"In the absence of intimidation, creativity will flourish"
G.Ginn

Montag, 27. Juni 2016

Alle Jahre wieder

Eben nachgesehen: Tatsächlich, Grexit war vor ziemlich genau einem Jahr. Damals gab es ein Referendum eines von der EU gebeutelten Landes, das dann ziemlich rabiat wieder auf Spur gebracht wurde. Ein dreckiges Drama. Das Sequel Brexit scheint dagegen eher ein Slapstick-Katastrophenfilm zu werden. Ich mag nicht darüber nachdenken, wer dann im nächsten Juni dran ist. Everything falls apart.

Letztes Jahr hatte ich das Griechenland-Drama hier mit griechischer Musik hinterlegt (das sind meine liebsten und der Leser unbeliebteste Posts), die Briten machen es einem dann leichter, massenkompatible Musik auszuwählen (gut, die Minutemen gestern waren jetzt nicht wirklich massenkompatibel). Das passende Mottolied für das derzeitige britische Kasperletheater ist natürlich dieser unverwüstliche Oldie:


Wer hätte gedacht, dass gerade Boris Johnson diesen Traum verwirklichen würde: "Don't know what I want, but I know how to get it, I wanna destroy...."
(Mich schmerzt es ja immer ein bisschen, wenn ich mir das so ansehe. Die Pistols waren auch nur eine Heavy Metal-Band.)

Sonntag, 26. Juni 2016

Die Minutemen haben es schon immer gewußt!

Der Aufschrei der Massen könnte auch bloße Flatulenz sein!

The roar of the masses could be farts!

(Von der wunderbaren "Double Nickels on the dime" von 1984)

Die Apokalypse, in einfachen Schritten erklärt

Da die deutschen Zeitungen gerade nicht unbedingt hilfreich sind, das Brexit-Debakel zu verstehen, habe ich den gestrigen Tag damit verbracht, ein paar Originaltöne zu lesen. Auch wenn's weh tut: Die Daily Mail hat stark für den Austritt lobbyiert und die Kommentare sind dort regelmäßig so, dass manches Pegida-Forum erröten würde, aber wenn man die Brexiter verstehen will, dann ist das wohl ein ganz guter Studienort.

I. Sieg!

Am Tag nach dem Referendum musste auch die Daily Mail erklären, was auf die Briten zukommt; eine für diese Seite eher ungewöhnliche Situation, den Lesern zu offenbaren, dass ein Großteil des Verbraucherschutzes auf EU-Normen beruht. Eher grotesk, wenn die Daily Mail tröstet, zumindest in den nächsten zwei Jahren wird sich ja nichts daran ändern, dass die Roaming-Gebühren im EU-Bereich gedeckelt sind und dass die Notfall-Krankenbehandlung in der EU kostenlos bleibt. Einige Leaver wurden auf einmal besorgt, man hätte ein Haus in der Normandie, in das man nach der Rente ziehen wolle, ob es da Probleme geben könnte...? Nun ja. Aber selbst in der Daily Mail finden die Kommentare, dass man ja auch im UK Urlaub machen könne, wenn es im Ausland teurer werde, wenig Anklang. Das sind aber weitgehend Sorgen einer Mittelschicht, die plötzlich feststellt, dass sie gegen ihre eigenen Interessen Leave gewählt hat; die wirklich Abgehängten haben keine Häuser in der Normandie und machen auch keine Auslandsurlaube.

