Dienstag, 6. Mai 2014

Wären die Genies manchmal doch schlampiger!

Ich war schon immer ein großer Beatles-Fan. Die Beatles haben an vielen Stellen das Fundament für die heutige Pop-Musik gelegt und die Musik ist immer noch ein noch nicht ausgeschöpfter Quell der Ideen und der Inspiration. Ein Problem, das man mit den Beatles sicher haben kann, ist ihr unglaublicher Perfektionismus und die Sorgfalt, die auf jeden Aspekt ihrer Lieder verwandt wurde (selbst als sie später wieder versuchten, schlampig zu klingen, taten sie das perfekt schlampig).

Mitte der 80er gab es verschiedene Platten mit bislang unveröffentlichten Versionen der Beatles-Liedern zu erwerben und ich hatte mir damals einige davon zugelegt. Das ermöglichte dann einen etwas anderen Blick. Exemplarisch kann man das an einem Stück "Yes it is" darstellen. "Yes it is" war die B-Seite der "Ticket to ride"-Single von 1965, in einer Phase, in der die Beatles langsam versuchten, neue Dinge zu machen. Das Lied, so wie es dann veröffentlicht wurde, ist nicht übermäßig bemerkenswert; die Gesangsharmonien sind sehr ausgefeilt und das Tempo erscheint ein bisschen zu langsam.

Bei der ersten veröffentlichten Version (ich bin mir nicht sicher, ob es wirklich Take 1 ist, ab und zu wird diese Version auch als Take 13 benannt) hörte es sich noch ein bisschen anders an. Inzwischen gibt's ja YouTube und der ganze Kram ist frei verfügbar (zumindest bis die GEMA zuschlägt):

  Zunächst stellt man fest, dass alle Beteiligten im Tempo etwas wackeln; wenn man sich das Einzählen so anhört, fragt man sich auch unwillkürlich, was da wohl geraucht wurde. Lennons Gesang ist leise und brüchig, die Gitarrenbegleitung sehr zurückhaltend, an manchen Stellen merkt man, dass sich Lennon nicht ganz sicher über Text und/oder Melodie war (es handelte sich wohl auch um eine reine Arbeitsversion). Trotzdem oder gerade deswegen ein wunderbares Lied, tausende Indiebands der Achtziger haben große Mühe aufgewendet, genau diesen Eindruck der genialen Schlampigkeit zu erzeugen.

In der endgültigen Fassung mussten dann alle Schmutzecken aufgeräumt werden, anstelle des brüchigen Charmes finden sich Harmoniegesänge, die sehr fragmentarische zweite Gitarre wird nun flächendeckend gespielt; aus meiner Sicht hätte man es besser bei der Arbeitsversion gelassen. Aber urteilt selbst:

Man kann im Übrigen auch anhören, wie sich das Lied mit den verschiedenen Aufnahmeversuchen verändert hat. Manchmal ist aber eine gute Skizze mehr als ein mittelmäßiges vollständiges Bild. Wenn die oben vorgestellte Version tatsächlich Take 1 war (wofür aus meiner Sicht spricht, dass auf den späteren Takes die Gitarren immer ausgefeilter werden), dann wäre das ein Beleg dafür, dass die erste spontane Befassung manchmal auch die beste ist.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen