"In the absence of intimidation, creativity will flourish"
G.Ginn

Sonntag, 26. Oktober 2014

Beschwingt in die Arbeitswoche (4)

Ausnahmsweise etwas Kontemporäres, auf das mich J.J. aufmerksam gemacht hat. Mit Arbeit hat es nicht so viel zu tun, allerdings hat der Sänger die richtige ZEN-Einstellung, die man vor allem in Großorganisationen auch braucht ( das stimmt nicht ganz, Herr Akboga ist wohl eher Stoiker, aber so genau wollen wir's heute nicht nehmen).

Wer selbst Kinder hat, weiß: Nicht alles, was einem auf Youtube vorgeführt wird, ist tatsächlich lustig oder erträglich. Diesen Herrn finde ich aber wunderbar. Wer in einem Lied die Zeile "Roboter mit Senf" unterbringt, kann schon gar nix falsch machen. Und offenbar haben wir beide den gleichen Tanzstil.

Sonntag, 19. Oktober 2014

Beschwingt in die Arbeitswoche (3)

Wer kann einem mehr Schwung geben als der gute alte Gerhard Polt? Ich muss zugeben, so viel Dynamik wie er in diesem Stück habe ich nicht, aber alles, was einen durch die Woche schiebt, ist doch in Ordnung...
"Wann i nimmer meng dad, gangad i hoam" - Das denke ich mir auch manchmal....

(Netterweise hochdeutsch untertitelt. Besser nicht anhören, sonst hat man für den Rest der Woche einen Ohrwurm.)

Freitag, 17. Oktober 2014

Alte Bekannte

Heute habe ich in der Zeitung einen Artikel von dem formidablen Jens Balzer über eine Zusammenarbeit der seltsamen Band Sunn0))) und Scott Walker gelesen. Jens Balzer ist wahrscheinlich für mich so ähnlich wie dieser Blog für manche Leser: Ich lese Jens Balzer sehr gerne, insbesondere, wenn er über Musik schreibt, könnte mir aber das meiste, worüber er schreibt, nicht anhören, weil's zu extrem oder merkwürdig ist. Aber das ist auch egal, wenn ein Artikel mit folgendem Satz beginnt:

Lassen Sie sich ebenso gerne wie ich gelegentlich einmal von bestialisch brummenden Basstönen vom Beat einer Bullenpeitsche bestriegeln?

(Welch Kraft der Alliteration!) In diesem Artikel war auch von einem Musiker die Rede, dessen Name mir seltsam bekannt vorkam: Tos Nieuwenhuizen. Plötzlich bin ich um 25 Jahre zurückversetzt. Es ist 1989, ich bin im Zivildienst und habe mich am Abend auf den Weg nach Augsburg gemacht, weil dort Scream, eine Hardcore-Band aus Washington D.C. spielen. Ich habe sie vorher schon einmal gesehen, die zweite LP ist eine von meinen Lieblingsplatten, auswendig gelernt, und alles umarrangiert zu Lagerfeuer-Gitarrenstücken. Dieses Jahr sind Scream mit einem neuen Schlagzeuger unterwegs, einem schmalen Jüngling mit langen Haaren, der David Grohl heißt. Die alten Fans trauern Kent Stax, dem alten Schlagzeuger nach, müssen aber zugeben, dass dieser Grohl schon ziemlich gut ist. 

Aber es ist schon 23 Uhr und noch nichts passiert. Da ich weiß, dass ich am nächsten Tag um 6 Uhr aufstehen muss und dann einen Tag im Garten arbeiten, ist meine Laune nicht allzu gut. Als Vorband sollen God aus Amsterdam spielen. Der Gitarrist und der Schlagzeuger sind schon da, der Bassist ist aber mit Scream im Tourbus und die sind anscheinend nicht in der Lage, Augsburg zu finden. Irgendwann um 23.30 Uhr beginnen God trotzdem, nur mit Gitarre und Schlagzeug. Der Gitarrist hat ein Hütchen auf wie Chico von den Marx Brothers und er heißt Tos Nieuwenhuizen. God sind extrem gut, auch wenn sie für meinen Geschmack etwas zu metallisch sind. Die Band spielt zu zweit fantastisch, irgendwann taucht auch der Bassist auf; merkwürdigerweise schadet das eher dem Sound. Scream spielen dann erst nach 24 Uhr, ich bin schon fast zu müde, um das Konzert noch richtig genießen zu können. Irgendwann gegen zwei bin ich dann wieder zuhause. 

Danach kaufe ich mir die God LP "Sweet Life", später noch "The Shame Tree" und höre dann nie wieder was von der Band. Ab und zu denke ich noch an den Gitarristen mit dem Chico Marx-Hütchen und frage mich, was aus ihm geworden ist....

