"In the absence of intimidation, creativity will flourish"
G.Ginn

Samstag, 31. Januar 2015

Brain wash

Das Internet ist eine wunderbare Sache. Man erinnert sich dunkel an etwas, sucht ein bisschen herum und findet es. Merkwürdigste Musik, die man vor Jahren mal gehört hat, kann man sich auf einmal wieder anhören.

Es muss 1989 gewesen sein, ich hatte beim Zivildienst Hallenbadaufsicht und deswegen die Möglichkeit, während der Arbeit zu lesen und Radio zu hören. Ich weiß das Datum nicht mehr, aber es muss ein Dienstag gewesen sein und kurz nach 16 Uhr, denn am Dienstag kam beim Zündfunk auf Bayern 2 immer Emma Peel, die eine Stunde Punk und Hardcore-Musik vorstellte.* Eine der wenigen Gelegenheiten, sich etwas auf dem Laufenden zu halten. Bei Emma Peel lief damals auch "Brain wash" von Flipper, das ich seit damals nie wieder gehört habe (bis gestern). Ich habe allgemein ein gutes Gedächtnis für Musik, kann mich oft an Lieder erinnern, die ich vor Jahren das letzte Mal gehört habe, aber dieses Lied hat offenbar besonderen Eindruck gemacht, weil ich mich all die Jahre an es erinnert habe (ich habe auch noch die Abmoderation von Emma Peel zu diesem Lied genau im Ohr). Gestern kam mir der Gedanke, es mal auf Youtube zu versuchen und ich konnte mir Brain Wash zum zweiten Mal innerhalb von 26 Jahren anhören:

Flipper waren eine frühe US-Hardcore-Band, ich weiß nicht allzuviel über sie. Ich habe einmal in einem Interview gelesen, dass ein Band-Mitglied sagte, jede Band habe zwei Möglichkeiten: Das zu tun, was das Publikum gerne hört oder das Publikum mit allen Mitteln zu nerven und zu ärgern. Flipper waren definitiv von der zweiten Sorte.** Sie sind für mich aber auch der Beleg, dass es immer wieder solche Bands braucht, die das Publikum herausfordern und eben nicht das machen, was man von ihnen erwartet.

Brain wash selbst ist eigentlich unspektakulär, es beginnt mit einem wummernden Bass, eine Folge von zwei Akkorden, verzerrte Gitarren dazu, im Hintergrund hört es sich so an, als würde leise gesungen, es ist nicht zu verstehen, über diesen Lärm versucht der Sänger stockend etwas mitzuteilen, er haspelt, bricht ab, und schließt: Du würdest es ohnehin nicht verstehen. Kurze Pause und das Ganze geht von vorne los. Schöne Musik ist anders, ich rate aber, sich das Lied einmal ganz anzuhören und dann noch einmal über den Titel "Gehirnwäsche" nachzudenken. Das Gestammel hat sich auf jeden Fall ins Gehirn gebrannt, auch über Jahrzehnte.

Auf Youtube gibt es auch eine 5 1/2- Stunden-Version; sicher ein interessanter Versuch, aber Anhören nur auf eigene Gefahr.


*Zündfunk gibt es wohl noch, weiß jemand, was Emma Peel jetzt macht (weiß leider nicht, wie sie richtig hieß. Der Name sprach natürlich jemand wie mich, der mit zehn Jahren in Diana Rigg verliebt war, besonders an).
**Es gibt auf Youtube wohl auch ein Video zu dem Song, das von der Band selbst gemacht wurde, das mir aber etwas zu ekelhaft ist, um es hier zu verlinken. Allerdings durchaus passend.

Mittwoch, 28. Januar 2015

What happens when you die

Ganz passend zu verschiedenen aktuellen Diskussionen, hier ein Liedchen von Scott Reynolds, das sich mit Glaubensfragen befasst. Kurz zusammengefasst: die Menschheit strebt nach Gewissheit in letzten Dingen, es gibt aber so viele verschiedene Glauben und Weltanschauungen, die meist nur darin übereinstimmen, dass allen, die nicht der spezifischen Anschauung anhängen, ein furchtbares Schicksal droht. Deswegen ist es eigentlich Pflicht, sich solange gegenseitig zu bekämpfen, bis sich herausstellt, wer wirklich recht hat. In dem kleinen Stückchen ist das natürlich nicht ernst gemeint, leider ist das wohl für verschiedene Leute der verschiedensten Glaubensrichtungen tatsächlich das Programm. Deswegen eher eine todtraurige Sache.