Interessant ist, dass man nirgendwo konkrete Vorteile des Votums genannt bekommt, es bleibt meist bei dem "Now we take control again" und die Demokratie habe gesiegt. An einigen Stellen wird mitgeteilt, dass man jetzt die Immigrants rauswerfen müsse, je nach Standpunkt, meint man damit die Polen oder die Muslims. Ein Leave-Anführer musste allerdings schon gestern mitteilen, dass sich mit dem Austritt aus der EU an der Immigration in das UK nicht allzu viel ändern werde. Das war zwar schon vorher klar, sorgt aber doch für Aufregung bei den Leavern, die es vorher anders mitgeteilt bekommen haben und natürlich anders verstanden haben. Die Daily Mail hat einen eher schwachen Artikel, welche grotesken EU-Regulierungen man nunmehr abschaffen könnte. Das UK kann in Zukunft dann krumme Gurken und Glühlampen kaufen. Und Staubsauger mit 2000 Watt. Wenn man in den Kommentaren liest, für wie viele ein wesentlicher Grund für die Leave-Stimme war, dass sie wieder ihren blauen UK-Pass haben wollen, sind vielleicht auch die Glühlampen ein Grund zu feiern. Häufig findet man in den Kommentaren auch die Forderung, nun endlich auch aus der Europäischen Konvention für Menschenrechte auszutreten. UKIP kommentierte die Berichterstattung über die Währungsturbulenzen, es habe sich um eine sehr britische Apokalypse gehandelt; zur Teestunde sei sie schon wieder vorbei gewesen. Dass das Pfund nur durch 250 Milliarden Stützung durch die Bank of England wieder auf Spur gebracht werden konnte, lässt man dann kurz unerwähnt.

Das andere Camp fasst derlei Äußerungen gerne mit "Truthähne stimmen für ein frühes Weihnachtsfest" zusammen, nicht ganz zu Unrecht. Zwischen den zwei Lagern gibt es aber keinen Dialog, man hält sich gegenseitig für dumm, arrogant, korrupt. Der Leitartikel der Daily Mail beschäftigt sich mit Nigel Farage, ein Lutz Bachmann-ähnlicher Held der kleinen Leute. Ihm werde Ungebildetheit vorgeworfen, in den Vierziger Jahren wäre er aber einer der Piloten der Royal Air Force gewesen, der England verteidigt hätte, während die liberalen Kritiker höchstens einen Schreibtischjob gehabt hätten, Kriegsdienstverweigerer gewesen wären oder gar Kolloborateure. Und wenn sich jetzt das andere Lager beklage, dass es nicht gehört werde: So ginge es dem kleinen Mann seit 50 Jahren. Die Tories haben sich hier teilweise mit einer Bewegung verbündet, die alle Eliten ablehnt, sei es in Brüssel oder London. Das ist praktisch Pegida, was sich hier äußert. Oder, um ein bisschen weiter zu sehen, Donald Trump.

Nach der Lektüre ist man nicht wirklich schlauer, was die Leave-Bewegung eigentlich erreichen wollte. Man bekommt allerdings einen Eindruck, warum Boris Johnson - der Sieger! - bei seinen ersten Pressestatements erschien wie von Panik geschüttelt. Man hat hier Geister aus der Flasche gelassen, die man so leicht nicht mehr zurück bekommt. Und die Missachtung der Institutionen beschränkt sich nicht auf die Europäischen, sondern gilt für alle politischen Institutionen, auch in Großbritannien. Und der typische Leave-Campaigner hat auch für die Tories wenig Sympathien übrig. Er erwartet allerdings jetzt schnelle Umsetzung und schnelle Verbesserungen. Ich an Boris Johnsons Stelle hätte da auch ein bisschen Panik. Ich nehme an, der Plan war, die Leave-Kampagne immer so um 40 % zu halten, um im parteiinternen Streit Erpressungspotenzial zu haben. Hat ja schön geklappt. Sollte sich jeder CDU/CSU-Politiker genau ansehen, der mit der AFD anbandeln will  (Nebenbei: Es ist ja schon häufig angemerkt worden, dass die neuen Populisten - Trump, Johnson, Wilders - merkwürdige Frisuren haben. Wenn Seehofer sich die Haare blond färbte, passte er gut in die Reihe.)

