"In the absence of intimidation, creativity will flourish"
G.Ginn

Samstag, 11. Juli 2015

Ελα μικρό να φυγουμε

Bleibt einem noch etwas nach dieser Woche des politischen Wahnsinns, als sich in die Ferne zu wünschen, an einen Ort, an dem es keine Probleme gibt? Das Lied von Vassilis Tsitsanis, aufgenommen mit Stratos am 10.6.1940, handelt zwar nur von dem Wunsch, mit der Geliebten weit weg zu reisen, die Gründe werden nicht explizit benannt.*

Komm Kleine, lass uns abhauen und zu einem anderen Ort gehen
wo alles wunderbar ist und es immer Sommer ist.
Komm, lass uns zusammen reisen, wir gehen nach Hawaii
wo jedes Herz seine Sorgen vergisst.
Komm, lass uns alles vergessen und eine schöne Zeit haben,
die Bitterkeit unserer Liebe werden wir dort vergessen
Wir werden dort leben, ohne uns zu streiten, wie zwei verrückte kleine Vögelchen
Mit Freude werden wir die Bitterkeit und das Gift aus unserem Leben verscheuchen.

(Ελα μικρό να φυγουμε, Vassilis Tsitsanis, 1940, deutsch nach der englischen Übersetzung von G. Holst in Road to Rembetika.)





*Zu dem geschichtlichen Hintergrund siehe hier.

Freitag, 10. Juli 2015

Ο σαλταδόρος

Eines der bekanntesten Rembetikalieder, das auch ein Lied des griechischen Widerstandes gegen die Deutschen während der Besatzung war. Das Lied ist von Michalis Jenitsaris, der seine ersten Erfolge in den 30ern und dann ein Comeback in den 70ern hatte.  Das Lied ist reichlich ambivalent; für mich auch deswegen eines der besten.

Sie sind neidisch, sie möchten mich nicht gut angezogen sehen, sie sind erst zufrieden, wenn sie mich am Boden sehen,
Ich ziehe sie ab, ich springe auf den Wagen, ich stehle die Benzinkanister
Aber ich kriege es immer hin, weil ich auf die deutschen Lastwagen springe und die Beute verkaufe
Ich ziehe sie ab, ich springe auf den Wagen, ich stehle die Benzinkanister
Wir suchen nach Benzin und Kerosin, weil das ein Vermögen wert ist und wir das verjubeln
Wenn ich den Kanister verkaufe, werde ich solange trinken, bis ich weggetreten bin
Und wenn ich den Ersatzkanister vom Laster schmeiße, gehe ich damit zum Schwarzhändler und krieg sofort Geld;
Wenn ich den Ersatzkanister greife, ist er weg und ich verschwinde mit ihm.

(Michalis Jenitsaris, 1942, erstmalig aufgenommen in den 70er Jahren; deutsch nach der englischen Übersetzung von G. Holst in dem Buch "Road to Rembetika")
Ich hätte nie gedacht, dass wir irgendwann wieder in eine Zeit kommen, in der die Stereotypen des Zweiten Weltkrieges bei uns und anderswo wieder aufleben.mic

Donnerstag, 9. Juli 2015

Wo hast du dich versteckt, als der Sturm kam?

Thematisch ein Lied, das sowohl zur Witterung als auch zur Griechenlandwoche passt. Die Band ist zwar aus Wales, aber wir können uns schon mal alle fragen, wo wir uns verstecken werden, wenn der Sturm denn kommt.

Vielleicht sind The Alarm zu Recht vergessen, in den 80ern waren sie mir immer nicht punkig genug, haben aber ein paar schöne Lieder gemacht. Das Video ist auch eine gute Erinnerung daran, dass die 80er modisch nicht gerade das beste Jahrzehnt war.


An der Mauer vor unserem Jugendzentrum war lange Zeit ein Graffiti "The Arlarm" - der Allgäuer hat halt gerne noch zusätzliche "r". In Berlin ist's eher umgekehrt.

