Sonntag, 31. Dezember 2023

Das Jahr 2023 in Konzerten

 (Chronologisch geordnet)

- (Henry Rollins hat nicht gesungen und ist hier schon ausführlich besprochen worden.)

- Bukahara. Gitta hatte mich mitgenommen, nette Band, nettes und junges Publikum. Ein paar Lieder haben sich ins Hirn und in meine Playlists gefressen. Vorband: Sirens of Lesbos. Ich hätte nicht gedacht, dass ein Bass so laut sein kann, aber meine Güte!

- The Damned. Das Hole44 war komplett überfüllt, die alten Herren von the Damned waren zwar gut gelaunt, der Sound war aber nicht sonderlich gut. Sie spielten im Wesentlichen ihr neues - gutes - Album. Vorgruppe Pissed Boys Ones (die unbarmherzige Frau Kirschblüte macht mich darauf aufmerksam, dass die Gruppe Pissed Ones heißt. Pissed Boys war eine Rumpeldeutschpunkband aus Lübeck in den Achtzigern) hatte merkwürdigerweise den besseren Sound als der Hauptact.



- Cat Stevens. Frau Ackerbau hat mich mitgenommen, Zitadelle Spandau, eigentlich schon zu groß für meinen Geschmack, aber war ok. Sehr gute Musiker, Stevens hat auch noch eine sehr gute Stimme. Alle Hits, ich hätte gerne Sad Lisa gehört, das hat er natürlich nicht gespielt. In Spandau bekommt man nach 22 Uhr dann praktisch kein Bier mehr.

- Mélinée, um die Ecke im Zimmer 16, wo ich vor langen Jahren immer zu furchtbarem Kindertheater hingehen musste. In Berlin lebende Französin, die Chansons mit verschiedensten Einflüssen singt. Phantastische Band, vor allem der Kontrabassist. Sehr schön.



- Verpennt: Destroy Boys, war ausverkauft.

- Robert Rotifer, im Posh Teckel in Neukölln. Sehr schönes und intensives Konzert, phantastisch auch wie Rotifer die komplex arrangierten Stücke der neuen LP nur mit einer Gitarre auf die Bühne bringt. (Irgendwann schreibe ich den ausführlicheren Konzertbericht fertig.) Vorgruppe Paul & Pets, multiinstrumentaler 80er Sound, eigentlich gar nicht mein Ding, aber hat mir sehr gut gefallen.



-Nightingales im Schokoladen. Die Nightingales sind eine Elementargewalt. Die Musik ist nicht unbedingt leicht erschließbar, bläst einen allerdings live um. Diesmal gab es sogar ein, zwei Stücke von der ersten LP, über die ich schon als 15jähriger gerätselt habe. Außerdem Wiedersehen mit Eddie Argos. Vorgruppe Belt, ein Berliner Trio mit leichte Refused-Anklängen. Machte Laune.



- Natalie Merchant. Gitta und Christoph haben mich mitgenommen, guter und abwechslungsreicher Abend mit einem phantastischen Platz, von dem ich den Musikerinnen genau auf die Finger sehen konnte.

- Zotos Kompania im b-flat. Das alljährliche Rembetiko-Weihnachtskonzert. Wieder Tsitsanis, Jenitsaris und Vamvakaris tanken.



- Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen im Monarch Club. Es ist einfach: Wenn die Liga spielt, einfach hingehen. Eine sehr vergnügte Hopsparty, leider vermitteln die LPs nie so richtig, was für eine grandiose Liveband die Liga ist. Im Vorprogramm Pete Astor, der mich allein mit Gitarre erst nicht ganz überzeugte, die Stücke mit Band waren dann aber sehr gut.




Sonntag, 24. Dezember 2023

24. Warmer Dezember

 Als letztes Lied im Adventskalender ein Weihnachtslied, gesungen von Samara Joy, einer jungen und sehr guten Jazzsängerin.

Wir hatten dieses Jahr Lieder aus neun Ländern, etwa die Hälfte tatsächlich aus dem Jahr 2023, stilistisch breit gefächert. Vielleicht war ja auch etwas für Euch dabei.


