Dienstag, 13. September 2016

Kinder auf Kaffee

Der Kiezschreiber, dessen Unbewusstes wie ein Seismograph die Verwerfungen der modernen Gesellschaft aufzeichnet (Super Einleitungssatz, komme ich jetzt ins Feuilleton?), hat einen seiner Träume aufgeschrieben, in dem er ein Punkkonzert besucht, aber sich im Wesentlichen nur an Kaffeetassen erinnert. Das hat natürlich seine absolute Richtigkeit, weil der gepflegte Kaffeesong aus mir sich nicht so richtig erschließenden Gründen vor allem im Punkumfeld gedeiht. Aber der Reihe nach:

Das erste Kaffeelied muss man natürlich in Vor-Punk-Zeiten verorten, mit Bachs Kaffee-Kantate.  Wahrscheinlich 1734 entstanden, jenseits des Kaffee-Contents von zeitloser Gültigkeit. Ich finde das immer ein schönes Beispiel für ein Lied des verpeilten Vaters, der ja am Anfang die ganze Zeit nur herumsingt, dass man mit seinen Kindern doch nur tausend Hudelei hat und dass seine Tochter nicht richtig auf ihn hört. Könnte man auch jetzt noch auf jedem Spielplatz singen (den kaffeespezifischen Gesang der Tochter höre ich nicht mehr so gerne, vor allem, weil mir nicht so recht einleuchtet, warum der Kaffee so süß wie Dukatenwein (oder was weiß ich, die singen ja so undeutlich) sein sollte).


(Das ist eine schöne Aufführung, aber ein wirklich dämliches Video. Der Humor in den weiteren Videos, die hier noch verlinkt werden, wird aber teilweise noch schlimmer.)

Wir machen einen weiten Sprung in die Vierziger Jahre, zu dem nächsten aus meiner Sicht bedeutsamen Kaffee-Lied. Ella Fitzgerald mit Black Coffee Blues, ein wunderbares Stück, das ich auch in Endlosschleife hören könnte, allerdings nicht wirklich Punk. Vielleicht ein bisschen.

Zwischen 1949 und den frühen Achtzigern scheint nicht viel zu passieren in Sachen Kaffee. Da gibt's Otis Redding, aber die meisten Lieder widmen sich dann doch anderen Substanzen (vielleicht übersehe ich hier auch eine Menge, für Hinweise in den Kommentaren bin ich dankbar).

Da taucht im amerikanischen Punk eine Band auf, für die Kaffee etwa die Bedeutung hat wie LSD für die Grateful Dead. Die Descendents, die ein Werk voller Kaffee-Anspielungen hinterlassen haben. Thematisch am klarsten (wenn auch nicht unbedingt musikalisch am überzeugendsten) in dem Lied "Kids on Coffee". In dem Lied wird auch dem Konzept der "Bonus Cup" gehuldigt: in eine Tasse Filterkaffee werden noch ein paar Löffel löslicher Kaffee gerührt, damit es besser dreht. Dabei kommen dann solche Videos raus:



(Offenlegung: Ich hatte in den Achtziger Jahren tatsächlich auch eine Descendents-Kaffeetasse, wie sie in dem Video gezeigt wird und ich schreibe diesen Post in einem Descendents T-Shirt, auf dem eine Karikatur des Sängers als Kaffeekanne zu sehen ist.)

Der Descendents-Schlagzeuger war zu der Zeit auch Schlagzeuger bei Black Flag, nur dadurch ist zu erklären, dass auch das US-Hardcore-Flagschiff ein Kaffeelied aufgenommen hat. Black Coffee, mit den wunderbaren Zeilen "Anger and coffee feeding me". Gespeist von Wut und Kaffee. Eigentlich ein Bürolied, wenn man's sich überlegt.



Auf dem Video sieht man die Band 1983 im SO 36 in Berlin, kurz nachdem jemand Henry Rollins eine Bierdose an den Kopf geworfen hat. Merkwürdigerweise geht der Werfer nicht auf Rollins Angebot, eins mit dem Mikroständer übergezogen zu bekommen, ein. Sicher nicht die beste Liveversion von Black Coffee, aber sicher die berlinerischste

Zum nüchtern werden noch eine punkaffine Kaffeebetrachtung: Art Brut mit "Alcoholics Unanimous", in dem der Katerschrei "Bring me tea, bring me coffee" eine wichtige Rolle spielt.

Bei Eddie Argos kann man auch noch die passenden Bilder dazu kaufen. Bei mir im Büro hängt "Bring me tea".

6 Kommentare:

  1. Antworten
    1. Henry Rollins hätte Stummfilmstar werden können.
      Abgesehen davon, dass er altersgemäß massiger geworden ist, hat er sich sonst erstaunlich wenig verändert.

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    2. Ich habe mir Rollins letztes Jahr bei seiner Spoken Word Tour angesehen, hat ja eine interessante Entwicklung gemacht (anfangs kam Hank noch jeden Monat mindestens einmal im Blog vor).

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    3. Vieles, was ich hier so an Musik finde (The Damned, Rollins, Hüsker Dü, Godfathers usw.) lief entweder bei meinem Bruder oder bei mir hoch und runter. Rollins ist, glaube ich, eher so ein Männerding, oder?
      Inwiefern hat er sich verändert?

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    4. Das freut mich, allzuviele Leser gibt es hier nicht, die mit der Musikauswahl etwas verbinden können (der Satz könnte auch vor dem Komma enden). Für mich ist das hier so eine Art Chronik, vor allem zu Sachen, zu denen man ansonsten nicht allzu viel findet.
      Zu Rollins Wandlung habe ich im Januar 2016 was geschrieben: Dt. Henry (kann gerade nicht verlinken, da unterwegs, sollte sich aber finden lassen).

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