(Das Lied beginnt - nach der einführenden Predigt - etwa ab 1:30)



Scott Reynolds war der Sänger von All, einer sehr bemerkenswerten Band, die leider nie so bekannt wurde, wie sie's verdient hätte, sowie von Goodbye Harry und den Pavers. Das Stück ist von seiner letzten Solo-LP, die für mich das erste Mal war, dass ich etwas per Crowdfunding unterstützt habe (inzwischen schon so einiges, vielleicht dazu ein andermal mehr...).

Disclaimer: Ich bin selbst religiös, habe aber kein Bedürfnis, irgendjemand anders zu erklären, was er glauben oder denken sollte. Muss jeder selbst wissen.

Samstag, 24. Januar 2015

Die Premierminister

( Osoi ginoun prothypourgoi - Ein Lied vom großen Markos Vamvakaris, die Aufnahme ist von 1936)



"Ich denke, ich werde auch Kandidat und werde Premierminister,
dann kann ich mich den ganzen Tag ausruhen und wie ein Verrückter essen und trinken.
Und ich werde im Parlament aufstehen und Befehle erteilen und den Abgeordneten das Haschisch-Rauchen beibringen."

Hoffen wir, dass die heutige Wahl in Griechenland hilft, den gequälten Griechen wieder zu besseren Aussichten zu verhelfen (wenn man den Leuten hier nur die Hälfte dessen zumuten würde, was die einfachen Leute in Griechenland zu ertragen haben, möchte ich nicht wissen, was hier los wäre).
Nachtrag 27.1.: Sieht ja nicht so aus, als würde sich die Hoffnung erfüllen.

Mittwoch, 21. Januar 2015

Der Wandsbecker Bote

In der Zeitung lese ich, dass heute der 200. Todestag von Matthias Claudius ist. Mein erster Gedanke: Muss der nicht schon länger tot sein? - so fern unserer Zeit erscheint der Dichter heute. Ich nehme mir den Band aus dem Regal und blättere. Jeder kennt das "Abendlied", aber er hat noch so viel mehr geschrieben und gedichtet, philosophisches, religiöses und vergnügliches. Bei ihm findet sich tiefer Ernst und tiefer Unsinn, in klaren schlichten Worten. Die französische Revolution und die Abschaffung des Königtums jagte ihm Schrecken ein, in einem Gedicht wünscht er sich ob der Auswüchse der Presse den Zensor zurück - und trotzdem war er kein bloßer Reaktionär.

Seine Gedichte sind von sanftem Mitgefühl erfüllt, und ich habe manchmal das Gefühl, dass er noch ein einem Gefühl des Einklangs mit der Welt lebte, trotz all der schlimmen Dinge, die in ihr geschahen. Vielleicht war er der Letzte, der so fühlen konnte, Leuten, die nach ihm geboren sind, ist das wohl nicht mehr gelungen.

Und ich blättere und bleibe wie immer bei dem Gedicht "Der Tod" hängen:

Ach, es ist so dunkel in des Todes Kammer
Tönt so traurig, wenn er sich bewegt
Und nun aufhebt seinen schweren Hammer
Und die Stunde schlägt.

Freitag, 9. Januar 2015

Paul Murry und Floyd Gottfredson

Meine Liebe zu Floyd Gottfredson habe ich ja schon an anderer Stelle dargetan. Inzwischen sind über die französische L'age d'or-Reihe auch die Geschichten der frühen 50er Jahre verfügbar, die ich bislang noch nicht kannte und die mir eine neue Facette dieses Zeichners vermitteln. Dazu vielleicht später einmal.