Samstag, 23. Dezember 2023

23. DC Spezial

 Eine unerwartete Platte 2023: Die großen Scream haben nach langer Pause wieder eine LP aufgenommen.  Mitte der Achtziger habe ich die „This side up“-LP rauf und runter gehört, Jahre gebraucht, bis ich die Anfangsakkorde von „Bet you never thought“ endlich nachspielen konnte, die Band immer wieder live gesehen. Selten habe ich mich nach Konzerten so voller Energie gefühlt.

Die Band ist älter geworden, aber sie hat noch all das, was ich damals an ihr geliebt habe. Punk rock als eine Community. Kent Stax, der Schlagzeuger, ist im September gestorben. In dem Video sieht man ihn noch. Und am Anfang bin ich erschrocken, als ich Pete Stahl sah, nur um festzustellen, dass er zwar dreißig Jahre älter geworden ist, aber noch genauso gut wie früher. 

Donnerstag, 21. Dezember 2023

22. Katholisches Mädchen aus Syros

 Dieses Jahr kann der große Markos nicht auf der Liste fehlen, schließlich habe ich mich auf seinen Spuren nach Syros begeben. Ich habe schon ausführlich beschrieben, wie es mir nicht gelungen ist, die verschiedenen Orte, die in Φραγκοσυριανή genannt werden, zu erwandern. Aber ich kann mir immer das Lied anhören von dem Mädchen aus Syros, das Markos das Herz verzaubert hat. 

Mittwoch, 20. Dezember 2023

21. Schmetterling

 Ziemlich genau ein Jahr ist dieses Lied der fantastischen Team Scheisze alt. Wir bleiben bei den Insekten, anders als bei dem gestrigen Lied des Adventskalenders keine feine Frauenstimme, sondern ein unflätiger älterer Herr zu allgemeinem Herumgeboller. Gestern hätte ich dieses Lied anstelle meiner meisten (dienstlichen) Interaktionen singen können, der Tag wäre besser gewesen. 

Ich bin ein fucking Schmetterling

flatter flatter flapp flapp

Deine Probleme sind nicht meine Probleme


Dienstag, 19. Dezember 2023

20. Die Käfersammlerin

 Haley Heyndrickx war vor fast genau zwei Jahren schon im Adventskalender, damals mit ihrem Gartenlied. Neues gibt es von ihr leider nicht (aber vielleicht nächstes Jahr), trotzdem mag ich diesmaldas immer wieder gern gehörte Lied von der Käfersammlerin hier noch einmal einstellen. Zum einen, weil Heyndrickx einfach eine tolle Musikerin ist, deren Lieder - ich schrieb es bereits - in allen Indiekneipen rauf und runter gespielt werden müssten. Zum anderen, weil das Lied mit der Beschreibung der verschiedenen Käfer, die aus der Wohnung entfernt werden, um dem Gegenüber einen guten Tag zu bereiten, dunkelschön und groß ist.


Montag, 18. Dezember 2023

19. Eingebettetes Chaos

 Eigentlich gehört das in das letzte Jahr, weil ich 2022 wirklich viel Mamani Keïta gehört habe. Dieses Lied war aber auch 2023 ein Favorit, ich mag auch das Video gerne. Man hat den Eindruck, alle hatten Spaß.



Sonntag, 17. Dezember 2023

18. Ich und meine Freundin

 Schon von 2020, bin aber erst dieses Jahr drübergestolpert. Malia singt schöne Retro-Soul-Stücke, dieses hier ist aber ein besonders netter Ohrwurm.


Samstag, 16. Dezember 2023

17. Du taugst nichts

 Heute gehen wir sechzig Jahre weit zurück, in das Jahr 1963. Betty Everett hat in den USA einen Hit mit You‘re no good. Mir ist das Lied zum ersten Mal dieses Jahr untergekommen und es gefällt mir gut.


16. Casanova

 Der gute Sean McGowan hat es gerade nicht leicht, weil sein (Fast-)Namensvetter gestorben ist. Aber Sean, nicht Shane, ist noch reichlich jung und wird sich wahrscheinlich nicht so zugrunde richten wie sein berühmter Kollege. Ich habe ihn vor fünf Jahren das erste Mal live gesehen und seitdem nicht mehr verpasst. Folkrock, der alles, was ich an Britpop mag, mit aufnimmt. Sean verdient sich gerade sein Geld noch mit Jobs als Friseur und Barkeeper, er hat aber im April seine zweite LP in Eigenregie herausgebracht, die ich sehr gerne höre. Ein netter Kerl ist er dazu auch.