II. Der Plan

Was mich eigentlich noch mehr interessiert, ist welcher Plan hinter der Brexit-Kampagne steht. Wenn man etwas anstößt, was sicher das einschneidendste innenpolitische Ereignis im UK seit vierzig Jahren ist, hat man doch sicher einen Plan (oder zumindest Ziele, die etwas konkreter sind). Bei der Suche bin ich auf einen sehr informativen Bericht eines Parlamentsausschusses gestoßen, der sich mit den wirtschaftlichen Auswirkungen eines Brexits beschäftigt. Die Zahlen beider Seiten werden überprüft und beide Seiten bekommen ein paar Ohrfeigen. Der Bericht ist sicher informativer als das meiste, was man jetzt danach lesen kann. (Die Befragung von Boris Johnson zu den Verboten, Teebeutel zu recyclen oder Luftballons von unter 8jährigen aufblasen zu lassen, ist absurdes Theater). Faszinierender ist das separate Protokoll der Befragung des Leave Campaign Manager Dominic Cummings. Ich glaube, dass niemand - unabhängig von der Ansicht, die er in dieser Angelegenheit hat - dieses Protokoll lesen kann, ohne zu dem Ergebnis zu kommen, dass Herr Cummings ein skrupelloser manipulativer Lügner ist. Das ist nur zu offensichtlich, aber muss Herrn Cummings nicht sonderlich stören, weil ihm klar war, dass es bei der ganzen Geschichte ohnehin nicht um Fakten geht. Man kann hier den neuen und wohl in Zukunft vorherrschenden Typus von Politiker studieren. Zentraler Punkt der Leave-Kampagne waren die 350 Mio. Pfund, die wöchentlich zusätzlich zur Verfügung stünden, wenn man aus der EU austritt. Um die Kampagne für alle Seiten attraktiv zu halten, hat man dieses Geld praktisch allen versprochen. Schade, dass man es nur einmal ausgeben kann, schade auch, dass die tatsächliche Nettosumme weit weniger als 350 Mio. Pfund ist.  Wie sich Cummings um diese Fragen herumwindet, ist schon ein Leseerlebnis. Man kann aus der Befragung allerdings ableiten, wie der Plan für die Austrittsverhandlungen aussieht. Überraschung: Es gibt keinen. Cummings beteuert allerdings, dass das UK auch weiterhin an freiem Handel interessiert sei, man aber ohne die korrupte und unfähige EU in der Lage sei, bilateral viel bessere Konditionen zu verhandeln. Interessant ist dabei, dass Cummings an einigen Stellen mitteilt, dass er die britische Ministerialbürokratie für vollkommen unfähig hält, entsprechende Verhandlungen zu führen; schönstes Zitat: "Die sind nicht einmal in der Lage, sich aus einer Papiertüte herauszuverhandeln." (In der Befragung, bei Q.1441) Bilaterale Handelsverträge mit aller Welt neu zu schließen, innerhalb eines Zeitraums von zwei Jahren - das ist kompletter Wahnsinn. Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendjemand, der sich mit der Materie beschäftigt, das zeitlich für möglich hält; ich kann mir auch nicht vorstellen, dass irgendjemand davon ausgeht, das UK bekäme bessere Konditionen als die EU. Fantastisch ist auch die Antwort auf die Frage, wie denn der Finanzplatz London gehalten werden soll. Cummings muss zugeben, dass es außerhalb der EU kein einziges Handelsabkommen gibt, dass auch den Austauch von Finanzdienstleistungen in befriedigender Weise regelte. Aber: das wird sich alles finden! Hauptsache, weg vom korrupten Brüssel. Das entspricht etwa der Vorgehensweise, seinen sehr günstigen Mietvertrag zu kündigen, der Familie zu versprechen, dass man natürlich etwas besseres finde und nach der Kündigung zum ersten Mal nachzusehen, wie der Wohnungsmarkt so aussieht. Kann im Einzelfall klappen, wenn man so etwas allerdings mit der sechstgrößten Volkswirtschaft der Welt macht, ist man vielleicht ein bisschen sorglos. Noch einmal: es gibt für dieses Projekt keinen Plan. Ich bin mir nach der Lektüre nicht einmal sicher, ob es - außer innenpolitische Rankünen - überhaupt ein Ziel gab. Ich nehme an, dass die Leave-Kampagne gerade fieberhaft nach dem nächsten Sündenbock sucht, dem man  die zwangsläufige Entwicklung dann in die Schuhe schieben kann - wenn man sieht, wie unversöhnlich sich die Lager im UK gegenüber stehen, bekommt man eine Vorstellung, in welche Richtung das weiter gehen wird. Ich nehme an, dass dann auch wieder genügend Nazi-Angela etc. Rhetorik folgt. Dass die liberalen Medien den Leave-Leuten jetzt dauernd erklären, dass sie blöd, beschränkt und rassistisch sind, wird das Ganze auch nicht besser machen.

