Montag, 27. März 2017

"Herr Wanzl, wie haben Sie das gemacht?" (2)

(Fortsetzung des Interviews mit Franz-Xaver Wanzl.)

HN: Wie kamen Sie denn zu dem "Bestie vom Schindeldorfer Forst"-Projekt? Wurde über solche Horror-Sujets nicht eher die Nase gerümpft bei alternativen Filmemachern?

FX: Das stimmt nicht ganz. Sie dürfen nicht vergessen, dass auch Geißendörfer 1970 mit "Jonathan" einen Vampirfilm gedreht hat - und sogar einen recht heftigen. Unsere Motivation war aber noch etwas anders: Wir hatten bei dem Schraubenziehermann-Projekt gesehen, dass man mit solchen Genres tatsächlich Geldgeber erschließen kann. Deswegen hatten wir sogar eine recht plakative Horrorstory geplant - natürlich mit einem sehr systemkritischen Subtext. Aber für die Geldgeber haben wir erst mal von Blut und Busen erzählt.

HN: Blut und Busen?

FX: Na, Sie wissen schon. Das hat auch geklappt, wir haben einen guten Vorschuss bekommen, die Geldgeber freuten sich auf die Beteiligung des Fernsehballets und wir hatten den festen Vorsatz, nicht noch einmal die gleichen Fehler zu machen wie beim Schraubenziehermann. Also begannen Bonetti und ich gleich mit der Planung. Ein Bekannter von Bonetti hatte ein Waldstück in der Nähe von Schindeldorf, dort brachten wir unsere Schauspieler hin. Bonetti hatte eine lose Skizze gemacht, über einen Wahnsinnigen, der junge Leute im Wald mit einer Motorsäge angreift - das hatte sich so ergeben, weil der Bekannte ohnehin Holz machen musste, da war die Requisite schon einfacher.

HN: Das hört sich aber genauso an wie Texas Chainsaw Massacre?

FX: Natürlich hört es sich genauso an, aber verstehen Sie nicht? Wir waren drei Jahre früher. Ich ärgere mich heute noch, dass Tobe Hopper die Idee einfach abgreifen konnte, aber uns waren ja dann die Hände gebunden.

HN: Was ist denn passiert?

FX: Bonetti hatte die Idee, die Schauspieler die Geschichte improvisieren zu lassen, das würde dann auch zu echteren Reaktionen führen. Es kann auch damit zu tun gehabt haben, dass sein Drehbuchentwurf noch äußerst rudimentär war. Und ehrlich gesagt, waren die meisten Beteiligten noch nicht einmal Schauspieler, sondern irgendwelche jungen Leute aus umliegenden Wirtshäusern.  Als Katalysator hatten wir vorgesehen, dass wir den Beteiligten LSD in den Kräutertee schütten - die Grateful Dead haben das ja auch immer gemacht. Am ersten Tag ging das auch hervorragend, leider war das Filmmaterial unbrauchbar, weil auch der Kameramann zuviel hatte. Am zweiten Tag geriet die Geschichte etwas aus dem Ruder und im Nachhinein muss ich sagen, es wäre besser gewesen, wenn man keine funktionstüchtige Motorsäge mitgenommen hätte. Die Staatsanwaltschaft ließ sich dann noch überzeugen, dass es sich um Unfälle bei der Waldarbeit gehandelt habe, das Filmmaterial haben sie allerdings beschlagnahmt. Bei der Staatsanwaltschaft Bad Kreuznach liegen noch Filmrollen in der Asservatenkammer, da könnte man so ein Ding wie diesen einen Waldhexen-Film...

HN: Blair Witch Project?

FX: ...ja genau, da könnte man so ein Ding ohne Weiteres zusammen schneiden. Wir waren unserer Zeit voraus. Aber abgesehen davon, dass ich seit dieser Zeit nur noch neun Finger habe, die Schadensregulierung hat mich einiges an Geld gekostet. Wir haben dann auch noch mit dem Förster Ärger bekommen. Es war klar, dass dieses Projekt beendet war.

HN: Und was war mit den Geldgebern?

FX: Für die haben wir mal wieder eine Vorspannsequenz gebastelt, lahmes Zeug, die guten Aufnahmen waren ja beim Staatsanwalt. Allerdings genügte die Vorlage des Vorspanns, um den Vorschuss nicht zurückzahlen zu müssen. Die Filmrolle habe ich immer noch:

HN: Von wem war die Musik?

FX: Das waren Leute vom Orchester Bad Kreuznach, die dann einen sehr guten Job gemacht haben. Am Anfang dachten wir aber, dass das nie etwas wird. Wir haben denen erklärt, was wir etwa wollen und die kamen nur mit so etwas wie "In den Hallen des Bergkönigs" an. Bonetti hatte dann die Idee, es auch dort mit etwas LSD zu versuchen, und für das Titelstück war das genau das Richtige.

HN: Gibt es noch mehr von der Filmmusik?

FX: Nein, das Stück war zwar gut, aber danach waren die alle nicht mehr in der Lage, irgendetwas zu spielen. Bonetti hat wohl die Dosierung nicht ganz im Griff gehabt. Zwei haben danach vollständig aufgehört mit dem Orchester. Das war für mich auch noch eine teure Geschichte.

HN: War das das Ende der Zusammenarbeit mit Bonetti?

FX: Unser Verhältnis war schon etwas belastet, vor allem, weil er der Auffassung war, dass wir eigentlich einen wunderbaren Film hätten und es nicht seine Schuld sei, wenn die Polizei auf dem Material sitze. "Mensch FX," hat er immer gesagt, "wenn du nicht so eine Wurst wärst, dann würdest du dir den Film eben aus der Asservatenkammer klauen. Wir haben doch noch die Kettensäge!" Das stimmte natürlich nicht, die Säge war ja auch in der Asservatenkammer. Ich war dann eine Zeitlang nicht mehr in Bad Kreuznach, sondern habe bei "Mosaik" ein paar innovative neue Dinge entwickelt. Aber nach ein paar Monaten rief er an und erzählte mir von "Eike". Und ich dachte: Das muss der Durchbruch sein.

(Wird ggf. fortgesetzt.)

1 Kommentar:

  1. Was für ein gruseliger Vorspann. Der Film ist frei ab 50 - wenn man die Eltern dabei hat, oder?

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