"In the absence of intimidation, creativity will flourish"
G.Ginn

Samstag, 16. März 2024

Wie kommt das Pferd nach Hause?

 Wieder an der Zeit, ein bisschen neue Musik zu notieren. (Die Titelfrage wird am Schluss beantwortet, versprochen.)

Grace Petrie hat ein neues Album, Build Something Better. Schöner politischer Folk, voll kluger Gedanken. Produziert hat Frank Turner, was meines Erachtens dazu geführt hat, dass die Lieder manchmal zu gefällig sind. Aber bei King and Country, einem Lied über die Fassungslosigkeit, mit der man derzeit die Nachrichten anhören muss, hat es mich auch wieder erwischt.

Petrie hat kein Plattenlabel im Rücken, die Zeit ist nicht gut für unabhängige Künstler. In Deutschland sind die CDs deswegen nur schwer zu bekommen, Downloads bei Bandcamp funktionieren natürlich, Petries Webshop liefert auch prompt, da kommt halt immer noch der deutsche Zoll dazu. 


Josienne Clarke veröffentlicht Ostern eine neue CD, die Demos zirkulieren schon eine Zeit und werden gerne und viel bei uns gehört. Offiziell gibt es als erstes Lied das schöne Most of all. Sobald auch das Clarke-untypisch heitere Firecracker frei verfügbar ist, werde ich das sofort hier vermelden.


Es gibt das seltene Phänomen, dass sich Punkbands zu Jazzbands entwickeln. Ein Beispiel ist die Entwicklung von Saccharine Trust zu Universal Congress Of, ein neueres sind die Messthetics, eine Band, bei der die frühere Fugazi-Rhythmussection mitspielt, und die bei Impulse gelandet ist. Meine Erwartungen waren eher gedämpft, aber That Thang ist schon eine prächtige Nummer.


Nicht mehr ganz neu ist das letzte Lied von Haley Heynderickx und Max García Conover. Veröffentlicht wurde es aber erst letztes Jahr auf der Fünfjahre-Jubiläumsedition der EP „ Among Horses III“. Ich habe ja eine große Schwäche für Heynderickx, das Lied ist auch zu entzückend.

Montag, 12. Februar 2024

Josienne Clarke in Den Haag

Meine Liebe zu Josienne Clarke ist ja hier im Blog kein wirkliches Geheimnis. Als sie letztes Jahr ihre Tourdaten bekannt gab, stellte ich zunächst einmal fest, dass keine Konzerte in der Nähe geplant sind, fand aber einen Termin in Den Haag. Den Haag mögen Frau Ackerbau und ich gerne, also wurde mit Bahn-Supersparpreis ein langes Wochenende geplant. Am schwierigsten war es noch, sich ein Ticket fürs Konzert zu sichern, ging nicht mit ausländischen Zahlungskarten. Nach ein paar E-Mails hatten wir aber vereinbart, dass die Tickets an der Abendkasse hinterlegt werden.

Nach sieben Stunden Bahnfahrt spazierten wir ein bisschen durch Den Haag, der Auftrittsort war nur einen knappen Kilometer vom Hotel entfernt. Es handelte sich um ein kleines Theater mit etwa 100 Sitzplätzen, wahrscheinlich von einem Förderverein betrieben. An der Kasse sage ich meinen Namen, man findet mich aber nicht auf der Liste. Der Mann an der Abendkasse fragt mich, warum ich das Ticket noch nicht bezahlt hätte. Ich sage, dass das vom Ausland nicht ginge, da geht ein Strahlen über sein Gesicht: „Ah, you‘re Andreas!“ Wir dürfen rein.

Wir trinken einen Tee im Foyer, bis der Saal geöffnet wird, Alec Bowman_Clarke, der Mann von Josienne Clarke geht zur Theke, ich spreche ihn kurz an, sage ihm, dass ich auch seine CD toll finde und dass wir uns aufs Konzert freuen. Er ist, wie alle an dem Abend, freundlich und gut gelaunt.

