"In the absence of intimidation, creativity will flourish"
G.Ginn

Montag, 14. September 2015

Verschwende deine Jugend

(Das wird wohl der erste Teil einer kleinen Serie über Bücher, die die Jugend in den 80ern darstellen, auch wenn dieses Buch eigentlich schon in den späten 70ern beginnt.)

Verschwende deine Jugend von Jürgen Teipel nennt sich einen "Doku-Roman über den deutschen Punk", die Beschreibung scheint mir zutreffend. Teipel, der in den späten Siebzigern selbst dabei war, hat mit den verschiedenen Protagonisten gesprochen, u.a. mit den meisten der frühen Düsseldorfer Szene, von Male, Fehlfarben, Mittagspause, DAF, KFC, ZK, dem Plan, mit den Hamburgern von Abwärts, den Berlinern von den Einstürzenden Neubauten, Malaria und vielen anderen mehr. Die Ausschnitte aus den Interviews hat er dann so montiert, dass man das Buch als eine erzählte Geschichte des frühen deutschen Punks lesen kann. Ich bin zu jung, um diese Geschichten noch selbst mitbekommen zu haben und wohnte sowieso in der Allgäuer Provinz, wo man nicht richtig viel mitbekam. Da dort aber alles mit einigen Jahren Verspätung ankam, gab es bei uns praktisch ein paar der Geschichten dann noch einmal im Kleinen. Als ich das Buch vor über 10 Jahren das erste Mal gelesen habe, habe ich mich in einigen Dingen wiedergefunden. Die Geschichten sind vor allem haarsträubend, sie illustrieren allerdings ganz gut, wie aus einem Vakuum  ganz neue Dinge entstehen können. Punk - von dem man 76 in Deutschland nicht viel mehr wusste, als dass es da ein paar Verrückte im UK und in den USA gab, die merkwürdig aussahen - war auf einmal Kristallisationspunkt für alle möglichen Leute, die etwas eigenes oder anderes machen wollten. Grenzen wurden niedergerissen, oftmals gewalttätig und selbstzerstörerisch (dem Buch kann man auch wundervoll entnehmen, was für ein Arsch auch schon der junge Ben Becker war). Irritierend, aber auch insoweit übereinstimmend mit meiner Erinnerung an die frühe Allgäuer Szene, ist vor allem, dass am Anfang sowohl politisch linke Leute als auch Rechte in der Szene waren. Das Kokettieren mit Nazi-Symbolik war allgegenwärtig. Die klare Trennung kam dann erst Anfang der Achtziger.

Was mich etwas fertig gemacht hat, ist,  dass ich das Buch beim ersten Mal lesen als sehr amüsant und tatsächlich auch Erinnerungs anregend empfunden habe. Auch jetzt beim nochmaligen Lesen musste ich an vielen Stellen lachen und habe das Buch relativ schnell durchgelesen. Allerdings fand ich es eher erschütternd, dass fast alle Protagonisten komplett verpeilt waren und das Geschehen durchgängig gewalttätig war (wahllos eine Seite aufgeschlagen, der ehemalige KFC-Gitarrist und jetzige Heilpraktiker Meikel C. beschreibt es so: "Anfangs war das noch ein bisschen unprofessionell. Als ich die ersten Male so mitten ins Publikum reingesprungen bin, hatte ich nur so einen Kegel von der Kegelbahn. Auf dem stand. "Patsch, voll in die Schnauze!" Irgendwann habe ich dann gleich meine Gitarre genommen - und die da unten wie einen Morgenstern über den Kopf geschwungen." Schön kommentiert vom ehemaligen KFC-Schlagzeuger, einem jetzigen Psychiater: "Der hat sich oft völlig situationsinadäquat verhalten, was Gewalt betrifft.") . Kam mir beim ersten Durchlesen alles nicht so bemerkenswert vor, hat mich jetzt schon einigermaßen nachdenklich gemacht. Vor allem, weil ich mir nicht sicher bin, wie es denn eigentlich in dieser Hinsicht bei uns war. Ich selbst habe mich nie gerne geprügelt und mich schon immer weitgehend ferngehalten (was nicht immer möglich war), aber wenn ich über die verschiedenen Geschehnisse rund um unser Jugendzentrum so nachdenke, war das vielleicht nicht so weit von der wilden Großstadtwelt entfernt.

Naja, wie dem auch sei, ein schönes Buch über eine Zeit, die einem nur noch fremd und rätselhaft vorkommen kann.

2 Kommentare:

  1. selten so wahres über ben becker gelesen... bei den schlägereien fallen mir immer die bunken von b.trug ein. die haben sich gegenseitig auf die glocke gehauen und uns in ruhe gelassen. wenn sie dann genug von dem spiel hatten sind sie wieder in ihren vw bus gewankt und heimgeeiert und wir hatten eine kostenlose unterhaltungsshow. aber ansonsten wurde es mit ein paar anderen kameraden oft auch ganz schön eng, obwohl außer ein paar watschen hab ich eigentlich auch nie gröber was abgekriegt.
    grüße michali

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    1. An die Leute von B.Trug kann ich mich fast nicht mehr erinnern, aber der VW-Bus klingt vertraut...

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