Mittwoch, 8. Juli 2015

Bewaffne dich mit Flügeln

Am Sonntag die Gelegenheit, jemanden erstmalig zu sehen, dessen Musik mich seit über 30 Jahren begleitet hat. Joakim Thaström ist in der Stadt. Thaström hatte Mitte der 70er in der schwedischen Punkband Ebba Grön gespielt, die Platten hatte mir Anfang der 80er ein Bekannter, der früher in unserem Kaff gewohnt hat, und dann mit seiner Mutter nach Schweden gezogen war, mitgebracht. Ebba Grön waren wirklich fantastisch, eine Art schwedische Clash, sich von Platte zu Platte musikalisch weiterentwickelnd. Die "Samlade Singlar"-LP habe ich so gerne gehört, dass ich sie mir mehrmals kaufen musste; ich habe sie einfach kaputt gespielt. 1982 trennten sie sich, Thaström machte mit Imperiet weiter, eine New Wave-Band im weiteren Sinne, wieder brachte mir K. Platten aus Schweden mit, wieder entwickelte sich die Musik von Platte zu Platte weiter, nie bei einem Genre oder einem Muster stehen bleibend. Die verbindende Klammer der Bands war immer Thaströms Stimme, rau und ausdrucksvoll. Nach Imperiet kam eine Phase, in der Thaström eine Art Industrial unter dem Namen Peace, Love and Pitbulls machte (das habe ich nicht so richtig verfolgt, hört sich für mich irgendwie wie eine Mischung aus Nine Inch Nails und Deichkind an).

Schließlich nahm er ein paar Platten unter eigenem Namen auf, ich habe meinen schwedischen Freund C. (der die Industrial-Phase am besten findet) mal gefragt, wie man die Musik nun beschreiben könnte, er meinte "skandinavian melancholia", das trifft es wohl. Pathetische Popmusik, mit ein paar Noise-Einsprengseln. Nun ist das eigentlich gar nicht mein Ding, bei pathetischen Pop bin ich normalerweise aus dem Zimmer, bevor man "U2" sagen kann. Aber Thastöms Stimme hat mich nun durch die Jahrzehnte begleitet, ich habe damals verzweifelt mit einem Taschenwörterbuch versucht, mir die Texte zu übersetzen, also hatte ich kaum eine Wahl: ich musste hin.

Der Postbahnhof war vollkommen in schwedischer Hand, ich nehme an, dass ein Großteil der in Berlin ansässigen Schweden auf dem Konzert war.  Keine Vorgruppe, es ging um 21.30 Uhr los, der Schlagzeuger sieht irgendwie aus wie Roger aus der Fernsehsendung Real Humans, Thaström kommt auf die Bühne, rennt ein bisschen umher wie ein Panther im Käfig, und beginnt zu singen. Ich kenne nur ein paar Stücke, "Beväpna dej mit vingar", "Fanfanfan"  und das alte Imperiet-Stück "Jag är en idiot".  Das Publikum kennt alle Texte und singt mit, das Ganze ist sehr mitreißend.



(Ja, Lichtshow war auch)

Kurz vor Ende des Konzerts beginnt draußen ein starker Regen, pathetisches Wetter für ein pathetisches Konzert. Für die erste Zugabe spielt Thaström Fanfanfan, nur mit seinem Gitarristen; ich denke, dass das das Ende des Konzerts sein müsse, aber es kommen dann noch einige Lieder.

Ich gehe irgendwann zufrieden in den strömenden Regen.

Sonntag, 5. Juli 2015

ΜΕΣ ΣΤΗΣ ΠΕΝΤΕΛΗΣ ΤΑ ΒΟΥΝΑ 


(Begegnungen und Entscheidungen:)

In den Bergen des Pendeli spaziere ich unter Fichten
ich suche den Tod, aber ich erkenne ihn nicht

In den Bergen des Pendeli an einem lieblichen Tagesanbruch
treffe ich ihn schließlich und sage mit Schmerzen:

Laß mir noch etwas Zeit zu leben, ich habe eine Frau und Kinder,
ich kann sie nicht zurücklassen

Er sieht mich an und lächelt, als wolle er mich gehen lassen,
dann ruft er laut: Ich nehme dich, ich lasse dich nicht.