Der Theatersaal wird geöffnet, es gibt acht Reihen mit je zwölf Stühlen, es bleiben nur ein oder zwei leer. Clarke kommt, nimmt ihre Gitarre. Die Akustik ist wirklich phantastisch. Clarke spielt einfache Versionen ihrer auf Platte sehr sorgfältig arrangierten Lieder. Das Publikum besteht praktisch ausschließlich aus Folk-Enthusiast:innen, wie wenig ich mich in dieser Szene auskenne, merke ich, als Clarke ein Coverlied ankündigt, ohne den Namen zu nennen, weil man es ja eh gleich erkennen würde. Begeistertes Raunen nach den ersten Zeilen - ein Teil des Publikums singt mit, ich habe bis jetzt keine Ahnung, was das für ein Lied war. 

Ansonsten kenne ich die Lieder, oder wie Frau Ackerbau meinte: Jetzt sehe ich mal die Frau, die immer bei uns im Wohnzimmer singt. Aber live hört man vieles anders und besser, einige Lieder habe ich auch erst beim Konzert richtig verstanden. Und: diese Stimme.


(Walls and hallways.)

Clarke erzählt vor jedem Lied ein bisschen etwas, kokettiert mit ihrer Neigung zu traurigen Liedern, erzählt von den Höhen und Tiefen ihrer Karriere, lange Zeit Teil eines gefeierten Folkduos, dann vom Label fallen gelassen, und nunmehr nur in Eigenregie unterwegs. Das führt leider auch dazu, dass ihre Platten in Deutschland nur sehr schwer zu bekommen sind, der Brexit tut sein übriges. Was mir an Clarke so gefällt, ist natürlich auch dieser Independent-Ansatz. Ihre Lieder sind nie beliebig, enthalten keine Ornamente, sagen, was gesagt werden muss. (Und dauern dann halt manchmal nur knappe zwei Minuten.)

Der Auftrittsort ist wirklich ein Glücksfall, dieser sehr intime Rahmen mit einem hoch konzentriertem Publikum. Auch deswegen hat sich die Reise gelohnt.

(A letter on a page)

Nach zweimal fünfundvierzig Minuten werden wir nach Hause geschickt. Anders als bei den Konzerten, bei denen ich sonst bin, klingeln mir nicht die Ohren, sondern die Melodien klingen im Kopf nach wie ferne Vogelstimmen.

In Den Haag finden übrigens regelmäßig Konzerte in dieser Reihe statt. Durchaus zu empfehlen. 

Sonntag, 31. Dezember 2023

Das Jahr 2023 in Konzerten

 (Chronologisch geordnet)

- (Henry Rollins hat nicht gesungen und ist hier schon ausführlich besprochen worden.)

- Bukahara. Gitta hatte mich mitgenommen, nette Band, nettes und junges Publikum. Ein paar Lieder haben sich ins Hirn und in meine Playlists gefressen. Vorband: Sirens of Lesbos. Ich hätte nicht gedacht, dass ein Bass so laut sein kann, aber meine Güte!

- The Damned. Das Hole44 war komplett überfüllt, die alten Herren von the Damned waren zwar gut gelaunt, der Sound war aber nicht sonderlich gut. Sie spielten im Wesentlichen ihr neues - gutes - Album. Vorgruppe Pissed Boys Ones (die unbarmherzige Frau Kirschblüte macht mich darauf aufmerksam, dass die Gruppe Pissed Ones heißt. Pissed Boys war eine Rumpeldeutschpunkband aus Lübeck in den Achtzigern) hatte merkwürdigerweise den besseren Sound als der Hauptact.



- Cat Stevens. Frau Ackerbau hat mich mitgenommen, Zitadelle Spandau, eigentlich schon zu groß für meinen Geschmack, aber war ok. Sehr gute Musiker, Stevens hat auch noch eine sehr gute Stimme. Alle Hits, ich hätte gerne Sad Lisa gehört, das hat er natürlich nicht gespielt. In Spandau bekommt man nach 22 Uhr dann praktisch kein Bier mehr.

- Mélinée, um die Ecke im Zimmer 16, wo ich vor langen Jahren immer zu furchtbarem Kindertheater hingehen musste. In Berlin lebende Französin, die Chansons mit verschiedensten Einflüssen singt. Phantastische Band, vor allem der Kontrabassist. Sehr schön.



- Verpennt: Destroy Boys, war ausverkauft.