...bis ich dann heute die Berliner Zeitung lese....

Donnerstag, 16. Oktober 2014

52 Bücher - Der dritte Polizist

1. Wieder ein neues Motto vom Fellmonsterchen; diesmal eines, das ich wirklich schwierig finde: Dieses Buch hätte ich gerne geschrieben. Ich kenne viele Lieder, die ich gerne geschrieben hätte, aber bei Büchern ist es aus meiner Sicht dann doch noch ein bisschen komplizierter. In einem Buch steckt ja soviel Persönlichkeit des Autors, dass man nicht so einfach die Autorschaft übertragen könnte. Außer man möchte genau so sein wie der Autor (da fiele mir aber keiner ein).

2. Ich war schon fast soweit, diese Woche einfach zu schwänzen, da kam mir doch noch ein Einfall:  "Der dritte Polizist" von Flann O'Brien. Das ist bei weitem das absurdeste Buch, das man sich vorstellen kann, diese rigide und doch ausufernde Vorstellungskraft hätte ich auch gerne. Und die Unerschütterlichkeit, aus Alltäglichstem die wahnwitzigsten Dinge entstehen zu lassen, hätte ich gerne noch dazu.

3. Flann O'Brien hieß eigentlich Brian O'Nolan und wurde 1911 in Irland geboren. Seinen ersten Roman schrieb er 1939, der "Dritte Polizist" entstand auch nicht viel später, erschien aber erst ein Jahr nach O'Briens Tod, 1967. Gerade lese ich, dass "Der dritte Polizist" als frühes Beispiel eines postmodernen Romans gilt. Brr. Sollte man trotzdem lesen.

4. Ich habe eine Suhrkamp-Ausgabe, die mich schon allein dadurch aufregt, dass im Klappentext steht, in dem Buch käme alles mögliche vor, aber kein dritter Polizist, was für jeden, der das Buch bis zum Ende gelesen hat, klarer Unsinn ist.

5. Das Buch wird von einem namenlosen Ich-Erzähler erzählt, der zusammen mit einem anderen Mann einen Raubmord begeht. Der Ich-Erzähler braucht das Geld, um eine Ausgabe der Werke des Wissenschaftlers De Selby herauszugeben, die er andauernd studiert. Sein Komplize hat allerdings die erbeutete Geldschatulle versteckt und so weicht der Ich-Erzähler ihm nicht mehr von der Seite.

6. Plötzlich ändert sich die Umgebung und der Ich-Erzähler und sein Komplize kommen in eine Welt, in der offenbar die bahnbrechenden Erkenntnisse von De Selby wirksam sind. Diese wissenschaftlichen Erkenntnisse sind in den strengen Fußnoten zu dem Text ausführlich erläutert. Bahnbrechend ist vor allem die Molekültheorie, die besagt, dass sich bei nahen Begegnungen zweier Gegenstände sich einzelne Moleküle austauschen. Dies führt dazu, dass Leute, die mit Fahrrädern über holprige Straßen fahren, langsam mehr und mehr selbst zu Fahrrädern werden, während die Fahrräder vermenschlichen. Um dies zu verhindern, versteckt Sergeant Pluck (der erste Polizist) Fahrräder oder entfernt Sättel. In seiner Eigenschaft als Polizist nimmt er dann die Anzeigen auf und macht sich auf die Suche. Die bestimmende Frage des Romans ist deswegen: "Handelt es sich um ein Fahrrad?" So werden auch der Ich-Erzähler und sein Komplize begrüßt, als sie in die Polizeiwache gehen, um das Verschwinden der Geldschatulle zu melden. Merkwürdige Dinge geschehen. Der dritte Polizist, Fox, taucht irgendwann einmal auf und besucht einen Keller, in der die Substanz Omnium aufbewahrt wird, die in alles verwandelt werden kann (Anhänger De Selbys wissen natürlich, um was es sich handelt).

7. Gerade als man denkt, dass das Ganze komplett zerfasert, kommt ein Einschub, der tatsächlich eine Art Auflösung des Geschehens bietet. Voller Grauen versteht man plötzlich, was passiert ist, während der Ich-Erzähler und sein glückloser Komplize zum zweiten Mal in der Polizeistation von Sergeant Pluck stehen und gefragt werden, ob es sich denn um ein Fahrrad handle.

8. Ein sehr schönes und sehr lustiges Buch, auch wenn es in weiten Teilen etwas unverständlich bleibt. Aber man muss nicht alles verstehen, das tut man im richtigen Leben auch nicht, warum sollte es in der Lektüre anders sein.

