"In the absence of intimidation, creativity will flourish"
G.Ginn

Sonntag, 22. November 2015

Apocalypse Nerd

Noch ein Comic von Peter Bagge, das ich eigentlich schon lange besprechen wollte. Beim Wiederlesen musste ich dann allerdings schon ein paar Mal schlucken.

Die Geschichte ist schnell zusammen gefasst: Zwei Softwareentwickler aus Seattle haben in der Hütte eines Freundes einen Kurzurlaub in den Bergen gemacht. Als sie zurückfahren wollen, hören sie im Radio, dass Seattle Ziel eines Nuklearangriffs aus Nordkorea war und komplett atomar verseucht ist. Sie fahren zurück zu der Hütte, abgeschnitten von der Zivilisation. Die weiteren Begegnungen mit anderen Überlebenden führen schnell zur Eskalation und Kampf um Vorräte. Als der Freund, dem die Hütte gehört, mit seiner Familie dorthin kommt, endet die Begegnung in einem Blutbad. Perry und Gordo finden ein Camp von anderen Überlebenden, das dann allerdings auch bald überfallen wird; die beiden trennen sich, weil Gordo seinen Freund für zu weich hält. Das letzte Zusammentreffen der beiden, Monate später, (Perry hat inzwischen eine junge Frau getroffen, mit der er sich durch die Wildnis schlägt) gestaltet sich dann aber doch anders, als man vermutet.

Aus: Apocalypse Nerd, (c) Peter Bagge, 2005

Zunächst: Das Ganze ist eine rabenschwarze Geschichte, trotz des immer sehr slapstickhaften Bagge'schen Zeichenstils. Bagge als alter Sitcom-Fan verteilt zwar großzügig Gags, aber das kann über die wirklich tragische Story nicht hinwegtäuschen. Man könnte meinen, dass das eine weitere Geschichte ist, die dem gerade sehr angesagten "Walking Dead"-Narrativ folgt: Hier eine kleine Gemeinschaft, die sich gegen die Bösen, natürlich mit Waffengewalt, verteidigen muss. Allerdings gibt es in der Geschichte keine Guten und keine Bösen, sondern nur verschiedene Menschen, die angesichts des Überlebenskampfes komplett amoralisch werden. Bagge seziert dies mit Genuss, er schickt seine Helden auch mit Vorliebe in Situationen, in denen es keine richtige Reaktion mehr gibt, sondern nur eine Abstufung der Brutalität. Er verzichtet aber auf jede moralische Überhöhung, die diesen ganzen neuen Film- und Seriensagas wie Walking Dead ansonsten eigen ist. Mir ist das insgesamt etwas zu zynisch, auch wenn man konstatieren muss, dass die Versuchsanordnung und Eskalation sehr nachvollziehbar ist. Eine positive menschliche Perspektive sucht man dort allerdings vergebens, Bagge'sche Comics sind dafür aber wahrscheinlich auch nicht der geeignete Ort.

Insgesamt eine gleichzeitig witzige und verstörende Lektüre, das englische Comicbuch gibt es für überschaubares Geld bei den üblichen Verdächtigen.

Sonntag, 15. November 2015

Ich kann heute einfach nicht fröhlich sein

An schlimmen Tagen kommt mir häufig das Lied "I just can't be happy today" von den Damned in den Sinn. Da das Lied zwar einen passenden Titel hat, aber ganz sicher kein Trauerlied ist, ist es aber nicht unbedingt eine passende Assoziation in schlimmen Zeiten. Gestern war deswegen eher der große John Coltrane als Tröster gefragt..

Wenn ich heute so darüber nachdenke, scheinen mir aber jetzt die blasphemischen Kasperle von den Damned gar nicht so unpassend. Solche Musik, solche Texte gefallen Tugendwächter aller Zeiten und aller Couleur nicht. Und eine Terrororganisation, die ein Konzert der Eagles of Death Metal angreift, wird auch die Damned nicht lieben.

Gib's ihnen, Captain!


(Ja, ich weiss, es ist jämmerlich. Aber alles, was einen nicht in den Hass, die Angst und die Stumpfheit verfallen lässt, soll mir willkommen sein.)

Samstag, 14. November 2015

Ein Trauerlied

Heute ist nicht der Tag zu reden.