- Robert Rotifer, im Posh Teckel in Neukölln. Sehr schönes und intensives Konzert, phantastisch auch wie Rotifer die komplex arrangierten Stücke der neuen LP nur mit einer Gitarre auf die Bühne bringt. (Irgendwann schreibe ich den ausführlicheren Konzertbericht fertig.) Vorgruppe Paul & Pets, multiinstrumentaler 80er Sound, eigentlich gar nicht mein Ding, aber hat mir sehr gut gefallen.



-Nightingales im Schokoladen. Die Nightingales sind eine Elementargewalt. Die Musik ist nicht unbedingt leicht erschließbar, bläst einen allerdings live um. Diesmal gab es sogar ein, zwei Stücke von der ersten LP, über die ich schon als 15jähriger gerätselt habe. Außerdem Wiedersehen mit Eddie Argos. Vorgruppe Belt, ein Berliner Trio mit leichte Refused-Anklängen. Machte Laune.



- Natalie Merchant. Gitta und Christoph haben mich mitgenommen, guter und abwechslungsreicher Abend mit einem phantastischen Platz, von dem ich den Musikerinnen genau auf die Finger sehen konnte.

- Zotos Kompania im b-flat. Das alljährliche Rembetiko-Weihnachtskonzert. Wieder Tsitsanis, Jenitsaris und Vamvakaris tanken.



- Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen im Monarch Club. Es ist einfach: Wenn die Liga spielt, einfach hingehen. Eine sehr vergnügte Hopsparty, leider vermitteln die LPs nie so richtig, was für eine grandiose Liveband die Liga ist. Im Vorprogramm Pete Astor, der mich allein mit Gitarre erst nicht ganz überzeugte, die Stücke mit Band waren dann aber sehr gut.




Sonntag, 24. Dezember 2023

24. Warmer Dezember

 Als letztes Lied im Adventskalender ein Weihnachtslied, gesungen von Samara Joy, einer jungen und sehr guten Jazzsängerin.

Wir hatten dieses Jahr Lieder aus neun Ländern, etwa die Hälfte tatsächlich aus dem Jahr 2023, stilistisch breit gefächert. Vielleicht war ja auch etwas für Euch dabei.


Samstag, 23. Dezember 2023

23. DC Spezial

 Eine unerwartete Platte 2023: Die großen Scream haben nach langer Pause wieder eine LP aufgenommen.  Mitte der Achtziger habe ich die „This side up“-LP rauf und runter gehört, Jahre gebraucht, bis ich die Anfangsakkorde von „Bet you never thought“ endlich nachspielen konnte, die Band immer wieder live gesehen. Selten habe ich mich nach Konzerten so voller Energie gefühlt.

Die Band ist älter geworden, aber sie hat noch all das, was ich damals an ihr geliebt habe. Punk rock als eine Community. Kent Stax, der Schlagzeuger, ist im September gestorben. In dem Video sieht man ihn noch. Und am Anfang bin ich erschrocken, als ich Pete Stahl sah, nur um festzustellen, dass er zwar dreißig Jahre älter geworden ist, aber noch genauso gut wie früher. 

Donnerstag, 21. Dezember 2023

22. Katholisches Mädchen aus Syros

 Dieses Jahr kann der große Markos nicht auf der Liste fehlen, schließlich habe ich mich auf seinen Spuren nach Syros begeben. Ich habe schon ausführlich beschrieben, wie es mir nicht gelungen ist, die verschiedenen Orte, die in Φραγκοσυριανή genannt werden, zu erwandern. Aber ich kann mir immer das Lied anhören von dem Mädchen aus Syros, das Markos das Herz verzaubert hat. 

Mittwoch, 20. Dezember 2023

21. Schmetterling

 Ziemlich genau ein Jahr ist dieses Lied der fantastischen Team Scheisze alt. Wir bleiben bei den Insekten, anders als bei dem gestrigen Lied des Adventskalenders keine feine Frauenstimme, sondern ein unflätiger älterer Herr zu allgemeinem Herumgeboller. Gestern hätte ich dieses Lied anstelle meiner meisten (dienstlichen) Interaktionen singen können, der Tag wäre besser gewesen. 

Ich bin ein fucking Schmetterling

flatter flatter flapp flapp

Deine Probleme sind nicht meine Probleme