Sonntag, 16. Februar 2014

Jelly Roll Morton oder die obszöne Marmeladensemmel

Marmeladensemmel-Morton. So stellte ich mir zumindest die Übersetzung von Jelly Roll Morton vor. Hört sich nach einem bairischen Volkssänger an, wie Jagersepp und  Roider Jackl. Bei der Vorbereitung dieses Posts habe ich aber der englischsprachigen Wikipedia entnommen, dass die Marmeladensemmel in Wirklichkeit eine unanständige Anspielung gewesen sein soll. Klare Abgrenzung zum Volkssänger, einen Pflaumen-Pauli kenne zumindest ich nicht. Aber die Musik entstammt dann auch einem anderen Umfeld (was sicher auch Voraussetzung dafür war, dass sie so revolutionär ist).

Jelly Roll war zunächst Pianist in Kneipen, die damals als "Sporting Houses" be- oder besser umschrieben wurden, nicht umsonst ist einer seiner bekanntesten Lieder "The naked dance". Er bezeichnete sich selbst als Erfinder des Jazz, was jetzt noch einige Musikforscher nachhaltig empört. Jelly Roll war einer der ersten Vertreter eines ausgeprägten schwarzen Selbstbewußtseins, was sicher auch seiner Musik zugute kam. Die Musik war für mich zunächst etwas merkwürdig, weil sie vor vielen Jahren im Fernsehen vor allem  als Hintergrundmusik für alte Slapstick-Schwarzweiss-Filme genutzt wurde (Väter der Klamotte oder Männer ohne Nerven oder wie diese Sendungen alle hießen). Damit (und auch durch diesen unsäglichen Knoff-hoff-Show-Jazz) wurde diese eigentlich revolutionäre Musik in einen Witzbudenzusammenhang gestellt. Es hat etwas gedauert, bis ich mich von dieser Assoziation lösen konnte. Inzwischen höre ich die Sachen sehr gerne, normalerweise finde ich alten New Orleans- Jazz eher anstrengend, weil er oft  sehr formelhaft ist. Jelly Rolls Musik hat dagegen eine sehr klare Struktur, sein Pianospiel finde ich (der davon nun gar nichts versteht) auch exquisit. Jelly Roll gilt als einer der ersten, der sich mit den musiktheoretischen Grundlagen des Jazz befasst hat. Auch wenn es dafür keine Belege gibt, finde ich, dass man es der Musik anhört. Wenn man sie hört, muss man sich eben nur davon lösen, dass man tausende seiner Epigonen gehört hat, bevor man auf den originalen Stoff gestoßen ist.

Und man muss ja auch nicht unbedingt nackt zur Musik tanzen, wenn man nicht mag.

2 Kommentare:

  1. Ich mag das schmutzige Marmeladesemmerl, aber auch Alternative - was kommt als nächstes?
    Neugierige Grüße Frau K.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Huch! Da liest ja jemand mit! Schön, Sie auch hier dabei zu haben, Frau K.! Dann kramen wir mal für's nächste Mal etwas annähernd kontemporäres heraus (obwohl ich ja, je älter ich werde, dieses Gerumpel aus den Anfangszeiten des Grammophons immer mehr schätze...) Liebe Grüße nach Wien, Andreas

      Löschen