Mir ist jetzt auch ein Band in die Hände gefallen, der deutlich den Unterschied zwischen den täglichen Zeitungscomics Gottfredsons und den späteren Comicheft-Geschichten zeigt. Paul Murry, dem wir immerhin die Figur des Supergoofs verdanken, stehe ich deswegen durchaus bewundernd gegenüber. Horst Schröder sagt, etwas ungnädig, dass gemessen an den übrigen Produkten für diese Zielgruppe (gemeint sind Kinder) Murrys Geschichten sicherlich zu den besseren gehören. Wer mit der Micky Maus der Siebziger und Achtziger Jahre aufgewachsen ist, hat Murrys Geschichten sicher häufig gesehen. Murry hat offenbar auch Geschichten von Gottfredson für die Comichefte nachgezeichnet, darunter auch die Zeitungsgeschichte von 1940 "Ferien und Lösegeld". Eine typische Gottfredson-Geschichte aus der klassischen Zeit: ein geheimnisvoller Räuber entführt Frauen von einer Ferienranch im Wilden Westen, Micky findet zunächst das Versteck nicht, weil es in einem Tal liegt, das durch einen geheimnisvollen Durchgang und rätselhafte Strahlen gesichert ist. Eine krude Mischung aus Western, Science Fiction, Komödie und Krimi, die sehr vergnüglich zu lesen ist. Auch wenn sich Murry in seiner Version für Walt Disney's Comics and Stories, 1959-1960, sehr an dem Original orientiert, wirken seine Zeichnungen merkwürdig statisch schablonenhaft und wenig elegant gegenüber dem Gottfredson'schen Original.

Hier ein paar Beispiele, die Murry-Geschichte ist aus  "Die großen Klassiker: Wir, Micky und Goofy", das Gottfredson'sche Original aus "Ich Goofy 2". Ich schreibe nicht dazu, was Gottfredson und was Murry ist, das findet man, glaube ich, auch so heraus:




Und nur Gottfredson war es gegegeben, Klarabella Kuh als durchaus glaubwürdigen Vamp zu zeichnen:

(Die Murry-Kindercomic-Fassung möchte man dazu gar nicht zeigen:)


(Bildnachweis: Zeichnungen von Paul Murry und Floyd Gottfredson aus den Walt Disney-Bänden  Ich, Goofy 2, L'age d'or de Mickey Mouse 3, Die großen Klassiker: Wir, Micky und Goofy)







Mittwoch, 7. Januar 2015

Klänge aus alter Zeit

(Schon eine Woche 2015 und hier steht noch nix? Muss man mal ändern....)

Zwei Blogartikel haben mir in der letzten Woche akustische Erinnerungen an meine Kindheit gebracht:

Zum einen Andreas Wolf bei Sichten und Ordnen mit einem Beitrag zu der süddeutschen Bezeichnung von Kleinmünzen: Ich hatte schon ganz vergessen, dass natürlich auch wir "Pfenning" mit einem n zu viel sagten. Von den Fuchzgerlen, Fuckerlen und Zehnerln, die heutzutag genauso unverständlich wie Heller und Batzen sind, ganz zu schweigen. Mit dem Wort "Pfenning" war ich automatisch wieder sechs Jahre alt und unterhielt mich aufgeregt mit Schulfreunden, was man mit dem Kleingeld in der Tasche alles anfangen könnte....

Ein anderer Beitrag, der mich in meine Kindheit versetzt hat: Im Landleben-Blog hat der Kiezschreiber verschiedene Berlin-Impressionen aufgeschrieben, darunter auch die Erinnerung an eine Frau aus Ostpreußen. Im Allgäu waren auch relativ viele Vertriebene aus Ostpreußen (in der Nähe von Kaufbeuren gibt es sogar Neu-Gablonz: Nachtrag: Michali macht mich darauf aufmerksam, dass Gablonz gar nicht in Ostpreußen lag, so dass das hier geographisch sinnlos und kenntnisfrei ist. Aua),  so dass man recht häufig diesen harten, aber doch melodischen Dialekt hören konnte. Als Kind hatte man natürlich keine Vorstellung, was das für ein Dialekt war oder wo die Leute herkamen. Es ist auf jeden Fall eine Klangfärbung, die man bald wohl nirgends mehr hören kann (zumindest ich kenne niemand, der den Dialekt in zweiter Generation spricht). Wer nicht weiß, wie sich's anhört, hat hier ein Beispiel von dem Humoristen Ludwig Manfred Lommel, der Anfang der Dreißiger Geschichten aus Runxendorf erzählte. Als Kind mochte ich den verlinkten Sketch sehr gerne, der irgendwo auf einer alten Kassette war. Lange Jahre waren die Sachen nicht mehr zu bekommen, nun hilft Youtube (Über Lommel selbst weiß ich nicht viel, die Titanic hat sich einmal ausführlicher mit ihm beschäftigt. Wie schon viele andere Künstler, die hier vorgestellt wurden, wohl kein einfacher Mensch).