"In the absence of intimidation, creativity will flourish"
G.Ginn

Samstag, 31. Dezember 2016

Frieren in Venedig

Ein sentimentales Silvesterstück, das ich mal geschrieben habe, in einer Live-Version vom September 1991, im Adlerkeller Tussenhausen. Aufgenommen von jemandem mit Walkman in der ersten Reihe.

Die Henhunters spielen hier mit Lois an der Trompete, Pobsl an der Gitarre und mir an Gitarre und Gesang.


Guten Rutsch und ein gutes Neues!

Dienstag, 27. Dezember 2016

Dalai Lama

Vor 66 Jahren wurde Alex Chilton geboren, leider ist er schon 2010 gestorben. Wer etwas mehr über seine Musik erfahren will, findet hier ein bisschen etwas zu lesen. Zum Geburtstag möchte ich aber ein Lied aus den Achtzigern präsentieren, das mich immer wieder zum Lachen bringt. Ein wunderbares Lied über den Dalai Lama.



Freitag, 23. Dezember 2016

Verbrechen auf Schallplatte: Feiertagsausgabe

Michali hat mich letzthin auf ein Lied von Brigitte Bardot aufmerksam gemacht, das er für die Rubrik Verbrechen auf Schallplatte geeignet hält (ich werde mich hüten, hier mit meinem älteren Bruder zu streiten). Der Youtube-Hinweis hat mich auf eine Reise in die französische Popmusik der Sechziger Jahre geführt, die zu einigen sehr merkwürdigen Stationen geführt hat. Zum ersten Mal hatte ich das Gefühl, dass die Familie vielleicht doch lieber Freejazz hören würde.

Brigitte Bardot als Schauspielerin kann ich nicht beurteilen, da ich von ihren Filmen, glaube ich, nur "Petroleummiezen" gesehen habe, der mir als Achtjährigem allerdings sehr gut gefallen hat. Als Sängerin ist sie zumindest etwas eigenartig. "Harley Davidson", dessen Kenntnis ich Michali verdanke, ist jetzt harmonisch nicht wirklich anspruchsvoll, hat aber in seiner Stupidität durchaus hypnotische Qualitäten. Der Text besteht aus Rocker-Platitüden, die einen gewissen Reiz dadurch gewinnen, dass sie von der Bardot gesungen werden. Quoi qu'il en soit: Wer gerne sieht, wie Frauen in Lederminirock auf Motorräder steigen oder sich an dekorativ von der Decke herunterhängende Eisenketten klammern, wird hier auf jeden Fall wunderbar bedient.




Das nächste Lied ist schon etwas schwieriger, weil man kaum entscheiden kann, ob es furchtbar oder genial ist. Da diesmal auch Serge Gainsbourg mitmacht, muss man wohl für genial votieren. Interessant ist, dass - ähnlich wie bei "Harley Davidson"  - ein analoger Backing track läuft, der einem heute wie ein sich wiederholendes Sample vorkommt. Gar nicht unflott. Die Bardot gefällt sich wieder in merkwürdigen Posen, hier mit einer Maschinenpistole. Ich schaue mir keine Tarantino-Filme an, stelle mir aber die Ästhetik etwa so vor wie in dem folgenden Filmchen:



Das ist jetzt aber schon fast zu gut für diese Rubrik, deswegen hier einen anderen Fund, den ich über die Youtube-Vorschläge gemacht habe. France Gall hat offenbar Ende der Sechziger einige Lieder auf deutsch aufgenommen. "Computer Nr. 3" ist dabei doof und rätselhaft und deswegen hier bestens geeignet (auch wenn es schwerfällt: Unbedingt bis zum Refrain hören!).



Wenn man diese kleine Reise mitgemacht hat, hat man für die nächsten Monate lauter Vorschläge bei Youtube, die wirklich bewusstseinserweiterend sind.


Sonntag, 18. Dezember 2016

Hohes Pack und niedre Herren

Letzte Woche war ich mit Frau Ackerbau bei Will Varley, ein schönes Konzert, über das ich bei Gelegenheit auch noch einmal mehr schreiben werde. Bei dieser Rückkehr der ernsthaften Liedermacher fielen mir auch wieder alle möglichen deutschen Vorbilder ein. Will Varley ist ja eine Mischung aus Reinhard Mey und Billy Bragg, die wie Fredl Fesl mit Locken aussieht. Fredl Fesl habe ich ja als Kind viel und gern gehört. Auch er hat - neben den niederbayrischen Spässchen, die er ansonsten so macht und die nicht alle gut gealtert sind - durchaus ernsthafte Seiten, zum Beispiel in diesem Lied. Schön und ergreifend. Müsste eigentlich den hedonistischen Nihilisten, die hier regelmäßig lesen, gut gefallen.

