Freitag, 1. Mai 2015

52 Bücher: Gryphius und Gottfredson

(Alleine für die Überschrift müsste ich Prügel bekommen, aber ich kann nichts dafür: das Fellmonsterchen ist schuld.)

1. Wieder der Versuch, beim Buchprojekt Rückstände aufzuarbeiten. Diesmal war das größte und das kleinste Buch im Regal gefragt. Solche Themen haben ja den Vorteil, dass man nicht zu viel nachdenken muss (außer eines der Bücher, das eigentlich vorgestellt werden müsste, ist so peinlich, dass man sich schnell ein anderes erfinden muss), andererseits werden dann auch Dinge zusammengebracht, die nun gar nicht zusammen gehören, oder bei denen selbst meine manchmal etwas zu ausufernde assoziative Phantasie nix Gemeinsames findet. Nun gut.

2. Sowohl das größte als auch das kleinste Buch bei mir im Regal liegen mir sehr am Herzen, insoweit fällt der Blogpost leicht. Kleinstes Buch ist bei mir ein Reclam-Heft, eigentlich gibt es somit einige gleich kleine Bücher im Regal, aber ich habe Goethe und Wedekind mal zur Seite geschoben und dafür Andreas Gryphius genommen. Der Band heißt "Gedichte", es ist eine Auswahl von Gedichten des Barocklyrikers, der 1616 geboren und 1664 gestorben ist. Die Gedichte sind zumeist religiöse Oden zu den verschiedenen Feiertagen, ich müsste sehr lügen, wenn ich sagte, dass ich diese verstünde oder sie mich interessierten. Es sind aber ein paar Gedichte dabei, die mich seit Jahrzehnten begleiten, eigentlich so gut wie die einzigen Dinge, die ich im Deutschunterricht gelesen habe und die ich auch danach noch gut fand (meine Deutschlehrer waren Gott sei Dank so weise oder von so schlechtem Geschmack, dass mir in der Schule die wirklich schönen Texte kaum begegnet sind). "Abend", ein Sonett, ist eines der schönsten Gedichte, die ich kenne. Die erste Strophe lautet:
"Der schnelle Tag ist hin, die Nacht schwingt ihre Fahn/ und führt die Sternen auf. Der Menschen müden Scharen/ Verlassen Feld und Werk, wo Tier und Vögel waren,/ trauert jetzt die Einsamkeit. Wie ist die Zeit vertan!" (Der Dreißigjährige Krieg war halt nicht die Zeit, um fröhliche Gedichte zu machen).  Die Empfindung des Gedichts ist allerdings auch jedem modernen Angestellten vertraut. Zumindest das letzte Mal, als ich nachgesehen habe, gab es außer dieser Reclam-Ausgabe keine andere, vernünftigere; so ist die Ausgabe mit 10 x 15 cm mein kleinstes Buch im Regal.

3. Das größte Buch ist dann von ganz anderen Dimensionen: 36 x 27 cm. Es handelt sich auch wieder um mehrere Bücher mit den gleichen Dimensionen: Die französische Ausgabe der klassischen Micky Maus-Zeitungscomics von 1936 bis 1954 (L'age d'or de Mickey Mouse). Ich habe ja bereits an anderer Stelle schon darüber geschrieben, dass ich die Zeitungscomics von Floyd Gottfredson aus den 30ern sehr schätze; die L'age d'or-Ausgabe ist wohl die einzige, in der man auch noch Comicstrips der späten 40er und frühen 50er nachlesen kann (die amerikanische Ausgabe hängt da noch etwas hinterher). Gottfredson hat zwar bis in die 60er weitergezeichnet, allerdings keine langen Geschichten mehr, sondern nur unverbundene Tages-Gags. In den Geschichten merkt man, wie abhängig die Genres auch von den jeweils vorherrschenden Filmtrends waren; während in den 30ern Abenteuer- und Detektivgeschichten vorherrschten, finden sich in den 50ern zahlreiche Science Fiction-Plots. Der chaotische Freundeskreis von Micky, der anfangs noch sehr bestimmend war, löst sich über die Jahre auf. Micky wird ein Vorstadt-Jedermann, sein Neffe, Minnie oder Goofy tauchen nur auf, wenn es für die Geschichte notwendig ist, verschwinden aber auch schnell wieder. Ein paar Jahre war Micky mit Gamma, dem Mann aus der Zukunft, unterwegs; der verschwand dann allerdings irgendwann aus den Zeitungsstrips und Goofy durfte wieder begleiten; durch die Zeit, durch den Weltraum etc. Die Geschichten sind immer noch wunderbar gezeichnet, allerdings gab es offenbar irgendwann Ende der 40er die Vorgabe, dass die täglichen Strips nur mehr drei und nicht mehr die bisher üblichen vier Bilder haben sollten; dadurch wird der Ablauf etwas statischer. Micky rettet fremde Galaxien, das Feenland, ist im alten Rom, wird von U-Boot-Piraten entführt, trifft Geisterpiraten, muss in Afrika das Gegengift für einen Fluch finden, kämpft gegen einen geheimnisvollen kriminellen Doppelgänger, die Geschichten blieben fantastisch und kurzweilig.Zwischendurch wurde Goofy Filmstar oder Wissenschaftsgenie... Bei manchen Geschichten hat man allerdings den Eindruck, dass den Autoren nach ein paar Wochen der Ausgangspunkt etwas aus den Augen geriet; nicht nur einmal endet eine Geschichte, ohne dass tatsächlich alles aufgelöst worden wäre.