Donnerstag, 14. Dezember 2023

15. Niemals

 Nicht viel neue afrikanische Musik, dieses Jahr, ich brauche ja immer einen Anstoß dazu. Bongeziwe Mabandla habe ich aber immer wieder gehört. Es gibt eine neue Platte, wieder ein paar nette Sachen dabei. Eigentlich so gar nicht meine Musik, aber irgendetwas finde ich sehr faszierend daran.

Mittwoch, 13. Dezember 2023

14. Einer von den Jungs

 Nach langer Pause mal wieder Neues von Sonic Boom Six. Sicher die Band, die mich davon abgehalten hat, immer nur alten Kram zu hören, sondern sich lieber auch auf neue Bands and Genres einzulassen, auch wenn es zunächst schwer fällt.

Wie schon the Damned arbeiten sie sich an der britischen Politik ab. Nächstes Jahr soll es ein neues Album geben, ich bin gespannt.

Dienstag, 12. Dezember 2023

13. Wir waren die Haters für einen Tag

 Den Sommer haben wir zwei Wochen nahe Stockholm in den Schären verbracht. Grund genug, ausgiebig Thåström zu hören. Die Reise zum Skebokvarnsvägen, seiner Jugendadresse in Stockholm, oder zur Pizzeria Oasen, wo sich die schwedische Punkszene formierte, habe ich dann aber nicht gemacht.

Von dem Skebooksvarnsvägen-Album stammt der folgende ruhige Song, in dem Thåström beschreibt, wie er seine erste Punkband gründete, The Haters, und wie sie für einen Tag die Haters waren (wenn Wikipedia recht hat, waren sie es sogar drei Tage, dann benannten sie sich in Ebba Grön um). 

Man muss kein schwedisch können, um die melancholische Jugenderinnerung nachvollziehen zu können. Im Refrain erinnert er sich an das Getränk der Stunde - billigen Wein aus dem Staatsmonopolladen Systembolaget mit dem pikanten Terpentingeschmack.

Montag, 11. Dezember 2023

12. Das Lied der Weide

 Vor fünfzig Jahren veröffentlichte das britische Hammer-Studio, das vor allem mit seinen Dracula-Filmen bekannt geworden war, den Film The Wicker Man, der sicher einer der merkwürdigsten Filme des Studios ist, und der im UK Kultstatus hat. Ein Polizist kommt auf die Summerisle, um das Verschwinden eines Mädchens aufzuklären, und stößt dort auf merkwürdige heidnische Riten. Ich habe den Film dieses Jahr zum ersten Mal gesehen; er hat einen interessanten Folk-Soundtrack, Willow‘s Song begleitet eine Szene, in der Willow, die Tochter des Gastwirts, den Polizisten, der sich betend in seinem Zimmer verschanzt hat, zu becircen versucht. (Man kann es nicht anders als verstörend nennen, es gibt wenig, was sich mit dieser Mischung aus spekulativem low-budget Film und wirrem Folk-horror vergleichen ließe.)

Aber das Lied hat auch so seinen Reiz.

Sonntag, 10. Dezember 2023

11. Das sind Tage

 Die liebe Gitta hat mich zu Halloween zum Natalie Merchant-Konzert mitgenommen. Ich kann jedem nur empfehlen, sich Konzertkarten von Gitta besorgen zu lassen, wir hatten wirklich die besten Plätze. Natalie Merchant hatte ein eigenes Streichquartett dabei, das Konzert war lang und sehr gut. Das Video ist von der Tour (leider hatten die Streicherinnen bei dem Lied Pause) und gibt einen ganz guten Eindruck von dem Bühnengeschehen


Samstag, 9. Dezember 2023

10. Ich kann nicht glauben, dass wir hier sind

 Es gibt Lieder, die begleiten einen über Jahrzehnte. Freak scene von Dinosaur Jr ist so eines. Ich hab die Band einmal gesehen (es war wohl 1987, weil ich selbst nach München gefahren bin, und mich beim Rückweg komplett verfahren habe). Das Konzert war laut und kurz, J, der Sänger und Gitarrist, hatte irgendwann keine Lust mehr und lehnte seine Gitarre gegen den Gitarrenlautstärker, was eine unglaubliche Rückkopplung verursachte, und verließ die Bühne. Bassist und Schlagzeuger spielten einfach noch fünf Minuten weiter. Wilde Zeiten.