So behämmert es klingt, wird der einzige Weg aus dem Schlamassel sein, dass wir den Briten helfen, da wieder einigermaßen mit Anstand rauszukommen. Falls das Leave-Votum umgekehrt wird, gerät aber wohl die britische Innenpolitik dauerhaft außer Kontrolle. Und mit einem solchen Vorgehen legt man auch die Axt an die EU, weil dann die ganzen Wahnsinnigen in den anderen Ländern ähnliche Dinge probieren. Die Briten absaufen zu lassen, kann es aber auch nicht sein.

Ich habe jetzt noch ein paar apokalyptische Absätze gelöscht. Sagen wir es so: Ich mache mir Sorgen.

Ergänzung:

III. Die Apokalypse als Slapstickaufführung
Ein paar Stunden weitergelesen: Im UK sind die führenden Protagonisten der Leave-Kampagne abgetaucht. Es gibt im Moment anscheinend niemand, der den Volkswillen ausführen will; kein Wunder, da das Ganze (wie oben dargestellt) eine sehr schlechte Idee ist und es mit jedem Tag deutlicher wird. Meine Prognose: Die Tories werden sich um den Austrittsantrag drücken, unter irgendeinem bescheuerten Vorwand. Die EU wird - gezwungen von Angela Merkel - das Spiel mitmachen. Im Grunde vernünftig. Alle Leave-Aktivisten werden aber feststellen, dass die Brüsseler Eliten anscheinend auf demokratischem Weg nicht besiegt werden können. Willkommen im Bürgerkrieg.

Donnerstag, 23. Juni 2016

Austritte

(Nein, das Folgende soll keine historische Parallele darstellen, die Briten sind weit entfernt davon, Nazis zu sein. Die Zeiten sind gar nicht vergleichbar. Nur eine kurze Erinnerung, dass die Abkehr von internationaler Zusammenarbeit in der Regel weder dem Land noch den Nachbarn nützt.

Und für Schadenfreude oder Rachegedanken ist jetzt auch nicht die Zeit. Ganz sicher nicht.)

"Um 1/2 2 Uhr am 14. Oktober erfahre ich es in der Stadt: Deutschland verläßt die Abrüstungskonferenz. Deutschland tritt aus dem Völkerbunde aus.

Der Bann ist gebrochen!

Wo ist der nächste Fernsprecher? Zu Hause angerufen, zwei Worte nur: "Fahne raus!" Gott sei Dank. Am späten Nachmittag, als die Nachbarn unsere 5 Meter Schwarzweißrot gesehen und die Zeitungen gelesen haben, wird die Straße bunt von diesen Nationalflaggen. Das ist nicht befohlen, nicht gewünscht, nicht angeregt. Diese Kundgebung kommt freiwillig aus glühenden Herzen. Unsere Kindeskinder werden das historische Datum einst ebenso sich einprägen müssen wie den 21. März, den Tag von Potsdam.

Ein Volk sprengt seine Ketten."

(Adolf Stein ("Rumpelstilzchen"), 19.10.1933, aus: "Sie wer'n lachen")

Montag, 20. Juni 2016

Vom Regen in die Traufe

Von meiner Begeisterung für die Briten Sonic Boom Six hatte ich ja schon berichtet. Eine der wenigen Bands, die heute interessante Musik mit klugen sozialkritischen Texten verbindet. Vor ein paar Wochen kam die fünfte Platte "The F-Bomb" heraus, die allerdings wenig von früheren Punk-Klängen hören lässt, sondern eine relativ poppige Mischung von Ska, Reggae und irgendwelchen modernen Genres ist, die ich nicht einmal benennen kann.

Textlich haben es die Lieder aber immer noch in sich. "From the fire in the frying pan", ein Ska-Lied,  zeigt die Geschichte einer rechten Radikalisierung durch soziale Netzwerke, sehr geschickt in dem Video dargestellt. Der Unterschied zwischen Deutschland und dem UK scheint in der Hinsicht nicht groß zu sein. Anstoß für das Lied waren wohl die Erfahrungen, die die Band mit einem Fan gemacht hat, der langsam in die rechte Szene abdriftete.

