  ist von Stellakis Perpiniadis und heißt passenderweise "Gestern abend in unserer Kneipe", wobei Kneipe hier eher mit Haschhöhle übersetzt werden müsste. Das Lied ist wohl 1934 aufgenommen, leider weiß ich ansonsten nichts genaues. Schönes Lied, genau im richtigen Rhythmus für den Aufstieg im Olivenhain....

(Wer meint, da sei kein Weg zu erkennen, hat recht. Seit Kostas der Esel bei Engländern in Choraepiskopi in Pension ist, wuchert alles zu).

Montag, 21. Juli 2014

Los Paul!

Wie konnte ich nur während der Fußball-WM nicht dieses Kleinod verlinken?
Eins von den ersten Trio-Liedern, das - wenn stimmt, was man sich bei uns 1982 erzählte -  Paul Breitner gewidmet war. Am Anfang eine kleine Aufforderung an Paul, gefolgt von dem Hinweis "das ist die Art von Gewalt, die wir sehen wollen - wenn auch nicht spüren wollen".

Irgendwie habe ich das Gefühl, dass diese Musik jetzigen Generationen noch weniger zu vermitteln ist, als dieses ganze Punk-Gerumpel, das hier immer wieder auftaucht. So schön!
"Schnell gesehen, schnell geschossen, gute Aktion, zwei Mann gleich bei ihm - schade".

Samstag, 19. Juli 2014

Zwei Berliner, zwei Mal Trost

(Merkwürdige Überschrift, die sich hoffentlich bald erklärt).

Eine interessante Sache in Berlin ist, dass hier schon viele bekannte Leute gewohnt haben. An vielen Straßen und Plätzen findet man Erinnerungen an frühere Zeiten. In der Wollankstraße gab es die erste Farbfernsehsendung, in der Wilhelm-Kuhr-Straße lebte der Erfinder der Thermoskanne, Robert Musil lebte für einige Zeit am Kurfürstendamm, Iggy Pop schrieb seinen Passenger bei der Fahrt mit der S-Bahn zum Wannsee.

In diesem Beitrag soll an zwei zeitweilige Berliner erinnert werden, deren Lieder mir auch viel bedeuten. Paul Gerhardt wurde vor über 400 Jahren in Sachsen geboren, war dann 1657-1667 an der Nikolaikirche als Pastor tätig. Er hat viele Kirchenlieder geschrieben, die auch jetzt noch (und auch bei den Katholiken) gerne gesungen werden. Dazu gehört auch "Nun danket all und bringet Ehr", dessen fünfte Strophe ich sehr mag: "Er gebe uns ein fröhlich Herz, erfrische Geist und Sinn, und werf all Angst, Furcht, Sorg und Schmerz in Meerestiefen hin". Ein fröhliches Herz können wir sicher alle gebrauchen, ich singe das gerne vor mich hin. Und auch wenn die Strophe einen Auftrag an Gott beinhaltet, denke ich, dass man sich da auch selbst schon mal ans Werk machen kann....

Drei Jahrhunderte später wurde Dietrich Bonhoeffer geboren, der dann 1912 nach Berlin kam. An der Zionskirche in Mitte, in der er 1932 predigte, erinnert ein Schild an ihn. Bonhoeffer gehörte zu den Verschwörern des 20. Juli 1944, er wurde verhaftet und war zunächst im Berliner Gestapo-Gefängnis. Im April 1945 wurde er im KZ Flossenbürg erschossen. Im Dezember 1944 schrieb er in einem Brief aus der Haft ein Gedicht, das jetzt auch noch als Kirchenlied gesungen wird. Der Refrain lautet: "Von guten Mächten wunderbar geborgen erwarten wir getrost was kommen mag. Gott ist mit uns am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag." Man muss sich unwillkürlich fragen, wie der Mann in dieser Situation so viel Zuversicht haben konnte. Aber wenn er im Gestapo-Gefängnis diese Gelassenheit haben konnte, sollte es doch eigentlich auch uns gelingen.

Dienstag, 15. Juli 2014

80er Jahre Party

Neulich erzählte ein Bekannter, dass er zu einer 80er Jahre-Party im SO 36 ginge. Solche Parties sind eh nix für mich, weil ich die Achtziger dann doch anders in Erinnerung habe; den Hinweis fand ich aber ganz lustig, weil das SO 36 ja früher ein reiner Punkschuppen war. Ich selbst war da erst in diesem Jahrtausend das erste Mal, es gibt aber im Netz ein paar Dokumente, die zeigen, wie die Parties in den Achtzigern dort so waren.
Die Band ist Middle Class Fantasies aus Frankfurt; das war damals eine relativ bekannte Band, auf dem "Soundtrack zum Untergang" einer der wenigen deutschen Punkplatten, die weit verbreitet war, hatten sie mit "Helden" einen kleinen Hit. Musikalisch waren sie verglichen mit den meisten anderen deutschen Bands der Zeit relativ gut (als ich mir das Video angesehen habe, habe ich überrascht festgestellt, dass das damals in Bezug auf die Gitarre für mich wohl ein größerer Einfluss war).Wegen der Musik wird sich das Video trotzdem (außer mir und meinem Bruder) niemand ansehen, interessant ist eher die Interaktion zwischen Band und Publikum (ab etwa Minute 4:30), die ich so auch andernorts erlebt habe.* Bei uns gab's allerdings Bier nur in Flaschen; das machte die Sache gefährlicher. Wenn man sich die Berichte der Band so durchliest, war der Berliner Auftritt aber wohl harmlos verglichen mit dem, was dann später bei Konzerten in Bremen los war.