Bei Alex auf dem Blog begegnete mir J, der Gitarrist, mit einem vollkommen neuen Lied. Alex schreibt dazu: Wer jetzt nicht lächelt, lächelt nimmermehr.* Und tatsächlich, das Lied knüpft an die Neunziger an, ist aber nicht nostalgisch. J ist gut gealtert. Ich kann nicht glauben, dass wir hier sind.


Freitag, 8. Dezember 2023

9. Du Schatten

 Was wäre der Adventskalender ohne Josienne Clarke? Ihre Musik hat mir zu Pandemiezeiten geholfen, einigermaßen bei Verstand zu bleiben und mir auch ein Universum an Folkmusik und -künstlern erschlossen, die ich vorher nicht kannte. Dieses Lied ist ein Sharon van Etten-Cover, das im letzten Jahr ausgiebig gehört wurde.  (Wer eher ein Indielied zum Gattenmord von ihr sehen will, dem sei dieses Video empfohlen.)


Wenn alles klappt, setzen wir uns im Februar in den Zug nach Den Haag, um Clarke auch mal live zu sehen. Freu mich schon drauf. 

Donnerstag, 7. Dezember 2023

8. Die Bauernhofkatastrophe im Mittleren Westen

 Noch ein Abstecher fünfzig Jahre zurück. Bis vor ein paar Wochen hatte ich noch nie etwas von Bob Martin gehört. Auf Social Media postete ein Musikjournalist ein Bild des Covers der LP von 1972, mit der Bemerkung, dass die Platte hält, was das Cover verspricht. Neugierig wie ich bin, hörte ich mal rein. Die LP ist irgendwo zwischen Blood on the tracks, After the gold rush und frühem Springsteen, unglaublich. Nicht unbedingt das, was ich ständig höre, aber gefällt mir gut. Bob Martin starb letztes Jahr, hat auch noch im Alter ein paar schöne Platten gemacht.


Mittwoch, 6. Dezember 2023

7. Trink

 Schon der siebte Tag des Adventskalenders und die geneigte Leserinnenschaft fragt sich sicherlich, was denn der Punkrockknaller des Jahres 2023 war. Keine Sorge, kommt schon. Die Destroy Boys sind gerade ziemlich angesagt, fürs Konzert habe ich gar keine Karte mehr bekommen. Schönes Lied, gute Band, auf die mich mein Ältester aufmerksam gemacht hat.

Dienstag, 5. Dezember 2023

6. Das Glaubensbekenntnis der Grille

 Auch schon vier Jahre her, dass ich die fantastische Julii Sharp live gesehen habe. 2023 hat sie - endlich !-  ihre erste CD herausgebracht, nur über verschlungene Wege aus Frankreich zu erwerben. Sehr gerne und viel gehört in diesem Jahr.


Montag, 4. Dezember 2023

5. Alles ist kostenlos

 Nach einem Abstecher in die Vergangenheit heute wieder kontemporäres. Lady Nade mit Everything is free now, in einer Liveaufnahme. Ich habe den spröden Americana-Folk von Lady Nade im letzten Jahr sehr zu schätzen gelernt. Nächstes Jahr soll‘s eine neue Platte geben, ich bin gespannt. (Das Original des Lieds ist von Gillian Welch, auch eine interessante Sängerin.)


Sonntag, 3. Dezember 2023

4. Befreiungs-Unterhaltung

 Nach drei eher neuen Stücken ein Track, der so alt ist wie ich. Marlena Shaw kannte ich bislang nicht, bin dieses Jahr auf sie gestoßen, als ich mich quer durch 60s Soul gehört habe. Fantastische Frau, fantastische Lied, mit dem Text ist alles gesagt. A genggenggenggenganggonggeng.