Das Video ist auf Youtube gesperrt, kann aber hier auch in Deutschland abgerufen werden 

(Nachtrag: Der Titel müsste "Von der Traufe in den Regen" heißen, "From the fire in the frying pan" dreht auch die entsprechende englische Redensart um.)

Samstag, 18. Juni 2016

Und dann macht es Bumm

(Das Fellmonsterchen hat angefangen, ich kann nix dafür.)

Schlimm, schlimm, schlimm, ganz schlimm. Und bei den Österreichern heißt ein Spieler auch noch Hinterseer.

(Müller. Den Namen wird man sich merken müssen.)

Donnerstag, 16. Juni 2016

Ich habe Kartoffelbrei, aber kein T-Bone-Steak

Wer würde bestreiten, dass die Titelzeile nicht schon genug Text für ein ganzes Lied ist? Und umso besser, wenn das Lied dann knapp 10 Minuten dauert. Nicht überzeugt? Neil Young war offenbar dieser Auffassung auf seiner 80er LP "Reactor".

Ich habe früher viel und inbrünstig Neil Young gehört, in den letzten Jahrzehnten allerdings eher weniger. "T-Bone" finde ich aber gerade gar nicht so schlecht. Mit Messer und Gabel im Takt auf den Esstisch mitklopfen. Bahn frei, Kartoffelbrei! (Polis, polis, potatismos!)



Sonntag, 12. Juni 2016

Liebe auf der Stehtribüne

Nun ist also gerade überall Fußball, für mich nicht gerade ein inspirierendes Thema. Der Kiezschreiber hat den philosophischen Unterbau zu diesem Thema in einem zurecht viel verlinkten Beitrag skizziert; man sollte den Post allein deshalb lesen, weil niemand sonst die Chuzpe hat, mit der These zu beginnen, dass in Bezug auf Fußball Deutschland in zwei Gruppen zerfalle, nur um im weiteren Verlauf des Essays insgesamt fünf Gruppen zu identifizieren. Der gebannte Leser merkt es erst mal nicht (Einzelheiten in dem kommenden Interview-Band, Francois Ackerbau, "Herr Bonetti, wie haben Sie das gemacht?").

Fußball führt meist nicht zu relevanter Musik, sondern meist nur zu doof-pathetischem Mist, der jeweils nur die Fans der einen Mannschaft anspricht; man könnte für die verschiedenen Lieder der Nationalmannschaft die Reihe "Verbrechen auf Schallplatte" reaktivieren, aber ansonsten bleibt da nur Trio. Daneben gibt es noch Hooligan-Musik, die mich aber genauso wenig interessiert wie Hooligans selber.  Die Cockney Rejects, eine Punk-/Skin-Band der frühen 80er machen da ein bisschen eine Ausnahme, deren Hooligan-Lieder waren musikalisch leider sehr überzeugend, War on the terraces ist sicher ein geeignetes Lied, um irgendwo hin zu gehen und jemand auf die Mütze zu hauen. Das ist hier aber kein Blog, in dem es gutgeheißen wird, irgendjemand auf die Mütze zu hauen , und wenn jemand zuviel Testestoron hat, soll er halt Holz hacken oder mein Kartoffelbeet jäten. Deswegen schwenken wir noch einmal um, zu einer britischen Band, die sich "Serious Drinking" nannte, und eine Art unbeholfene Punk-/Ska produzierte, thematisch immer um das Thema Alkohol drehend. "Hangover" ist mir seit Jahrzehnten in den Ohren, auch wenn ich die Cassette, auf der das Lied drauf war, auch schon in den 80ern verloren habe (jeder sollte mal eine Minute reinhören, was für ein wunderbarer Refrain!). Während die Cockney Rejects vom Krieg auf der Stehtribüne sangen, stimmten Serious Drinking "Love on the terraces" an und beschrieben, wie man bei der Fußballprügelei die große Liebe findet. Sehr charmant, sehr britisch und wenn man's gehört hat, will man niemanden eins auf die Mütze hauen, sondern höchstens ein neues Bier aufmachen. So soll es sein. 


