"In the absence of intimidation, creativity will flourish"
G.Ginn

Mittwoch, 30. März 2016

Ghost on the highway

Heute vor 20 Jahren ist Jeffrey Lee Pierce im Alter von 37 gestorben, der Sänger und Gitarrist des Gun Club. Eine der wenigen Bands, bei denen man nicht sagen kann, sie würden wie dies oder das klingen, sondern die wirklich einzigartig waren. Ihre Stücke ein Amalgam aus Blues, Punk, Country und Jazz, über den Gun Club habe ich meine ersten Berührungen mit der Musik von Robert Johnson, Leadbelly und Pharao Sanders gemacht.

Ward Dotson, der erste Gitarrist der Band, der sie nach der zweiten LP verlassen musste, sagt, dass er über Jahre diesen wiederkehrenden Traum hatte, in dem er Jeffrey Lee Pierce immer wieder mit dem Golfschläger ins Gesicht schlägt. Wahrscheinlich war Pierce nicht unbedingt ein Mensch, mit dem man zusammen wohnen wollte, musikalisch aber unvergleichlich.

Ghost on the highway, das verzweifelte Country-Punk-Lied vom Debut "Fire of Love" soll uns heute an den zu früh Verstorbenen erinnern.
(Ghost on the highway heißt auch die sehenswerte Dokumentation über Jeffrey Lee Pierce, die leider aus rechtlichen Gründen ohne Gun Club-Musik auskommen muss.)

Samstag, 26. März 2016

Dr. Jazz

Mal wieder Jelly Roll Morton, der sich selbst "Erfinder des Jazz" nannte. Immerhin war er der erste mit einer Band, die sich Red Hot Peppers nannte. Die Aufnahmen, die schon 90 Jahre hinter sich haben, kann man aber immer noch gut hören. Der 27.3. ist immer ein guter Tag, um ein Lied zu hören, das Dr. Jazz heißt.


Donnerstag, 24. März 2016

Kleiner Mann mit einem Gewehr in der Hand


"Die große Liebe, die Berührung einer Frau, Harmonie, ein starker Geist, ein starker Körper, Schönheit - all die Dinge, die er nicht sein konnte, all die Dinge, die er nicht hatte. Kleiner Mann mit einem Gewehr in der Hand."


Die Minutemen haben das vor über dreißig Jahren geschrieben, D. Boon, der Gitarrist, ist auch schon seit über dreißig Jahren tot, gestorben am 22.12.1985, mit nur 27 Jahren, in einem Autounfall. Noch einer, der mir fehlt.

Dienstag, 22. März 2016

Ich bin nicht dein Fußabstreifer

Letzthin mal wieder in meiner Musik rumgekramt und ein paar Proto-Punk-Lieder der Sechziger und frühen Siebziger angehört. Da gibt es ja die üblichen Verdächtigen, die MC5 mit "Kick out the Jams" oder die Pink Fairies mit "Do it" und natürlich das ganze Stooges-Universum. Früher Punk-Umtriebe eher unverdächtig ist die Casting-Band The Monkees (für die ich eine kleine Schwäche habe...). Trotzdem haben sie mit "I'm not your steppin' stone" ein Lied geschrieben, das auch ohne groß aufzufallen auf frühe Punk-LPs gepasst hätte. Krawallgitarren, Schlagzeuggetöse und ein wütender Text. Als das Lied rauskam, hat es aber wohl kaum einer gehört, weil es die B-Seite von "I'm a believer" war. (Und wieder was gelernt: Es war zwar die B-Seite, aber kam trotzdem in die amerikanischen Top Twenty, offensichtlich haben es einige Leute gehört.) Die frühen Punks erkannten aber die Seelenverwandschaft, die Sex Pistols haben es gecovert (Malcom McLaren hat die Band allerdings anfangs auch gezwungen, Status Quo nachzuspielen, weil er einiges von Mode und Marketing, aber nicht unbedingt so viel von Musik verstand) und ein Zitat aus dem Lied findet sich auch in "Bet you never thought" der DC-Hardcore-Band Scream.

Mit dem Fuß aufstampfen und mitsingen.