"Alabama" von John Coltrane, 1963 als Reaktion auf einen Klu-Klux-Klan Bombenanschlag auf eine Kirche geschrieben, vermittelt Trauer, aber trotzdem auch stille Zuversicht, die ich jetzt auch gerne spürte.

Dienstag, 10. November 2015

Aus dem Poesiealbum

Gerade mal wieder ein bisschen alten Kram durchgesehen, dabei sind mir ein paar Briefe von 1983/84 in die Hände gefallen, die vielleicht ganz gut illustrieren, wie die frühe Punk-/Indieszene in Deutschland funktioniert hat. Man hat sich gegenseitig viele Briefe geschrieben, weil es ja keine andere Möglichkeit gab, mit Leuten aus anderen Städten in Kontakt zu bleiben. So führte man Korrespondenz mit anderen Bands, die Cassetten veröffentlicht haben und mit anderen Leuten, die Fanzines machten. Platten kaufte man häufig direkt bei der Band, schon allein deswegen, weil es nicht allzu viele Vertriebswege gab, wo man den Kram bekommen könnte. Wenn man irgendwo Adressen von interessanten Leuten fand, schrieb man erstmal. Manchmal bekam man Antwort, manchmal schickte man Geld und bekam Cassetten oder Fanzines oder Platten, manchmal bekam man nichts (ein Grund, warum ich Crowdfunding-Projekte so interesant finde, ist sicher, dass es da genauso läuft. 1984 in 2015.). Die Briefe, die ich jetzt  wieder rausgekramt habe, sind sicher nicht die, die mir damals am meisten bedeutet haben,* sie eignen sich aber ganz gut, um zu illustrieren, wie das damals lief.

Der erste ist von 1983, von einem der Toten Hosen, der einen kurzen Überblick über das Angebot des neugegründeten Totenkopf-Labels gibt (die erste LP erschien erst später). Offenbar hatten die Jungs damals noch nicht einmal ein kopiertes Labelprogramm, weil der arme Kerl (wahrscheinlich Andi)  alles mit Hand schreiben musste. Schwer vorstellbar damals, wie das dreißig Jahre später enden würde.

Der zweite muss von 1984 sein, von Bela B. von den Ärzten, die wir wohl auch angeschrieben haben, ob es irgendwann Konzerte bei uns in der Gegend geben würde. Kurz und handschriftlich - aber es war damals halt Szene-Ehrensache, dass man sich Briefe beantwortet. Fernsehpläne werden angesprochen ("Illmann wird zum Essen ausgeführt."), auch da hätte sich keiner so recht vorstellen können, in welche Richtung das alles noch gehen sollte.

(Ich kann mich übrigens erinnern, dass es wegen der ersten Fernsehauftritte der Toten Hosen und der Ärzte ("Kriminaltango"/"der lustige Astronaut") furchtbare Auseinandersetzungen bei uns im Wohnzimmer gab. Inzwischen auch nicht mehr nachvollziehbar.)

Schöne Zeiten, als es eine Szene gab und nicht Stars auf der einen und Publikum auf der anderen Seite. Wenn man ein bisschen sucht, findet man das auch heute noch.

*Bei meinem Bruder ist noch eine Antwort von CRASS und ich habe noch ein paar Briefe von Beton Combo und Razzia....

Samstag, 7. November 2015

Cool of the Sixties

Samstagvormittag, die Familie ist ausgeflogen, ich bereite das Mittagessen vor, eine gute Gelegenheit, mal wieder ein paar der familiär weniger beliebten Platten herauszuholen und in angemessener Lautstärke zu hören. Dazu gehören auch ein paar CDs von Charles Mingus, der in den Sechzigern eine sehr interessante Mischung aus Free-Jazz und Big-Band-Arrangements gemacht hat. Schöne Sachen, die aber auch ein bisschen Lautstärke vertragen können.

Dazu passend ein Film über eine Europatournee von Mingus in den Sechzigern. Auch wenn man die Musik nicht sonderlich mag, lohnt es sich, die ersten paar Minuten anzusehen, wie die Band irgendwo aus dem Bus steigt. Cool of the Sixties. Die Musik, die dann kommt, ist natürlich auch prima.