(Stratos, 1940, deutsch nach der englischen Übersetzung von Gail Holst im Buch Road to Rembetika; die Aufnahme ist aus den 50ern.)

Samstag, 4. Juli 2015

Ατακτη

(Das Folgende sind die einzigen existierenden Filmaufnahmen von Markos Vamvakaris, 1968 für das ZDF aufgenommen. Rembetika ist als Amüsement bei den besseren Athener Bürgern angekommen. Der alte Mann ist aber immer noch ein Ereignis.)
 Die Ungezogene
Ich will dich nicht mehr. Ich will dich nicht mehr. 
Ich liebe dich nicht mehr. Mach, dass du fort kommst. Und viel Glück dabei. 

Was habe ich nicht alles für dich getan, um dich zur Vernunft zu bringen!
Aber du bist unverbesserlich. Also hau ab und lass mich in Ruhe.

(H Ατακτη, Markos Vamvakaris, 1965, deutsche Übersetzung des Refrains und der letzten Strophe nach der englischen Übersetzung von Gail Holst in dem (sehr empfehlenswertem) Buch "Road to Rembetika". Foto von dem Originaltext von Markos ebenfalls aus dem Buch.)

Freitag, 3. Juli 2015

Όσοι Έχουνε Πολλά Λεφτά


Die Leute mit viel Geld
Ich wünschte, ich wüßte, was sie damit anfangen
Glauben sie, sie können es mitnehmen, wenn sie sterben, aman, aman?
Dass man es mitnehmen kann?

Ich habe niemals auch nur zwei Münzen in meiner Tasche,
Und mein ganzer Ärger geht auch nur weg, aman, aman,
wenn ich komplett zugedröhnt bin.

Und wenn in der nächsten Welt das ganze Geld nutzlos sein wird,
warum beten sie es dann so an, aman, aman?
und wissen nicht, wie sie's ausgeben sollen,
warum beten sie es dann so an,
und wissen nicht, wie sie's verprassen können?

(Ossi echoune polla lefta, Markos Vamvakaris, 1936, deutsch nach der englischen Übersetzung von Charles Howard.)


Donnerstag, 2. Juli 2015

Piss and Off!

Wieder einmal Zeit, auf ein Konzert zu gehen. Habe ich schon mal erzählt, dass Pankow Rock City ist? Am Dienstag habe ich zweimal Eddie Argos getroffen, der mit Nachwuchs im Park unterwegs war, in der S-Bahn nach Hause war Jürgen Trittin, das ist doch schon fast wie in Hollywood.

In Kreuzberg spielten Off! mit der Vorgruppe Piss (quasi Piss Off!, gettit?) der Arbeitstag war gräßlich gewesen, also war so ein Konzert genau das Richtige. Den Sänger von Piss habe ich vor zwei Jahren mal bei einem Flag-Konzert getroffen; es gibt über ihn einen eigenen Beitrag bei Ackerbau in Pankow, das können außer meinen Söhnen und F., der es aber hasst, in meinem Blog vorzukommen, nur wenige Leute von sich sagen. Piss spielten etwa eine halbe Stunde, sehr brachialer Punkrock, der an Discharge und andere 80er Bands erinnerte. Für mich war das an dem Tag genau das Richtige. Ich habe dann noch ein bisschen mit Robin, dem Sänger, geplaudert, der aber inzwischen nicht mehr wie früher in Pankow, sondern in Friedrichshain wohnt.