Mittwoch, 8. Juni 2016

Die Flut

Schon lange keine Griechen mehr gehabt. Das folgende Lied wurde im Dezember 1934 von Markos Vamvakaris aufgenommen  und beschreibt die Flut von 1934, die Teile von Athen und Piräus verwüstete. Im Lied wird beschrieben, wie sich Leute auf Bäume retteten und wie vergeblich versucht wird, Kinder aus den Fluten zu retten.

Das Lied hat hier auch die Funktion, über Geschehenes zu berichten. Ein anderes zu seiner Zeit sehr erfolgreiches Rembetikalied von 1931, Kokoyrga Pathara, beschrieb einen Mord, der damals die Griechen beschäftigte. Aus Deutschland sind aus der Zeit Lieder über den Massenmörder Haarmann, und früher, in Bayern, über Wildschützen und Räuber wie Jennerwein und Kneißl bekannt. Einige der Blueslieder von Leadbelly berichten ebenfalls von Katastrophen und Mordtaten.

Die Überschwemmungen dieses Jahres werden nicht mehr besungen, sie finden vielleicht noch als Bild  oder Kurzvideo statt. Die Bilder werden rasch vergessen, bis dann die nächste "Jahrhundertflut" kommt. Wir können noch den 80 Jahre alten Liedern zuhören, niemand wird in 80 Jahren unsere Twitterfeeds lesen. Vielleicht besser so. 

Donnerstag, 2. Juni 2016

Alternative Sauna

Skinny Lister, die als Vorband von Frank Turner gefallen haben, sind wieder in der Stad, und freundlicherweise haben sie als Vorband die wunderbaren North Alone mitgenommen.
Also, auf durch die schwüle Berliner Juni-Hitze ins Cassiopeia. Frau Ackerbau und S. und B. sind auch dabei.

Wir kommen gerade rechtzeitig für North Alone, der Raum ist relativ klein, es passen vielleicht 200 Leute rein, ein guter Rahmen für ein solches Konzert. North Alone sind in der Besetzung Gitarre und Geige unterwegs, auf Platte und bei einzelnen Konzerten gibt es auch eine vollständige Bandbesetzung; interessanterweise funktioniert beides sehr gut. Ich habe ja manchmal Probleme mit den neuen Folk- und Countrymusikern und höre dann doch oft lieber den Kram aus den 30ern-50ern, aber North Alone sind wirklich bemerkenswert. Schönes Songwriting, das nicht bei Countryklischees hängen bleibt wie bei manchen anderen, und bedenkenswerte Texte. Und natürlich die wunderbare Kombination von Gitarre und Geige. Ich habe ja das Geigenspiel von So-Kumneth Sim schon vor zwei Jahren bewundert; das Zusammenspiel des abgeklärten Gitarristen Manuel Sieg mit dem Geiger ist ist noch besser geworden. Natürlich gab es "Scatter my ashes into the sea" und "The road most traveled". Leider war das Konzert relativ kurz, der Fluch der Vorband. Ich hoffe,  dass ich auch noch einmal ein Headliner-Konzert mit North Alone erleben kann.

Nach einer kurzen Pause dann Skinny Lister. Diesmal wussten wir ja, was auf uns zukommt, die Band selbst nennt es Shanty Punk, Folk Punk, der sich aber deutlich mehr an den Pogues und den Men they couldn't hang orientiert als an den eher moderneren Vertretern. Das ist aus meiner Sicht ganz sicher kein Fehler. Gitarren, Schlagzeug, ein Kontrabaß, Akkordeon, Bandoneon und Laute sowie eine unermüdllich hopsende Sängerin. Schönes, abwechslungsreiches Songwriting, aber ein klares Hops&Spaßhab-Set. Also hopsten wir und hatten Spaß. Nach etwa einer halben Stunde waren alle in dem kleinen Raum von oben bis unten schweißnass, was den Sänger zu der Ansage veranlasste, Skinny Lister-Konzerte seien die Alternative Sauna.  In dem kleinen Raum eine sehr familiäre Atmosphäre, am Schluss war die halbe Band auch im Publikum; den Bassisten musste man sowieso wieder auf Händen herumtragen...

Schöner Abend, tolle Bands. Hätten mehr Publikum verdient.