Sonntag, 12. Oktober 2014

Beschwingt in die Arbeitswoche (2)

Warum nicht eine Reihe daraus machen, schlecht gelaunte Musik für die Arbeit gibt es ja genügend.
Die fantastischen Schweden von Ebba Grön, die man ohne Übertreibung als die skandinavischen Clash bezeichnen kann, haben 1981 ein schönes Lied aufgenommen, das aus jedem Management-Leitfaden stammen könnte: Slicka uppat, sparka nerat. Nach oben buckeln, nach unten treten. Hier nur in einer Live-Fassung, das Original ist auf der Kärlek och Uppror-LP.


Zu den Jungs muss ich auch noch einmal ausführlicher schreiben, die haben wirklich fantastische Musik gemacht und der Bandleader Joakim Thaström ist immer noch unterwegs mit etwas, das meine Freunde aus Göteborg als "swedisch melancholia" bezeichnen. Immer her damit.


Sonntag, 5. Oktober 2014

Beschwingt in die Arbeitswoche

Paranoia passt gerade ganz gut. Deswegen die alten Männer von Flag, mit dem nicht alternden Dukowski-Klassiker "My war" von 1983, nur dreißig Jahre später.

"Du bist einer von denen. Du sagst, du seist mein Freund, aber du bist einer von denen. Weiß nicht, was ein Freund ist, aber ich weiß, du bist es nicht. Du bist einer von denen." (etwa 100 mal wiederholen; am Schreibtisch zu trällern).

Wenn ich mal eine Glatze am Hinterkopf bekomme, mache ich mir auch Rastazöpfe wie Keith Morris.

52 Dingens: Topfpflanzen

1. Die gestrenge Katrin wieder: Das Motto für diese Woche "Die metaphorische Bedeutung der Zimmerpflanze".

2. Aarghhhhh.

3. Mir fällt zunächst ein, dass ich vor einigen Jahrzehnten mal ein Gedicht gemacht habe, in dem meine damalige Beziehung in Zimmerpflanzenmetaphorik abgehandelt wurde (ich kann nicht glauben, dass ich das gerade schreibe. Aber mit dieser Aktion kommen ja so einige traumatische Erlebnisse wieder hoch). Nein, es war nicht gut, und, nein, ich habe es nicht mehr.

4. Ich habe jetzt mal gedanklich vorsortiert: "Bekenntnisse einer Zimmerlinde", "Der Mann ohne Ficus Benjaminus", "Er hat einen knallgrünen Gummibaum", "Aloe vera und ihre Brüder" - alles Bücher, die ich leider nicht habe. Wahrscheinlich auch nicht metaphorisch genug. Allerdings habe ich tatsächlich gelesen: "Die Spinne in der Yucca-Palme". In dieser Sammlung von urbanen Mythen (in den frühen 90ern war's de rigueur dieses Buch gelesen zu haben) steht die Yucca-Palme natürlich für alle alltäglichen Dinge, die sich gegen einen selbst wenden können und den Alltag bedrohen.

5. Hm. Jetzt war ich brav und habe tatsächlich ein Buch beschrieben, obwohl ich, seit ich dieses Motto kenne, ganz andere Dinge vorhabe. Bei der metaphorischen Bedeutung von Zimmerpflanzen muss ich natürlich und sofort an einen Menschen denken, den ich sehr schätze und verehre, nach dem man u.U. auch Söhne benennen könnte, von dem ich allerdings kein Buch kenne. Der Österreicher Josef Hader, der inzwischen vor allem als Schauspieler in den Brenner-Krimis bekannt ist, hat mit "Privat" Anfang der Neunziger das Kabarettprogramm abgeliefert, nach dem es eigentlich keine Kabarettprogramme mehr geben kann. Ich weiß nicht, wie oft ich es schon gesehen habe (J.H. kommt regelmäßig nach Berlin), aber die sprachliche und gedankliche Brillanz lässt einen nicht mehr los. Hilfreich ist es natürlich, wenn man etwas Österreichisch versteht.

6. In diesem Programm gibt es ein sozialkritisches Stück "Topfpflanzen". Mit diesem Stück wird das Kabarett der 80er abgefertigt. In dem Stück stehen die Topfpflanzen für die Menschen, die sich einschränken lassen und begnügen, das Ganze wird in dem richtigen Oberstudienrat-Kabarett-Sound abgeliefert. In der Mitte des Stücks werden furchtbare Metaphern aufgefahren (das wird dann zurecht damit zusammengefasst, dass Topfpflanzen "schlechte Metaphern" seien). Am Schluss wird noch die herzzerreißende Geschichte vom Rhododendron erzählt, von dem alle meinen, dass er spinnt, der dann aber seinen Topf unter den Arm nimmt (grbllllgr...) und sich dann... (aber nein, das muss man schon selber hören). Hader hat mit Privat das alte Kabarett überwunden, leider haben wir inzwischen nur noch Comedy.