4. Trotzdem sind die Bände eine Schatzgrube, weil das Comicmaterial in Deutschland, anders als die frühen Geschichten, so gut wie nicht bekannt ist. Da gibt es einige Neuentdeckungen und die Bände sind von der Qualität exquisit. Leider halt französisch, für mich eine eher anstrengende Lektüre. Da ich aber nicht sicher bin, ob ich die amerikanische Ausgabe des späten Gottfredson noch erlebe, habe ich schon mal zugegriffen....

4 Kommentare:

  1. Dieses Micky-Cover kommt mir bekannt vor, ist das nicht die Geschichte, wo er irgendeinem Troll- oder Elfenkönig (oder war es ein Gnom?) hilft, obwohl Micky eigentlich nur Urlaub machen wollte? Ich meine, dass es die Story in irgendeinem Lustigen Taschenbuch gibt.
    Muss mal wieder meine Lustigen Taschenbücher lesen, die ich zum Glück auf Deutsch habe. Englisch wäre ja auch noch gut, aber Französisch, da muss ich leider passen. Der Unterricht ist zu oft ausgefallen und ich wurde mit der Sprache auch nicht warm.
    Liebe Grüße

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    1. Ich bin beeindruckt. Du hast zwar unrecht (das Bild ist aus der Geschichte "Die unterirdische Welt", in der Micky aus irgendwelchen Gründen König der Unterirdischen wird). Die Geschichte, die du meinst , "Der magischen Schluckauf" (Juni-Oktober 1952), ist tatsächlich auch von Gottfredson und - als eine der wenigen der späten Zeit - auch schon bald in Deutschland veröffentlicht worden und zwar im LTB 15, Abenteuer mit Micky und Goofy (die schöne frz. Ausgabe hat bei jeder Geschichte eine Liste mit Erstveröffentlichungen außerhalb der USA, deswegen lässt sich das nachvollziehen). Mir ist auch erst durch die Bände klar geworden, dass diese Geschichte ein später Gottfredson ist. Offenbar hast du an Zeichenstil und Hermelinkragen von Micky (der böse Feenkönig hat einen sehr ähnlichen Mantel) sofort erkannt, dass das ein Gottfredson sein muss. Habe ich schon gesagt, dass ich beeindruckt bin?
      Die englische Ausgabe von Fantagrafics ist auch sehr schön, aber kommt nicht so richtig vorwärts. Außerdem reden alle Beteiligten so einen Slang, dass selbst die englische Ausgabe nicht ohne Mühe ist. In Deutschland scheint es keinen rechten Markt dafür zu geben, ich Depp würde mir ja eine deutsche Ausgabe auch noch kaufen.... Liebe Grüße, Andreas

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    2. Ja, genau, Schluckauf, jetzt, wo Du es sagst, haben meine 2 Gehirnzellen einen "Ja, genau"-Moment... Ich habe mir nun schon mal einige Lustige Taschenbücher parat gelegt, um meinem Gedächtnis auf die Sprünge zu helfen...
      Einen Zeichner hatte ich als Kind meistens erkannt, natürlich ohne zu wissen, wie er hieß, aber ich wusste: "Nun kommt vermutlich eine gute Geschichte." Viele Jahre später lernte ich, dass es sich um Carl Barks handelte. :-)
      Disney sollte mal für alle seine großen Zeichner/Geschichtenerzähler eine Library rausgeben, so ähnlich wie die Barks-Library und die Don-Rosa-Reihe.
      Liebe Grüße
      Katrin

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    3. Es gibt ja so eine Reihe mit Zeichner-Bänden, aber zumindest der Gottfredson-Band war sehr enttäuschend. Wahrscheinlich ist es aber auch schwer die Zeitungsstrips in ein normales Format zu montieren....

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