Danach Off! Off! ist die Band von Keith Morris, der vor einigen Jahrzehnten der erste Sänger von Black Flag (und dann später von den Circle Jerks) war. Bei Black Flag ist er eher im Unfrieden ausgeschieden, auf der LP "Everything went black", auf der die frühen Aufnahmen zusammengefasst werden, taucht er in den Liner notes nur als "Johnny Bob Goldstein" auf und der Bassist Chuck Dukowski schrieb dazu (relativ frei erfunden), Johnny Bob habe seine Gitarre zerschlagen und erklärt, nie mehr singen zu wollen. Dukowski schrieb für Keith/Johnny Bob dann auch noch ein Lied "You bet we've got something personal against you". Keith Morris war also aus dem Bandarchiv  ausgelöscht, mit "Nervous Breakdown" hat er aber eine der besten Black Flag-Singles aufgenommen. (Inzwischen vertragen sich aber alle - mit Ausnahme von Gitarrist Greg Ginn, der inzwischen wohl keine Freunde mehr hat - wieder, über die Chuck Dukowski/Keith Morris-Reunion habe ich ja schon berichtet). Der Name Black Flag kam von einem Insektenvertilgungsmittel, Off! ist ebenfalls ein Insektizid, so dass man die Band als den Versuch sehen kann, an die alten US-Hardcore-Zeiten vor 1981 anzuknüpfen. Off! bedient sich daneben - wie die frühen Black Flag - bei dem Artwork von Raymond Pettibon (dem Bruder von Greg Ginn).

Morris muss ja inzwischen auch gut 60 Jahre alt sein, ich habe schon an anderer Stelle beschrieben, dass es für Männer mit starker Glatzenbildung ein geschickter Move ist, sich bei dem verbleibenden Haarkranz Rastazöpfe wachsen zu lassen. Morris wirkt aber fit und sehr präsent, wie ein kleiner böser Kobold.  Ich habe erst letzthin gehört, dass Morris Vater am South Bay ein Anglergeschäft hatte, in dem Morris auch ausgeholfen hat (um hier noch ein weiteres irrelevantes Faktum unterzubringen). 

Das Konzert war sehr kraftvoll, kurze schnelle Lieder, hat Spaß gemacht. Ein paar junge Leute begannen zu tanzen, leider auch im 80er Style, sprich mit geballten Fäusten wild im Kreis herumhüpfend. Da ich inzwischen auch nur noch den Gymnasiasten-Pogo gewohnt bin, der ansonsten bei den Konzerten herrscht, habe ich mich lieber etwas nach hinten verzogen. 

Mit dem Mann am Merchandise-Stand habe ich mich dann auch noch ein bisschen unterhalten. Off! waren zwei Tage vorher in Athen, Merch-Man meinte, alle seien total ausgeflippt, weil das ganze Land unter enormer Anspannung steht. Am gleichen Tag ging es dann nach Dänemark weiter. Neben den Bandshirts mit dem Pettibon-Artwork gab es auch ein merkwürdiges, auf das das Bild eines Schweines mit Messer und Gabel zusammen mit italienischer Aufschrift gedruckt war. Auf Nachfrage erzählte mir Merch-Man, dass das das Shirt eines italienischen Restaurants sei, des Lieblingsrestaurants der Band. Der Inhaber, ein Opa, sei Off!-Fan und habe alles mögliche Band-Merchandise gegen diese T-Shirts getauscht. Das Restaurant sei  ein Überbleibsel der 50er Jahre, aber das Essen sei fantastisch. Merch-Man und ich waren uns einig, dass das eigentlich das richtige Punk-Konzert-T-Shirt sei. Langweiler erkennt man an den angesagten Band-Shirts. Gut sind T-Shirts erst dann, wenn die anderen Konzertbesucher sich nicht schlüssig werden, ob der Träger ein Idiot ist oder vielleicht noch viel cooler als man selbst. (Preisträger in dieser Kategorie ist vielleicht der Typ, der vor zwei Jahren mit einem Robbie Williams-T-Shirt auf einem Black Flag-Konzert war). 

Ein schöner Abend. Mit dem Taxi dann zurück nach Pankow Rock City.