(Das Lied beginnt etwa bei 1:50, vorher noch das übliche Geplapper vor Beginn.)

(Ergänzung 22.12.: Roswitha weist in den Kommentaren darauf hin, dass es sich um ein altes Lied des schwedischen Dichters Bellman handelt; die deutsche Übersetzung ist wohl von Zuckmayer, daneben gibt es noch andere Versionen, wie z.B. von Hannes Wader.)

Sonntag, 11. Dezember 2016

Wer wird herrschen, wenn die Regierungen fallen?

Eine kleine Zeile aus dem schönen Lied der Ruts, Secret Soldiers. Who's gonna rule when the governments fall? Der Titel "Secret Soldiers" gibt schon einen Hinweis darauf, dass es wahrscheinlich nicht die friedlichen Kooperativen der liberitären Landkommunen wären (ich weiß, es gibt da auch die Gegenauffassung). Für mich immer eine Erinnerung daran, dass man sich, bevor man sich etwas weg wünscht, erst einmal überlegen muss, was nachkommt. G.K. Chesterton hat die klassische Formulierung dieses Prinzips im Paradox von Chestertons Zaun: Einen Zaun sollte man erst dann einreißen, wenn man genau verstanden hat, warum er errichtet wurde.

Es geht natürlich wieder um die Briten, was macht der Brexit denn so?

Machen wir's kurz: Es passiert einiges, aber schön ist das alles nicht. Theresa May hat immer noch das Problem, dass sie nicht konkreter mit ihren Plänen werden kann, weil sie ansonsten entweder die Wirtschaft oder ihre Brexiteer-Parteifreunde am Hals hat. May behilft sich damit, dass sie sagt, sie dürfe ihren Plan gar nicht dem Parlament oder der Öffentlichkeit mitteilen, weil das UK ansonsten in den Verhandlungen im Nachteil sei. Als Ersatz gibt es dafür Sprüche wie "Brexit means Brexit" und - seit neuestem "Our Brexit will be red, white and blue". Es ist natürlich Schwachsinn, dass man Verhandlungspositionen geheim halten muss - irgendwann muss man dem Gegenüber schon offenbaren, was man eigentlich will. Das ganze UK schwelgt aber in Poker-Vergleichen (man darf seine Karten nicht zeigen!) und lässt sich's gefallen. Dahinter versteckt ist natürlich immer noch die hirnverbrannte Johnson`sche Vorstellung, man könne eigentlich die ganzen Vorteile der EU in Anspruch nehmen, ohne die Verpflichtungen anzunehmen. Have our cake and eat it. They need us more than we need them. We are anti-pasto but definitely pro-secco. Daneben gibt es genügend Leute  (auch im Parlament), die der Auffassung sind, die EU brächte gar keine Vorteile.   Auch wenn das stimmte, sollte es einen nachdenklich stimmen, wenn man innerhalb von zwei Jahren eigene nationale Zoll- und Außenhandelskompetenzen aufbauen muss, die man seit über vierzig Jahren aufgegeben hat. Ganz abgesehen davon, dass man sehr schnell für die zahlreichen Brüsseler Behörden  eine nationale Instanz als Ersatz braucht, z.B. eine, die Medikamente zulässt. Der Verzicht auf Brüsseler Bürokratie bedeutet zunächst, dass man die Bürokratie national wieder aufbauen muss. Diese Diskussion wird aber gar nicht geführt. Ein Teil der Politik ist zu dämlich zu verstehen, was passiert, der andere weiß es recht gut, fürchtet sich aber vor dem Wahlvolk. Die traurige Wahrheit ist, dass eine Abkehr von Europa wahrscheinlich dazu führen würde, dass das UK vollständig abhängig von den USA wird.

Die bekannten Verhandlungslinien sind: Schluß mit der Freizügigkeit der EU-Bürger, keine Zahlungen mehr an die EU, keine Zuständigkeit europäischer Gerichte mehr, ausschließliche Kompetenz des britischen Parlaments. Daneben der bestmögliche Zugang zum europäischen Markt. Hört sich zunächst nett an, funktioniert aber aus verschiedenen Gründen nicht. Die Minister knicken auch an verschiedenen Stellen ein, Johnson will nicht ausschließen, dass es noch weiter Freizügigkeit geben könnte, Davis hält es für möglich, dass man auch noch weiterhin Zahlungen an Europa leistet und so weiter. Ich lese mir regelmäßig auch alles durch, was von den überzeugten Brexiteers kommt, da man ja nie ausschließen sollte, dass man den gegnerischen Standpunkt einfach nicht verstanden hat. Was da kommt, ist allerdings vollkommen illusorisch. Der Optimismus der Brexit-Anhänger ist derzeit der Optimismus eines Mannes, der sich von seiner Frau trennen will und darauf hofft, danach Affären mit Supermodels zu haben. Mag sein, dass es in Erfüllung geht, eine Strategie sieht anders aus. Hope is not a strategy.