Samstag, 2. Dezember 2023

3. Vorsicht vor dem Clown

 Die alten Herren von the Damned habe ich dieses Jahr auch mal wieder live gesehen. Der Sound war leider nicht wirklich gut, aber auch wenn das Konzert nicht weltbewegend war, haben the Damned 2023 ein wirklich gutes Album herausgebracht. Hätte ich so nicht erwartet, knüpft an die eher psychedelische Phase der Band Anfang der Achtziger an.

Beware of the Clown ist, wie ich beim Heraussuchen des Videos feststelle, ein politisches Lied. Captain Sensible darf einen englischen Premierminister spielen. (Und nein, der Bassist sieht nur aus wie Karl Lauterbach in Lederjacke, es ist Paul Gray, der auch schon in den Achtzigern dabei war.)


Freitag, 1. Dezember 2023

2. Dein kleiner Hintern

 Frau Tikerscherk hat Anfang des Jahres verschiedene französische Musik vorgestellt und ich hab mich da mit Interesse durchgehört. Hängen geblieben bin ich bei ein paar R&B Diven, darunter auch Lynn, die diesen kurzen und netten Titel aufgenommen hat (wenn auch schon vor ein paar Jahren). 

 Wenn man Spotify trauen kann, eines meiner meist gehörten Lieder dieses Jahr, kommt wahrscheinlich auch hin. 


Donnerstag, 30. November 2023

1. Das waren Zeiten

 Nachdem hier dieses Jahr auf dem Blog aus Gründen nicht viel los war, soll es doch den musikalischen Adventskalender weiter geben. Vielleicht schaffe ich es ja, auch ein bisschen über die (wenigen) Konzerte zu schreiben, auf denen ich war.

Den Anfang macht Robert Rotifer, den wir im Oktober in Neukölln gesehen haben, ein sehr schönes Konzert. Mit Holding Hands in Petropolis hat er eine meiner liebsten Platten des Jahres veröffentlicht. That was the Time ist ein Lied, das das politische Leben seit den 80ern beschreibt. So freundlich es klingt, gibt es dann am Schluss noch eine textliche Watschn. Es ist halt nicht das Jahr für optimistisches Liedgut, unsere Generation hat‘s halt verkackt.

Aber Helen McCookerybook singt mit und Ernst Molden spielt Bluesharp, was will man mehr?


Sonntag, 5. März 2023

Verschwitzte Prosa und Poesie

 So bewarb der Tagesspiegel die neue Spoken Word-Tournee von Henry Rollins, aber der Tagesspiegel betitelt auch einen Bericht über eine Ausstellung von Herrn Lindenberg mit „Peace mit dem Panikrocker“. Hätte man auch andersrum machen können. Ich habe sicherheitshalber nachgeschaut, ob dieser Mist seine Grundlage in der Rollin‘schen PR hat, aber auf seiner Website liest man folgende Beschreibung: Auf der Good to see you-Tour wird Henry wahrheitsgetreu erzählen, was in der kurzen Prä-Covid-Zeit nach seiner letzten Tour und danach, als alles noch merkwürdiger wurde, passiert ist. Es waren interessante Zeiten, um es mal vorsichtig zu sagen, und er hat ein paar großartige Geschichten zu erzählen. Das bereitet einen schon besser auf den Abend vor.

Ich habe Rollins vor 36 Jahren mal live gesehen, da war er 26 Jahre alt und ich 18. Wir sind beide älter geworden und was mir an Rollins gefällt, ist, dass er nicht stehen geblieben ist. Er war der tough Macho des Hardcores, der keinem Streit aus dem Weg ging, der von Charles Manson fasziniert war, Gewichte stemmte, mit Iggy Pop abhing. Für diese Geschichten gibt es noch genug Publikum, er bedient diese Erwartungen aber nur noch am Rande. Über diese Wandlung habe ich 2016 schon ausführlicher geschrieben.

Er beginnt den Abend vor vielleicht 1200 Leuten mit dem obligaten Loblied auf Berlin und seiner Wut, dass er jetzt lange nicht auf Tour gehen konnte, nur weil sich „ein paar Leute nicht impfen lassen wollen“. Er wird nun knapp zweieinhalb Stunden im Stakkato reden. Er berichtet von seinem neuen Wohnsitz in Tennessee, wo jeder - außer ihm - mehrere Waffen im Truck dabei hat. Er erzählt von der Tour, wie ein Typ mit ihm Streit anfangen wollte, weil er meinte, seine Frau sei in Henrys Tourbus. Spannend, dass Rollins, der Muskelberg, sagt: In einem Kampf hätte ich gegen den keine Chance gehabt. Die Geschichte nimmt eine andere Wendung, Rollins sagt dann, dass er niemanden mehr Idiot nennen will; die Menschen seien komplexer und fragiler. Er will seinen Teil dazu beitragen, dass das Jahrhundert besser endet als es begonnen habe. 

