Samstag, 1. April 2017
Ouzo, Morphium und Haschisch
"Ouzo, Morphium und Haschisch - ich trinke, um zu vergessen" singt Roza Eskenazi in diesem Lied. Das sollte bei dieser Mischung gelingen. Das Lied ist tatsächlich 1935 bei Odeon regulär veröffentlicht worden. Für die Musik gab es offensichtlich ein Publikum.
Ansonsten ist hier im Blog ja eher von den alten Männern des griechischen Rembetiko die Rede, der große Markos ist für mich ein beständiger Tröster wie es ansonsten nur John, Jeffrey Lee oder Glenn sind. In den dreißiger Jahren gab es in Griechenland aber auch genügend Frauen, die bemerkenswerte Musik gemacht haben (die wunderbare Sotiria Bellou, von der hier schon die Rede war, und Stella Haskil, deren Mondlose Nacht ein Klassiker ist, waren eher in der Nachkriegszeit aktiv). Anfang der Zwanziger Jahre endete der törichte Versuch der Griechen, Konstantinopel zurückzuerobern mit einer verheerenden griechischen Niederlage, in deren Folge eine Million griechisch-orthodoxer Menschen aus der Türkei flüchten mussten. Die Flüchtlinge siedelten sich vor allem in den Großstädten an. Die orientalisch geprägte Musik der Flüchtlinge (nach dem griechischen Namen der Stadt Izmir, aus der viele kamen, oft Smyrna-Stil genannt) mischte sich bald mit der Musik der Rembetes-Subkultur. Anders als bei den Rembetes spielten hier oft professionelle und geübte Musiker, allerdings fand sich hier der gleiche Realismus und Pessimismus, der auch die frühere Rembetika-Musik so atemberaubend machen. Die dreißiger Jahre waren die Zeit der Sängerinnen, allen voran Rita Abatzi (von der man hier schon das schöne Lied "Schlag alles zusammen für mich" hören kann. Der Text endet, schon fast existenzialistisch mit den Zeilen "ich kann schon im nächsten Moment tot sein"). Während bei den Rembetes der vertrackte 9/8-Takt des Zembekiko, der den einsamen Tanz eines Mannes begleitete, vorherrschte, gab es beim Smyrna-Stil häufiger einen Verweis auf den Tsifteteli, eine Art griechischen Bauchtanz. Wie das Eingangslied beweist, gab es auch ansonsten wenig Tabus in der Musik, das schien aber dem großstädtischen Bürgertum in Griechenland in den Dreißigern gut zu gefallen, die Cafés, in denen Roza Eskenazi oder Rita Abatzi sangen, waren gut besucht.
Roza Eskenazi ist in vielerlei Hinsicht eine faszinierende Frau, auf Youtube findet man Videos, wie sie noch mit 80 Jahren zu ihrer Musik tanzt. Wie ihr Name schon andeutet, war sie Jüdin; die Rembetika-Musik Smyrna-Style hat auch einiges mit der Klezmer-Musik gemeinsam. Es gibt einen interessanten Dokumentarfilm über sie, "Mein süßer Kanarienvogel" (in dem die Musik auch von zwei Musikerinnen aus Griechenland und der Türkei sowie einem Musiker aus Israel nachgespielt wird, was den eigentlich übernationalen Charakter dieser Musik schön unterstreicht). An Dramatik stand ihr Leben kaum dem der berühmten Bluessängerinnen nach.
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