"In the absence of intimidation, creativity will flourish"
G.Ginn

Freitag, 23. November 2018

Seid nett zu einander! (Frank Turner in der Columbiahalle)

Es war mal wieder so weit, Frank Turner, der freundliche Punkmusiker, war in Berlin, und größere Teile der Familie Ackerbau machten sich auf zum Konzert. In den letzten Jahren waren die Konzerte von Frank Turner nicht nur ein guter Schub positiver Energie, sondern auch immer eine Gelegenheit, neue Bands und Musiker kennenzulernen. Frühere Vorbands umfassten John Allen, Lucero, Will Varley und Skinny Lister, Bands und Musiker, die ich ansonsten nicht kennengelernt hätte, und jetzt sehr schätze.

Es beginnt mit Xylaroo, zwei Schwestern (eine Sängerin, und eine Sängerin mit akustischer Gitarre) und einem Gitarristen. Xylaroo machen eine Art ruhigen Folk, der vielleicht anfangs ein bisschen an Tracy Chapman erinnert. Ich bin beeindruckt, wie präzise das Trio das Tempo hält, was ja ohne Schlagzeug nicht ganz so einfach ist. Anfangs war ich noch etwas verhalten, die letzten Lieder, bei denen auch der gemeinsame Gesang der beiden Schwestern phantastisch ist, überzeugen mich dann aber nachhaltig.
Danach die kanadische Band Pup, die irgendwie Emocore machen, ziemliches Rumgeballere. Frau Ackerbau ist für derlei Musik ja eigentlich gar nicht zu haben, sie findet allerdings die Jungs irgendwie knuffig. Das sind sie auch, sie überraschen auch durch schönen, teils mehrstimmigen Gesang, aber so richtig überzeugen können sie uns nicht. Der Bassist wird vom Sänger mit den Worten zitiert: "Niemand kann diese Band so hassen wie ich", jeder im Publikum, der schon einmal in einer Band gespielt hat, kann das vollkommen verstehen.

Nach kurzer Umbaupause kommt dann Frank Turner mit seiner Band, den Sleeping Souls. Musikalisch ist er ja inzwischen eher auf der Springsteen-/Powerrock-Schiene unterwegs, nennt das Konzert aber eine "Punkrock-Show"; aus meiner Sicht vollkommen in Ordnung, weil Punk ja ohnehin eine Geisteshaltung ist, die nicht unbedingt etwas mit Musikgenres zu tun hat. Und außerdem definiert sich ja jeder ohnehin selbst, was er darunter verstehen mag. Turner gibt als erste Regel für das Konzert aus: Don't be an asshole (vom Gitarristen hilfreich übersetzt mit "Keine Scheißekopf hier"). Das ist, wie alles bei Turner, sehr sympathisch und zumindest ich hätte mir gewünscht, dass dieser Grundsatz auch vor 30 Jahren auf Punkkonzerten gegolten hätte. Da war es aber eher andersrum.

Turner beginnt mit einem Lied von der neuen Platte, das "1933" heißt und das ich manchmal anhöre, wenn ich auch nicht mehr weiter weiß mit der aktuellen Politik. "Mache nicht den Fehler, den Feuerschein deines brennenden Hauses mit der Morgendämmerung zu verwechseln." Word.
Es folgen Lieder der letzten zwei Platten, teilweise sehr poppig, aber das Konzert bleibt mitreißend und eine gute Gelegenheit herumzuhopsen. Turner ärgert zwischendurch das Publikum mit Ansagen, dass letzthin in Wiesbaden oder Hamburg mehr los gewesen sei. Irgendwann dann der Titelsong der neuen Platte "Be more kind", ein Aufruf, sich freundlicher und großzügiger zu verhalten. Auch das ist ein Lied, das ich als tröstlich empfinde. Und es stimmt auch: Wir werden nichts im Großen erreichen, wenn wir nicht auch im Kleinen menschlich werden. Es ist allerdings interessant, dass Turner, der erklärte Atheist, inzwischen Lieder schreibt, die auch Kirchentagshymnen sein könnten (das gilt vor allem auch für "Don't Worry").
Nach ein paar Liedern, die er allein auf der akustischen Gitarre spielt, kommen die alten Hits. Normalerweise bin ich kein Freund allzu langer Konzerte, hier wird aber keine Minute langweilig, es ist eine sehr angenehme Stimmung mit viel Kommunikation zwischen Band und Publikum. Ein Teil ist zwar das Rock-Animations-Gehabe, das ich normalerweise nicht abkann, aber Turner ist einfach ein sehr sympathischer Musiker. Am Schluss holt er die Vorbands noch einmal auf die Bühne, auch das eine schöne Geste, und er meint, dass es am Abend geklappt habe, dass man gemeinsam gefeiert habe, ohne dass irgendetwas passiert sei, wenn jemand beim Pogo umgefallen sei, hätten ihm andere aufgeholfen. Er stellt die Frage, warum das inzwischen nur noch bei Punkkonzerten funktioniere und nicht im sonstigen Zusammenleben, und fordert alle auf, diesen Spirit nach draußen zu tragen.
Mann, mann, mann, wenn vor dreißig Jahren eine Band aufgerufen hätte, sich draußen genauso zu benehmen wie beim Punkkonzert, dann wäre das ein Aufruf zu Sachbeschädigung und Körperverletzung gewesen, aber die Zeiten haben sich geändert.