7. Kein Buch, aber könnte es irgendetwas geben, das besser geeignet wäre, das dieswöchige Motto auszufüllen? (Wenn Ihr brav seid, können wir irgendwann noch gemeinsam "So ist das Leben" anhören, mit der feinsten Antithese, die es jemals in einem Chanson gab...)


Freitag, 3. Oktober 2014

52 Bücher: Eristische Dialektik

1. Projektmuddi Katrin hat für diese Woche folgendes Motto ausgegeben: Das Buch mit dem längsten Titel im Regal. Ich mag ja die Vorgaben nicht, die einem bei der Auswahl keinen wertenden Spielraum mehr lasssen, sondern objektive und nachprüfbare Kriterien aufstellen. Der einfache Ausweg, einfach zu schummeln, ist nichts für mich, ich bin da Zwangscharakter. Noch ärgerlicher finde ich allerdings, dass ich meine Bücherregale durchforsten musste (und ich habe dann doch ein, zwei Bücher).

2. Lange Titel finden sich vor allem auch bei alten Büchern, die schon ein paar Jahrhunderte auf dem Buckel haben. Hatte schon ein paar Befürchtungen, was ich jetzt präsentieren müsste. Aber ein paar der merkwürdigeren haben Gott sei Dank kurze Titel. Das mag an den Neuausgaben liegen, aber so pflichtbesessen bin ich nicht, dass ich noch einmal den Originaltitel überprüfen.

3. Das Buch mit dem längsten Titel in meinem Regal ist Arthur Schopenhauers "Eristische Dialektik oder Die Kunst, Recht zu behalten in 38 Kunstgriffen dargestellt". Das hört sich wahrscheinlich für die meisten eher abschreckend an, ist aber ein nettes kleines Buch, das man mit Vergnügen lesen kann.

4. Schopenhauers philosophische Werke verstehe ich schon im Ansatz nicht, er war aber ein sehr guter Stilist und klarer Denker. Wenn er also über leichtere Themen schreibt, hat man eine schöne Lektüre.

5. Der Ausgangspunkt des Büchleins ist, dass es für die öffentliche Diskussion oftmals nicht wichtig ist, wessen Argument wahr ist, sondern welches für wahr gehalten wird. Deswegen geht es in dem Buch auch nicht über die Kunst, Recht zu haben, sondern um die Kunst, Recht zu behalten. Schopenhauer, der alte Pessimist, liefert auch gleich auf der ersten Seite den Grund, warum es überhaupt diesen Zwiespalt zwischen objektiver Wahrheit und Erfolg bei Zuhörern gibt: "Woher kommt das? - Von der natürlichen Schlechtigkeit des menschlichen Geschlechts. Wäre diese nicht, wären wir von Grund auf ehrlich, so würden wir bei jeder Debatte bloß darauf ausgehn die Wahrheit zu Tage zu fördern, ganz unbekümmert ob solche unsrer zuerst aufgestellten Meinung oder der des Andern gemäß ausfiele..." Die weitere Folgerung ist: "Jeder also wird in der Regel wollen seine Behauptung durchsetzen selbst wann sie ihm für den Augenblick falsch oder zweifelhaft scheint. Die Hülfsmittel hiezu giebt einem Jeden seine eigne Schlauheit und Schlechtigkeit einigermaaßen an die Hand.."

6. Schopenhauer versucht dann im Folgenden eine Systematisierung der Kunstgriffe, die quasi die falsche Behauptung in der Diskussion retten könnten. Das ist teilweise recht drollig, andererseits (wie bei einem so systematischen Geist auch nicht anders zu erwarten) sehr präzise und erschöpfend. Viele  moderne Rhetorikratgeber bedienen sich bei der Schopenhauer'schen Quelle. Das Buch ist vor allem auch ganz nützlich, wenn man selbst erkennen will, wann man sich einer unsauberen oder unredlichen Argumentation gegenüber sieht.

7. Ich lese es aber einfach auch deswegen immer wieder gerne, weil Schopenhauer, dieser schlecht gelaunte alte Mann, dort immer wieder herrlich herumpöbelt: "Bald darauf kam die Rede auf Hegel, und ich behauptete der habe großentheils Unsinn geschrieben oder wenigstens wären viele Stellen seiner Schriften solche, wo der Autor die Worte setzt, und der Leser den Sinn setzen soll." Zu Lebzeiten wurde es auch nie veröffentlicht, jetzt über 180 Jahre nach der Entstehung kann man es aber mit einigem Vergnügen lesen.