*Sven Regener hat in Teil drei der Herr Lehmann-Trilogie "Der kleine Bruder" eine Berliner Konzert-Szene beschrieben, die frappant an das Video erinnert.

Freitag, 11. Juli 2014

Junk Mail

Wieder Cyanide & Happiness, wieder eine eher merkwürdige Geschichte, und auch eine, die eher nicht für zarte Gemüter oder zur Betrachtung am Arbeitscomputer geeignet ist.*
Während die meisten Kurzfilme des Comic-Kollektivs eher zynisch sind (eine Haltung, die ich nicht schätze), hat dieser trotz des kruden Themas eine naiv unschuldige Qualität, die mir das Herz erwärmt (ganz abgesehen davon, dass der Soundtrack natürlich ein Ohrwurm ist).

Ladies and Gentlemen, entfernt den Computer von Plätzen, wo Minderjährige zusehen könnten, und erfreut euch an der Vision einer Welt, in der die täglichen Spam-E-Mails wahr werden:


*Get it?

Montag, 7. Juli 2014

Klagenfurt

Zum ersten Mal habe ich von einem Preisträger des Ingeborg Bachmann-Wettbewerbs in Klagenfurt bereits vor der Preisverleihung ein Buch (nennt mich early adopter oder trendscout, yeah) Das Buch von Tex Rubinowitz, das ich besitze und innig liebe, heißt "Aus der Toilette kamen Wischgeräusche" und es steht bei mir seit ein paar Jahrzehnten im Regal. Bei irgendeinem Umzug ging's verloren und Frau Ackerbau besorgte Ersatz, weil ich so geknickt war.

Im Buch finden sich wunderbare Kugelschreiber-Krikelzeichnungen, die zunächst wie ungelenke Kritzeleien wirken, aber in ihrer Grobheit viel tiefgründiger sind, als es den Anschein hat. Dazu gibt es Bildunterschriften, die manchmal wie flache Witze scheinen, aber meistens den unbeholfenen Zeichnungen eine neue Dimension hinzufügen, so als dürfte man kurz in eine fremde und rätselhafte Welt sehen, die ansonsten nur dem Autor offensteht:




Es ist tatsächlich so, dass kaum eine Woche vergeht, in der ich nicht an eine dieser rätselhaften Zeichnungen denken muss. "Gewagte Frisur für den Präsident der EFTA" "Eigener Unterarm nach Art des Hauses- seltsames Gericht" "Der Mann mit dem Sonja-Bart" (vom Zander-Bezwingzwang mag ich gar nicht anfangen). Wer wohl der Sockenpapst ist? Warum sieht der vor 25 Jahren gezeichnete Olaftyp wie ein Mitte-Hipster aus? Visionär. Ich bin mir nicht sicher, ob da die neuen Texte mithalten können (ich werde es überprüfen...)

Freitag, 4. Juli 2014

Liebe im Konjunktiv

Ende der 80er brachte W. in unser Jugendzentrum eine neue Platte mit. Im JZ gab es in Bezug auf Musik strenge Regeln: Es gab Punk und New Wave, wer etwa Heavy Metal hören wollte, flog raus.*
Die Platte war von Nikki Sudden und hieß "Dead men tell no tales". Akustische Gitarre, nölender Gesang, teilweise mit wildem Feedback unterlegt. Hätte man für Folk halten können, hatte aber eine klare Punkherangehensweise. Diese Platte leistete erstaunliches: die Punks hielten es für unerträglich (nicht schnell und hart genug), den Althippies war's zu roh, schlecht und ungehobelt. Das Urteil war schnell gefällt: Der kann nicht singen und nicht spielen (und schnell und laut ist es auch nicht).
Trotzdem liefen die Lieder immer wieder mal, für die Zeiten, in denen man sich als 17-Jähriger steinalt fühlte, war das der geeignete Soundtrack.