Am Schluss sind Band und Zuhörer kaputt gespielt, aber wahrscheinlich geht tatsächlich jeder mit einem Stück positiver Energie heraus. Das ist doch schon was.

Samstag, 17. November 2018

Alles andere ist wurscht

JJ macht im Musikunterricht bei einem Projekt mit, bei dem mehrere Schüler ein Lied aufführen. Er hat sich dafür entschieden, Bass zu spielen (aus der richtigen Erwägung heraus, dass es zwar schwer ist, gut Bass zu spielen, es aber jedem Menschen mit zwei Händen schnell möglich ist, ein einfaches Lied am Bass zu begleiten). Er bat mich deswegen um eine kurze Basslektion, die Tabulatur war schnell geschrieben.

Das Lied ist leider das furchtbare "Nothing else matters" von Metallica. Wer hier schon eine Zeitlang mitliest, kennt meine generelle Einstellung zu Heavy Metal. Nothing else matters ist aber schon besonders unangenehm (vom Standpunkt eines Bassspielers allerdngs wenig beanspruchend). Wir haben uns dann umgesehen, was für Versionen es von dem Lied gibt und hatten damit einen relativ vergnügten Abend mit Youtube. Die Heavy-Cover sind ja alle erwartbar (wir haben uns sogar ca. 30 Sekunden Doro Pesch angehört), aber das Lied lockt alle möglichen abseitigen Geschmäcker an.  Offenbar ist Nothing else matters ein beliebtes Lied für alle möglichen Coverbands. Man kann sich eine Version als Hochzeitswalzer anhören, eine mit gregorianischen Gesängen, eine auf der Kirchenorgel, eine vom Kinderchor des bulgarischen Fernsehorchesters, eine Shakira-Version, eine Kirchenversion für die Hochzeit; sie alle vereint, dass sie abgrundtief gräßlich sind. Ich bedauere ein bisschen, dass ich nichts vom Crazy Frog und von den Schlümpfen dazu gefunden habe.

Es gibt ein paar Versuche, ein Jazzlied daraus zu machen, z.B. von der geschätzten Macy Gray, aber dieses pathetische Gerumpel kriegt man halt nicht zum swingen. (Ich verlinke das alles nicht, das lässt sich über Youtube problemlos finden und man wird feststellen, da gibt es noch größere Unsäglichkeiten).

Ich bin allerdings wie immer zu weichherzig, es gibt ja eine Band, der ich Heavy-Metal-Lieder nicht übel nehmen kann. Das folgende Cover der Finnen von Steve 'n' Seagulls ist in Ordnung:


Mittwoch, 7. November 2018

Sean McGowan & die Levellers

Ich war dieses Jahr wirklich auf vielen Konzerten, Live-Musik tut mir gerade sehr gut. Also, ging es auch wieder am Samstag ins Lido, zu den Levellers und Sean McGowan. Die Levellers sind an mir in den 80ern/90ern weitgehend vorbeigegangen, vor sechs Jahren habe ich sie einmal live gesehen, das Konzert wird mir aber vor allem wegen Sonic Boom Six als Vorband unvergesslich bleiben.

(Kurzer Einschub: KÖNNEN WIR JETZT BITTE ALLE MAL DREI MINUTEN SONIC BOOM SIX HÖREN? Warum läuft das nicht überall und immer? So klug und so gut.)

Auch diesmal war ich eher wegen der Vorgruppe ins Lido unterwegs. Sean McGowan, ein 25Jähriger aus Southampton (der nicht mit Shane McGowan verwandt ist). Sean McGowan habe ich das erste Mal im April als Support von Will Varley gesehen.

(Kurzer Einschub: KÖNNEN WIR JETZT BITTE ALLE MAL DREI MINUTEN WILL VARLEY HÖREN? Warum läuft das nicht überall und immer? So klug und so gut.)

Das war damals wohl eine der ersten größeren Touren von Sean McGowan, dem man seine Begeisterung deutlich anmerkte. Mir gefiel die Musik gut, voller jugendlichem Enthusiasmus, der auch alten Griesgramen wie mir das Herz öffnete. Das folgende Video gibt einen ganz guten Eindruck:



Ich kaufte mir eine Mini-CD und unterhielt mich ein bisschen mit ihm. Als eigentlichen Job arbeitet er als Barkeeper und Kloputzer. Ich konnte ihm zumindest sagen, dass auch Captain Sensible als Kloputzer angefangen hat.

Nun also noch einmal Sean McGowan, mit deutlich mehr Auftrittspraxis, aber immer noch sehr viel sympathischen Enthusiasmus. Inzwischen auch mit einer richtigen CD, die irgendwo zwischen Billy Bragg und den Clash angesiedelt ist. Ich höre das sehr gerne, die Musik tat sehr gut.



 Danach die Levellers, die ich ja als eher schrummligen Folkpunk verbucht hatte. Im Konzert war es aber eher Heavy-Folk-Power-Rock mit Digeridoo und Leuchtfarben. Sehr merkwürdig, aber sehr gekonnt gemacht. Insgesamt aber eher nicht mein Cup of tea.