Sonntag, 20. März 2016

Wir könnten Könige sein

(Hier kommen jetzt erst einmal ein paar Absätze zusammenhangslose Reminiszenzen, dann kommt aber wirklich schöne Musik.)

Vor zwanzig Jahren, als ich ein Jahr in Schottland war, hörte ich gerne BBC-Radio 1. An allzu viele Sachen kann ich mich nicht mehr erinnern, ab und zu, wenn ich irgendwelche englischen Poplieder aus der Zeit höre, fühle ich mich aber wieder zurück versetzt. Die schöne Morgenradio-Sendung Mark Radcliffe habe ich gerne gehört, merkwürdigerweise begann sie immer mit dem Bert Kaempfert-Stück "Swinging Safari", das in den siebziger Jahren auch Titelmelodie der Seniorensendung bei Bayern 2 war (mir scheint, ich schwof ab...)

Im UK war in diesem Jahr auch ein Lied der Gruppe Gene sehr beliebt. In Deutschland haben die's nie so richtig geschafft, schade eigentlich. The Smiths-inspirierte Popmusik interessiert mich ja ansonsten nicht unbedingt, Gene fand ich dann, nach mehrmaligem Anhören, aber ziemlich gut (es trägt jetzt wohl nicht zum besseren Musikverständnis bei, wenn ich aufschreibe, wie ich das Lied einmal beim Geschirrspülen mit Katie, der einzigen Mitbewohnerin, die irgendwann von dem ungewaschenen Geschirr genauso genervt war wie ich, in der Küche der Rankeillor Street gehört habe, deswegen lasse ich das hier weg. Ihr müsst ja auch nicht alles wissen.). Ein schönes sprödes Lied, das gerade, wenn man denkt, es sei vorbei, mit einem schönen Gitarrensolo weitergeht.

Wir könnten Könige sein.

Sonntag, 13. März 2016

Idioten auf dem Minigolfplatz

Für manches sind Schallplatten eben besser als CDs: als ich letzthin wieder ein paar Platten rausgekramt und gehört habe, ergab sich folgendes schönes Bild:

Der Herr, der hier so wütend dreinsieht, ist Zoogz Rift. Er ist vor fünf Jahren, im März 2011, gestorben. Mit Bands, die Micro Mastodons oder Amazing Shitheads hießen, hat er eine Reihe merkwürdiger Platten mit noch merkwürdigeren Titeln aufgenommen. "Idiots on the minigolf course" ist eine davon. Das Cover aus dem Bild gehört zu "Island of the living puke". Die Insel der lebendigen Kotze wollte ich dann doch nicht gerne im Posttitel haben (wäre aber interessant gewesen, wie sich's auf die Zugriffe ausgewirkt hätte), so dass ich hier etwas geschummelt habe.

Anders als man vielleicht denken könnte, machte Zoogz Rift keine Punk-Musik, sondern experimentellen Jazz der merkwürdigen Sorte. Wenn man sich damit auskennte (was ich nicht tue), könnte man wohl den einen oder anderen Anklang an Captain Beefheart heraushören. The Island of living puke ist eine Art Konzeptalbum, das davon handelt wie Zoogz Rift auf die Insel der lebenden Kotze verschleppt wird, eine Welt, an der jeden Tag Halloween ist, und die nur dem Konsum dient. Zoogz versucht zu fliehen, wird überwältigt, verliebt sich in eine Inselbewohnerin und so weiter.

Das ist nicht nur eine von den Platten, bei denen meine ansonsten sehr tolerante Familie meutert, auch mir wird das schnell zu viel. Trotzdem, ich krame sie immer wieder ganz gerne heraus, auch wenn ich sie überhaupt nicht verstehe. Ich habe vor Jahrzehnten mal ein Interview mit Zoogz gelesen, in dem er meinte, man müsse den Kindern vor allem zwei Dinge beibringen: 1. Dass es Spaß macht zu denken. 2. Wie man denkt. Dann musste das Interview beendet werden, weil er sich die Wrestling Sendung im Fernsehen ansehen musste.