Das eigentlich Erschreckende ist aber der politische Diskurs. Brexit ist angetreten, um die nationale Souveränität wieder zu sichern. Über britische Angelegenheiten sollte wieder das britische Parlament und die britischen Gerichte das letzte Wort haben, keine Institutionen in Brüssel oder Luxemburg. Auch wenn ich den Standpunkt nicht teile, halte ich das zumindest für eine diskussionswürdige Position. Was passierte aber in der Zwischenzeit? Verschiedene Bürger haben eine Klage eingereicht, mit der festgestellt werden soll, dass nicht die Regierung einfach den Austritt aus der EU erklären kann, sondern dass es dazu eines Parlamentsbeschlusses bedarf. Eigentlich ein Anliegen, das jeder Brexiteer verstehen müsste - über diese wichtigen Fragen bestimmen nun britische Gerichte und das britische Parlament. Allerdings tobt hier ein Kampf. Die Regierung teilt mit, dass diejenigen, die eine Parlamentsabstimmung fordern, nur den Willen des Volkes behindern wollen und antidemokratisch seien. Die Gerichtsverfahren werden ebenfalls als antidemokratisch angesehen. Ungewähte Richter maßen sich an, sich gegen den Willen des Volkes zu stellen. Die Daily Mail titelte mit Bildern der Richter und der Überschrift "Volksfeinde". Sie deckte außerdem auf, dass einige der Richter Verbindungen zu Europa hätten und dass einer der Richter ein schwuler ehemaliger Olympiafechter sei. Ich halte mich normalerweise mit derlei Vergleichen zurück, aber in Bezug auf Parlament und Gerichte ist das definitiv ein Tonfall wie bei uns in den früheren Dreißigern. Und nicht nur von der legendär bösartigen britischen Presse, sondern von der Regierungsfraktion. Das hätte ich mir von den Briten nicht vorstellen können. Wenn dieses besonnene Volk mit jahrhundertelanger parlamentarischer Tradition innerhalb kürzester Zeit allen Anstand verliert, dürfen wir uns nicht allzu viele Hoffnungen machen.

Das geht alles gegen die Wand.

Alle, die den Zusammenbruch der EU mit Gelassenheit oder gar mit Sympathie betrachten: Wegen der vielen Defizite verstehe ich euch durchaus. Bevor ich auf eurer Seite bin, müsst ihr mir aber zeigen, was an die Stelle der EU treten soll. Ich habe eine klare Vorstellung, was das gerade wäre, und nehme dann lieber die Unsagbarkeiten aus Brüssel in Kauf.


Dienstag, 6. Dezember 2016

Adventsmusik

Auch hier ist jetzt die Zeit der festlichen Musik. Ich möchte deswegen auf die Reihe aus dem vorletzten Jahr, merkwürdige Weihnachtslieder, hinweisen. Weihnachtslieder der ungewöhnlichen Sorte von Big Star, the Damned und Ebba Grön. Muss ich darauf hinweisen, dass die Lektüre dieser kenntnisreichen und verblüffenden Blogposts de rigueur ist, um beim gemütlichen Weihnachtssmalltalk bestehen zu können? Außerdem kommt in einem der Posts der Crazy Frog vor, das hatte ich auch schon wieder verdrängt.

In eher traditionellen Gefilden bin ich letzthin mal wieder auf ein englisches Christmas Carol gestoßen, das mir recht gut gefällt. Zunächst eine etwas etwas rätselhafte, wenn auch werkgetreue Darbietung von Monty Python (wenn man den Sketch von Beginn an ansieht, wird es auch nicht klarer). Und dann die traditionelle, auch sehr schöne Version von Ding Dong.


Samstag, 3. Dezember 2016

Beggar's City/ Radio Banquet

Im Hauptblog bin ich durch ein Foto an zwei LPs erinnert worden, die ich sehr gerne mag. Ein Foto einer blutrot gestrichenen Hoteltoilette sah für mich aus wie ein Mashup der Cover-Artwork von Big Stars "Radio City" und Rolling Stones "Beggar's Banquet" (die ursprüngliche LP kam mit einem neutralen Cover, weil die Plattenfirma das Toilettenbild als nicht angemessen empfand, die Nachpressungen und die CD kommen mit dem ursprünglichem Artwork). Eine kleine Illustration zu der Behauptung:


Ich hatte mir schon mal überlegt, hier eine lose Reihe über Lieblings-LPs zu starten, vielleicht ist das eine gute Gelegenheit, damit anzufangen.