Es kommt die erste Geschichte, die eingeleitet wird als die witzigste Geschichte, die er im letzten Jahr gehört habe. Das bereitet einen nur unzureichend darauf vor, dass es im Wesentlichen um den Tod und das Begräbnis seiner Mutter (zu dem er nicht gegangen ist) handelt. Mitten drin die Schilderung, wie er den Glauben an die Zahnfee verlor, weil er als Siebenjähriger in der Nacht aufwachte und merkte, dass nicht eine Fee, sondern der betrunkene Freund seiner Mutter Geld und Süßigkeiten versteckte. Aber zumindest habe er sich in dieser Nacht nicht an ihm vergriffen wie sonst. Es sagt einiges über Rollins Vortragskunst aus, dass er die Zuhörer dann weiter mit der grausigen und doch auch witzigen Geschichte fesseln kann. Oder vielleicht war's auch ein sehr stumpfes Publikum. 

Danach kommt der Hauptteil des Abends, die Geschichte, wie ein junger Finne dreimal versucht in Rollins Haus am Fuße von Hollywood Hill einzubrechen, nebst dramatischen Show-Down. Rollins schildert sein Haus als Festung. Trotzdem liegt er jede Nacht angezogen (mit Schuhen) im Bett, um auf Eindringlinge schnell reagieren zu können (was im Fall der Fälle aber nicht viel bringen würde, weil er keine Waffen im Haus hat - eine der witzigsten Passagen ist, wie er überlegt, mit was er sich zur Wehr setzen könnte). Man kommt nicht umhin darüber nachzudenken, wieviel dieser Angst um nächtliche Angreifer, das einsame Leben in einer Festung dem Missbrauch geschuldet ist, den der junge Henry erleben musste. Die Geschichte entwickelt sich dann weiter als grausamer Slapstick, mit einem dann doch versöhnlichem Schluß.

Rollins schließt dann mit Ausführungen dazu, wie er die Amerikaner dazu bringen will, sich nicht mehr zu vermehren und ein paar witzigen Vignetten, wie jeder mit ihm Selfies machen will.

Redner und Publikum gehen erschöpft nach Hause. Ein guter Abend.

Montag, 6. Februar 2023

Hashtag Brooklyn Karaoke Party

 Vor ein paar Jahren bin ich ja auf St. Lenox gestoßen, der Band von Andrew Choi. Anrührender autobiographischer Indiepop, der bei mir im Ohr und im Kopf hängen bleibt. Dieses Lied wurde mir die letzten Tage wieder bei Youtube in die Playlists gespült, ein wunderbares Stück über Dating und ein schönes Beispiel für Chois Videos; es wird in den Untertiteln immer noch eine ganz andere Geschichte erzählt als im Lied. Heartbreaking und schön zu hören.


Tikerscherk hat letzthin in ihrem Blog verschiedenen kontemporären Indiepop aufgezählt, in den ich mich gerne reingehört habe. Die französischen Künstler, die ich so höre, abgesehen von der wunderbaren Julii Sharp und der Wahl-Pariserin Mamani Keïta, sind ja doch eher aus früheren Zeiten. Einiges ist von der Liste hängen geblieben, so z.B. Myra, eine Sängerin, deren Genre ich nicht so richtig einordnen kann. Das Lied ist R‘n‘B orientierter Hiphop (sag ich mal) und gefällt mir gut, obwohl so etwas ja normalerweise nicht unbedingt mein Fall ist. Aber was hätte man davon, wenn man immer dasselbe hörte? 

Auf youtube fand ich noch folgendes, eher folkiges Lied der Sängerin. Sehr schön.

Samstag, 7. Januar 2023

Montag, 2. Januar 2023

Eulen und Ruinen

 Letztes Jahr wurde mir auf Twitter ein Bild von Caspar David Friedrich in die Timeline gespült, „Eule im gotischen Fenster“ von 1836. 