Donnerstag, 10. März 2016

Sumatra

Diese Band hätte auch ganz gut in den "München in Rock"-Post gepasst, aber die haben damals beim Konzert nicht mitgespielt und waren nicht im Fernsehen. A+P hatten aber als eine der wenigen deutschen Bands eine LP in den frühen Achtzigern, die sogar auf einem Majorlabel veröffentlicht wurde. Es gab die wildesten Gerüchte, dass es sich um reiche Vorstadtkinder handelte, dass Ralph Siegel sie entdeckt hätte, keine Ahnung, was da stimmte, letztlich auch egal.* Die Band schaffte es auch, dass zwei Lieder der LP indiziert wurden (über die Indizierungspraxis der frühen Achtziger könnte man auch einiges schreiben, finde ich aber ein schwieriges Thema).
Das Lied "Sumatra" ist eine schöne kleine Fluchtphantasie, für mich war das lange der Inbegriff der Exotik, hatte natürlich keine Ahnung, wo Sumatra ist oder was da sein könnte. Macht aber auch nichts. Musikalisch wie so vieles beim frühen Punk klingt es für uns jetzt eher nach Deutschrock.


Sonntag, 6. März 2016

12875 Meter hoch

Eight Miles High war wohl, nach ihrer Version von Mr. Tambourine Man, das erste Lied, das ich von den Byrds gehört habe.* Das Lied ist eine seltsame Mischung des Harmoniegesang-Folk-Rocks, mit dem die Byrds bekannt geworden sind, und faseriger, hektischer Gitarrenarbeit. Mir war das damals natürlich nicht klar, aber die Band hatte hier als weiteren Einfluss neben Bob Dylan den Jazz John Coltranes verarbeitet. Roger McGuinn wollte mit der Gitarre das nachempfinden, was das Saxophon bei Coltrane machte. Ein Vorhaben, mit dem man natürlich nur scheitern kann, das Lied ist allerdings eine wunderbare Kombination dieser beiden Strömungen (in den späteren Liveversionen wurde das Ganze aber auch zu einem Free-Jazz-Vorspiel von einer Viertelstunde und drei Minuten Lied ausgebaut). Für mich hat es immer ein Gefühl der Unruhe und unterschwelligen Bedrohung transportiert, das passt ja auch zu dem Text ... and when you touch down, it's stranger than known.. (den Text habe ich zum ersten Mal gerade eben gelesen; früher stand der Text irgendwo auf der Platte oder man musste ihn sich eben zusammenreimen). Das Lied beschreibt einen etwas unheimlichen Flug nach England (eigentlich ist die Flughöhe eher sechs Meilen, die Band fand dann aber acht Meilen besser). Würde eigentlich auch als Dienstreisen-Soundtrack funktionieren.

Richtig aufgefallen ist mir das Lied aber erst über die Coverversion, die die amerikanisch Hardcore-Punk-Band Hüsker Dü davon gemacht hat. Eigentlich relativ originalgetreu; im Konzert spielten sie das Lied gerne auch im Anschluss an das knapp 10-minütige Instrumental "Recurring dreams", dem man auch mehr als eine kleine Prise Coltrane anhört. Plötzlich ordnet sich die Band, es folgen ein paar Eingangsakkorde und Bob Mould steigt in Eight Miles High ein.


Während man bei den Byrds immer einen flirrenden Chorgesang mit dem Gefühl einer diffusen Bedrohung hörte, wurde das Ganze bei den Hüskers wie der Aufschrei eines gequälten Tieres, ohne dass man das Gefühl hat, dass das Lied hier trivialisiert oder missbraucht würde (die Single-Version zeigt, dass die Hüskers sehr werkgetreu blieben). Im Gegenteil, bei den Byrds wird beschrieben, wie man nach einem Flug in einem seltsamen und beunruhigenden Land ankommt, bei Hüsker Dü eher wie man sich im Leben in einer seltsamen und beunruhigenden Welt wiederfindet. Bei den Byrds gibt es die Möglichkeit des Rückflugs, bei Hüsker Dü nicht. Die Liveaufnahme von 1985 hat mich damals sehr beeindruckt, die Intensität und Dringlichkeit der Band jenseits eingeübter Posen. Ohne Hüsker Dü wäre Nirvana nicht möglich gewesen (und ich hätte lieber Hüsker Dü behalten).

*Am interessantesten finde ich ja die Byrds in der späten Country-Phase, aber das ist wieder eine eigene Geschichte.