Donnerstag, 16. Oktober 2014

52 Bücher - Der dritte Polizist

1. Wieder ein neues Motto vom Fellmonsterchen; diesmal eines, das ich wirklich schwierig finde: Dieses Buch hätte ich gerne geschrieben. Ich kenne viele Lieder, die ich gerne geschrieben hätte, aber bei Büchern ist es aus meiner Sicht dann doch noch ein bisschen komplizierter. In einem Buch steckt ja soviel Persönlichkeit des Autors, dass man nicht so einfach die Autorschaft übertragen könnte. Außer man möchte genau so sein wie der Autor (da fiele mir aber keiner ein).

2. Ich war schon fast soweit, diese Woche einfach zu schwänzen, da kam mir doch noch ein Einfall:  "Der dritte Polizist" von Flann O'Brien. Das ist bei weitem das absurdeste Buch, das man sich vorstellen kann, diese rigide und doch ausufernde Vorstellungskraft hätte ich auch gerne. Und die Unerschütterlichkeit, aus Alltäglichstem die wahnwitzigsten Dinge entstehen zu lassen, hätte ich gerne noch dazu.

3. Flann O'Brien hieß eigentlich Brian O'Nolan und wurde 1911 in Irland geboren. Seinen ersten Roman schrieb er 1939, der "Dritte Polizist" entstand auch nicht viel später, erschien aber erst ein Jahr nach O'Briens Tod, 1967. Gerade lese ich, dass "Der dritte Polizist" als frühes Beispiel eines postmodernen Romans gilt. Brr. Sollte man trotzdem lesen.

4. Ich habe eine Suhrkamp-Ausgabe, die mich schon allein dadurch aufregt, dass im Klappentext steht, in dem Buch käme alles mögliche vor, aber kein dritter Polizist, was für jeden, der das Buch bis zum Ende gelesen hat, klarer Unsinn ist.

5. Das Buch wird von einem namenlosen Ich-Erzähler erzählt, der zusammen mit einem anderen Mann einen Raubmord begeht. Der Ich-Erzähler braucht das Geld, um eine Ausgabe der Werke des Wissenschaftlers De Selby herauszugeben, die er andauernd studiert. Sein Komplize hat allerdings die erbeutete Geldschatulle versteckt und so weicht der Ich-Erzähler ihm nicht mehr von der Seite.

6. Plötzlich ändert sich die Umgebung und der Ich-Erzähler und sein Komplize kommen in eine Welt, in der offenbar die bahnbrechenden Erkenntnisse von De Selby wirksam sind. Diese wissenschaftlichen Erkenntnisse sind in den strengen Fußnoten zu dem Text ausführlich erläutert. Bahnbrechend ist vor allem die Molekültheorie, die besagt, dass sich bei nahen Begegnungen zweier Gegenstände sich einzelne Moleküle austauschen. Dies führt dazu, dass Leute, die mit Fahrrädern über holprige Straßen fahren, langsam mehr und mehr selbst zu Fahrrädern werden, während die Fahrräder vermenschlichen. Um dies zu verhindern, versteckt Sergeant Pluck (der erste Polizist) Fahrräder oder entfernt Sättel. In seiner Eigenschaft als Polizist nimmt er dann die Anzeigen auf und macht sich auf die Suche. Die bestimmende Frage des Romans ist deswegen: "Handelt es sich um ein Fahrrad?" So werden auch der Ich-Erzähler und sein Komplize begrüßt, als sie in die Polizeiwache gehen, um das Verschwinden der Geldschatulle zu melden. Merkwürdige Dinge geschehen. Der dritte Polizist, Fox, taucht irgendwann einmal auf und besucht einen Keller, in der die Substanz Omnium aufbewahrt wird, die in alles verwandelt werden kann (Anhänger De Selbys wissen natürlich, um was es sich handelt).

7. Gerade als man denkt, dass das Ganze komplett zerfasert, kommt ein Einschub, der tatsächlich eine Art Auflösung des Geschehens bietet. Voller Grauen versteht man plötzlich, was passiert ist, während der Ich-Erzähler und sein glückloser Komplize zum zweiten Mal in der Polizeistation von Sergeant Pluck stehen und gefragt werden, ob es sich denn um ein Fahrrad handle.

8. Ein sehr schönes und sehr lustiges Buch, auch wenn es in weiten Teilen etwas unverständlich bleibt. Aber man muss nicht alles verstehen, das tut man im richtigen Leben auch nicht, warum sollte es in der Lektüre anders sein.

4 Kommentare:

  1. Selbst wenn Gegenstände ihre Moleküle ändert das ja eigentlich an sich nichts an den Gegenständen... wenn man scharf nachdenkt, kommt man ja auch drauf, dass die Atome, aus denen man selber besteht, auch mal zu Dinosauriern und anderen Urzeitlebewesen gehört haben... Hört sich interessant an, ich möchte wissen, was die Auflösung ist...

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    1. Die De Selby'schen Theorien halten in der Praxis meist nicht so richtig stand.... In einem O'Brien'schen Spätwerk "Aus Dalkeys Archiven" taucht De Selby selbst auf, mit einem Plan, die Weltatmosphäre von Sauerstoff zu reinigen und einigen eher schwer erträglichen Theorien zur Natur der Zeit....
      (von der Auflösung würde ich mir nicht zuviel versprechen....)

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    2. Trotzdem hört sich das irgendwie schräg an. Ich glaube De Sely würde ich gerne mal begegnen ;-)

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