Mir fiel eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Foto von einem Fenster der Lobdeburg-Ruine über Jena-Lobeda auf. Sollte Caspar David die Lobdeburg als Vorbild für sein Eulenfoto genommen haben?





Tatsächlich habe ich auch ein Buch über Caspar David Friedrich im Schrank, dort wird als Vorbild für das gotische Fenster allerdings eine frühere Zeichnung der Klosterruine Oybin genannt, die Friedrich 1810 besucht hatte.


Gut, also nicht die Lobdeburg. Richtig zufriedenstellend fand ich das Ergebnis jedoch nicht. Die Fensterbögen der Klosterruine sind schon deutlich anders als das Fenster auf dem Eulenbild.

Deswegen ein anderer Versuch: Gibt es Belege dafür, dass Friedrich einmal in Jena war?

Tatsächlich ist es belegt, dass sich Friedrich in Jena 1811 mit Goethe getroffen hat. Die Lobdeburg ist aber noch einige Kilometer vom Stadtkern entfernt. Allerdings war Goethe gerne auf dem Gut Drackendorf zu Fuße der Lobdeburg und es ist auch belegt, dass dort das Treffen mit Friedrich statt fand. Goethe soll sein Gedicht „Das Bergschloss“ auch 1802 nach einem Besuch der Ruine geschrieben haben.  Es spricht nun sehr viel dafür, dass Ruinenfreund Friedrich den kurzen Aufstieg zur Lobdeburg genommen hat und der Blick durch das Fenster Jahrzehnte später auch bei seiner Eulenzeichnung die Komposition beeinflusst hat.











Sonntag, 1. Januar 2023

It ain‘t easy

 Seit Anfang 2021 ist das UK mit allen Wirkungen aus der EU ausgetreten, es gelten also grundsätzlich Außenzölle und auf eingeführte Waren muss Umsatzsteuer entrichtet werden.

Für jemand wie mich, der gerne CDs und Kunst direkt bei Künstlern im UK gekauft hat, eine blöde Situation. Anfang 2021 rutschte noch die Rotifer/McCookerybook-LP durch den Zoll, weil die britische Postfrau keine Lust auf den Zollsticker hatte und auf deutscher Seite auch keiner recht wusste, was man machen sollte. Im Laufe des Jahres kamen ein paar Crowdfunding-Kunstwerke, die mich jeweils noch 10-12 EUR zusätzlich kosteten. Wenn die Zolldeklarationen sorgfältiger gewesen wären, hätte es mehr gekostet. 

Eigentlich müsste alles zollfrei sein und nur die Umsatzsteuer noch nachgereicht werden. Aber zollfrei sind nur Dinge, die im UK hergestellt wurden, das muss wohl nachgewiesen werden. Für Leute, die nur ab und zu mal was in die EU verschicken, kaum handhabbar. Ich habe noch ab und zu ein paar Drucke bestellt, aber das macht den Künstlern wohl so viel bürokratischen Ärger, dass man sie besser mit Bestellungen verschont.

2022 hatte ich den Eindruck, dass zumindest die Bestellungen über Plattformen funktionieren, dass da sich schon um die Steuer gekümmert wird. Also habe ich CDs über Bandcamp bestellt. Die Bilanz: für zwei musste ich nichts zahlen, weil sie einfach undeklariert im Umschlag kamen, zwei andere kamen auf je knapp 10 EUR zusätzlich (6 EUR Post-Handlingfee, 3 EUR Zoll/Steuern). Eine war der Spitzenreiter: Ich bekam eine Benachrichtigung, dass ich den Wert der Sendung nachweisen müsse, sonst würde sie zurück geschickt. Ich füllte das Formular aus, nebst Kopie des Auftrags. Die CD kam, ich musste die üblichen 10 EUR zahlen, danach kam eine weitere Rechnung über 14 EUR für die Wertfeststellung. 

Faktisch heißt das, dass man sich an Großimporteure halten müsste, die in der Lage sind, die Formalitäten zu erfüllen. Bei meinen Interessen keine wirklich gangbare Option. Und man muss halt dann auch auf solche Dinge verzichten:



Kack Brexit.