(Im Nachhinein muss ich sagen: eine fantastische Platte. Sudden war leider nur seiner Zeit voraus)


Ein bisschen später stöberte ich in der Plattenabteilung des Drogerie-Markt Müller herum (man kann es sich heute nicht mehr so richtig vorstellen, aber auf dem Land waren diese Drogerie-Märkte fast der einzige Ort, wo man interessante Schallplatten kaufen konnte. Ansonsten musste man 25 km in die nächste kreisfreie Stadt oder - zwei Mal im Jahr - nach München fahren). Dort fand ich die LP "Last Bandits in the World", auf der Lieder von Nikki Sudden, Carmody und Fean waren (ich habe diese LP seitdem nie wieder irgendwo gesehen, ein Glücksfall, dass ich sie überhaupt gefunden habe).  Die Musik noch ein bisschen reduzierter, Lagerfeuergitarren, relativ schmucklos. Die Reduktion wurde aber bewusst gewählt. Das waren keine Leute, die's nicht besser konnten, sondern die bewusst diese sehr reduzierte Form des Folks wählten. Vielleicht ist es bei neuer, interessanter Musik immer so, dass weniger der musikalische Inhalt als die Haltung dahinter bedeutend ist. Das war bei Elvis nicht anders, nicht bei Ornette Coleman und auch nicht bei Bob Dylan, als er die Leute beim Folkfestival ins Entsetzen trieb, weil er eine elektrische Gitarre verwendete. Und dass die frühen Punkbands und späteren Hardcorebands eine Botschaft jenseits der Musik vermittelten, das weiß jeder, der dabei war.

Nikki Sudden hat in seinen Liedern meistens eine Perspektive des melancholischen Rückblicks gewählt. "When I leave you", "Down on my own again". In "Winter" ist das Ganze auf die Spitze getrieben: "I could have loved you - or just for a while". Die Liebe findet nur im Konjunktiv statt, man hätte das Mädel (zumindest für eine Weile) lieben können, aber das Schicksal war dagegen. So kann man jetzt vor der Flasche Wein sitzen und darüber sinnieren, was alles hätte sein können. Liebe im Konjunktiv. Das passte natürlich zur molllastigen, alkoholgetränkten Gitarrenmusik. Ich fand diese Attitüde auch eine Zeitlang sehr ansprechend, bevorzuge allerdings nunmehr den Indikativ.

Suddens Wahlheimat war in den späten 80ern Augsburg, deswegen habe ich ihn einige Male live gesehen. Je nach Begleitband und Tagesform konnten die Konzerte phantastisch oder gruselig sein. Später hat er mit ein paar REM-Leuten ein Album aufgenommen, das dann ganz erfolgreich war. Er ist 2006 mit 50 gestorben, zu früh. Aber wie sang er selbst auf Last Bandits in the World:  "Too many problems for a boy who looks like me, too many problems I don't need."

Manchmal wünschte ich mir, die derzeitigen Neo-Folk-Protagonisten würden sich ein bisschen an ihren weniger erfolgreichen Vorgängern wie Sudden orientieren, bei dem die Musik noch etwas chaotischer und unfertiger war und nicht ganz so konservativ und an alten Vorbildern ausgerichtet. Diese Sudden'sche Schluffigkeit wäre heute wohl kaum noch geduldet.

Last Bandits in the World war für mich ein Erweckungserlebnis. Als Gitarrist hat man ja immer das Problem, dass man von so vielen Virtuosen, die vor einem waren und die alles schon einmal - und auch besser - gespielt haben, fast erschlagen wird. Es ist schwer, eine eigene Stimme zu finden, wenn alles schon gesagt wurde. Punk war hier immer ein Ausweg, bevor er ein formelhaftes Genre wurde. Mit Nikki Sudden im Walkman wurde mir aber auch klar, dass man auch andere Genres spielen kann, auch wenn einem die Fachleute sagen, dass das anders klingen müsste. Ich hatte das Glück, mit ein paar Schulkameraden in einer Band zu spielen, die hauptsächlich Coverversionen von 50er und 60er-Jahre Musik spielten. Da ich gleichzeitig in einer Punkband mitspielte, war ich eher der Exot (man hat mich deswegen in der Zweitband auch meistens nur an den Bass gelassen, da konnte ich nicht so viel Schaden anrichten). Meine Mitmusiker waren auf jeden Fall erheblich talentierter als ich, trotzdem war zunächst ich der einzige, der eigene Lieder geschrieben hatte, die Kollegen waren mit ihren Versuchen nie so richtig zufrieden.   Ich bin jetzt noch einigermaßen stolz, dass meine Anwesenheit dazu geführt hat, dass jenseits aller Bedenken, ob man gut genug sei, plötzlich ein enormer Kreativitätsschub kam.  Auf einmal hatten wir selbstgeschriebene Lieder, die wie Irish Folk klangen, wie französische Chansons oder angejazzter schwäbischer Mundartrock, ohne uns darum zu kümmern, wie man das "richtig" machen müsste. Wunderbare Zeiten.




*Zu Recht.