Radio City war die zweite LP von Big Star. Die erste hatte die Band (ähnlich größenwahnsinnig wie ihr Name) "No. 1 Record" genannt, der Erfolg blieb aber weitgehend aus. Anfang der Siebziger Jahre war für eine Band, die eine amerikanische Version des Brit-Beats spielte, kaum Interesse vorhanden und das renommierte Ardent-Plattenlabel bot nicht die Unterstützung, die die Band gebraucht hätte. Bei der ersten LP bestand der Reiz noch in der Spannung zwischen den beiden Songwritern Alex Chilton und Chris Bell, das Ergebnis waren einige der schönsten Beatles-Lieder, die die Beatles nie geschrieben haben. Bei der zweiten war Chris Bell schon ausgestiegen, Alex Chilton, den jeder schon als Bobby Boxtop, den Sänger des Boxtops Hits "The letter" gehört hat, übernahm und Radio City wurde um einiges kantiger als der Vorgänger, immer noch aber voller schöner Melodien und schöner Gitarrenarrangements. Es wird mir immer ein Rätsel bleiben, warum nicht jeder das wunderbare "September Gurls" kennt, das - wenn es irgendeine Gerechtigkeit gäbe - bei den Oldie-Sendern rauf und runter gespielt werden müsste.

(Ein anderer guter Einstieg in die LP ist "Back of a car", von der ersten LP sollte man sich auf jeden Fall "Thirteen" einmal anhören.)
Die dritte LP "Sister Lovers" war dann das Dokument einer zerfallenden Band und von zu viel Alkohol. Ich halte sie für großartig, habe anderswo schon darüber geschrieben.

***

Beggar`s Banquet war das letzte Stones-Album, auf dem Brian Jones noch mitspielte, danach wurde er aus der Band geworfen und bald dann ertrunken im Pool seines Hauses aufgefunden. Inwieweit er im Studio überhaupt noch sinnvoll beigetragen hat, weiß ich nicht. Die Stones hatten noch nicht so richtig ihren Platz gefunden, die frühen Blues-Plagiate standen neben merkwürdigen fast schlagerhaften Experimenten, die sie beim Versuch, die Beatles auf ihrem Gebiet zu schlagen, machten. Die letzte LP, die psychedelische "their Satanic Majesties request", sollte wohl so etwas wie das Gegenstück zur "Sergeant Pepper" sein, von ein paar Liedern abgesehen ist sie aber auch für hartgesottene Hörer schwer erträglich. Die Stones fanden danach eine ähnliche Lösung wie die Beatles, zurück zu den Ursprüngen. Ihre Variante funktionierte aber weit besser als "Let it be" von der Konkurrenz. Die bekanntesten Lieder der "Beggar`s Banquet" sind "Sympathy for the devil" und "Street fighting man", über die will ich aber mal kein Wort verlieren. Sympathy war zwar vor drei Jahrzehnten der Grund, dass ich mich überhaupt mit den Stones beschäftigt habe, deren Dickehosen-Rock mir sonst gewaltig auf den Geist gegangen ist. "Street fighting man" zeigt das Dilemma der Band recht deutlich: Radikal große Fresse, aber dann schnell wieder zurückziehen.
Die Gründe, warum ich das Album mag, sind eigentlich andere Lieder. Die Stones haben sich auf den Blues zurückbesonnen und anders als Anfang der Sechziger waren sie inzwischen in der Lage, ihn angemessen zu spielen. "No expectations" ist für mich eines der schönsten Lieder der Band, wenn sie danach nix mehr aufgenommen hätten, würde ich sie eigentlich noch lieber mögen.

"Prodigal Son" ist das Cover eines alten Bluegrass-Stücks, das die Geschichte vom Verlorenen Sohn nacherzählt. Sparsam instrumentiert und zurückhaltend gesungen fragt man sich, wie das hier neben "Sympathy for the devil" kam. (Die Byrds haben ja noch in weiterem Umfang christliche Bluegrass-Musik gecovert, immer eine schwierige Aufgabe für den Ironie-Detektor.) Eine Stones-Eigenkomposition, die ähnlich schön ist, folgt mit "Factory Girl". Auch hier nimmt man Jagger ausnahmsweise mal ab, was er singt, obwohl er sicher nicht auf die Fabrikarbeitermädels gewartet hat. Ein Lied wie der "Stray Cat Blues" würde heute sicher nicht mehr geschrieben, ein großmäuliger Jagger, der über minderjährige Mädchen singt. Ein Grundproblem dieser Band, die sich immer gerne in falschen Posen, sei es in dem Pseudo-Radikalismus oder Pseudo-Satanismus gefiel, dabei aber nie wusste, was sie damit lostrat. (Man muss sich nur den schönen "Gimme shelter"-Film dazu ansehen.) Naja, auf der "Beggar`s Banquet" finden sich zumindest noch ein Perlen, spätestens fünf Jahre später werden dann aber die LPs eine unhörbare Ansammlung von leeren Posen.