(Der große Spätsommer-Konzertmarathon.)
B. ist auf Besuch, also machen wir uns auf den Weg zum Schokoladen, wo die Liga der gewöhnlichen Gentlemen spielen sollen. Frau Ackerbau lässt sich auch noch überreden mitzukommen. Die Liga habe ich schon mal live gesehen, auch schon wieder fünf Jahre her, 2014 als die Welt noch heil war.
Der Schokoladen ist ein exquisiter Konzertort in der Ackerstraße, es passen vielleicht 100 Leute herein, das Bier ist billig. Am heutigen Tag ist schon bevor es überhaupt losgeht in dem Laden eigentlich kein Sauerstoff mehr, so heiß und stickig ist es. Also lassen wir uns stempeln und stellen uns, ganz berlintypisch und eigentlich so wie bei den Konzerten vor 30 Jahren, mit Bierflasche vor den Laden. Draußen stehen auch schon Teile der Band, ein netter Mensch kommt vorbei und verteilt Freibier (Astra, allerdings, obwohl es im Schokoladen auch Augustiner gibt). Wir beschließen hineinzugehen, bevor es total voll wird und machen dabei die beste strategische Entscheidung des Abends: Wir stellen uns einfach vor den Ventilator, was wirklich der beste Platz überhaupt war. Die Liga beginnt dann zu spielen, sie stellen ihre neue Platte "Fuck dance, let's art" vor. Das ganze Setting ist sehr familiär, die meisten im Publikum kennen sich irgendwie. Die Musik der Liga der gewöhnlichen Gentlemen kann man ja am ehesten mit punkigem Northern Soul mit deutschen Texten beschreiben, heute sind sie ohne Blasinstrumente da, was eher zu einem punkigen Beatkonzert führt, etwa so als würden die Cockney Rejects die erste Beatles-LP spielen. Alles sehr schön, wir sind bester Laune, B. erwähnt das für diesen Post titelgebende Zitat (an alle, die das Zitat einordnen können: Ihr seid alt!).
Alles hopst und singt bereitwillig mit (der Chor "Häßlich und faul, Musik und der HSV" wird mir noch lange im Ohr bleiben). Die Band ist im besten Sinne eigenwillig, da gibt es dann eben ein Lied über Matrazenconcord. Der Sänger hadert mit einer Besprechung der LP bei Radio eins, bei der die Musikjournalisten nun überhaupt nicht verstanden haben, worum es der Band geht und worum es bei der Band geht.
Was soll's, wir haben Spaß.
Als die Liga kurz vor 22 Uhr aufhören, kann ich meine Begleiterinnen noch überzeugen zu dem, ähm, Radio eins Fest am Gleisdreieck zu gehen, wo genau um diese Zeit Bob Mould spielen soll. Wir machen uns auf zur S-Bahn, müssen dann an der Yorckstraße dem Radau nachgehen, um die Bühne zu finden. Wir kriegen noch die letzte Hälfte vom Bob-Mould-Set mit, er spielt allein mit elektrischer Gitarre, in die er ziemlich eindrischt. Seltsamerweise ergibt das aber immer noch einen relativ differenzierten Klangteppich, Akkorde mit vielen kleinen Melodiestückchen darin. Ich erkenne ein paar Lieder von der ersten Solo-LP, eines aus Sugar-Tagen, leider nichts von Hüsker Dü (das gab es bevor wir kamen). Mould sieht mit weißem kurzen Vollbart, Glatze und runder Brille aus wie ein Gemeinschaftskundelehrer kurz vor der Pensionierung. Er strahlt wieder eine unglaublich positive Energie aus, das begeistert mich sehr. Ich bin mir nicht sicher, wie viele der Leute im Publikum eigentlich eine Ahnung haben, wer da vor ihnen steht. Um 11 Uhr beendet der Moderator das Konzert, ein paar Unentwegte wollen noch New Day Rising hören, aber geht nicht, wegen Lärmschutz. Beglückt, beschwipst und mit schmerzenden Beinen ging's nach Hause.
"In the absence of intimidation, creativity will flourish"
G.Ginn
Mittwoch, 28. August 2019
Mittwoch, 21. August 2019
Flipper mit Mike Watt
Flipper nerven. Flipper haben immer genervt. Es gibt Bands, die versuchen etwas zu machen, was ihr Publikum hören will, und es gibt Bands, die alles dafür tun, den Zuhörern den Spass zu verderben. Merkwürdigerweise bleiben einem die letzteren Bands oft länger im Gedächtnis. So ging es mir auch mit Flipper, von denen ich vor 30 Jahren mal ein Lied im Radio gehört habe, das ich dann zwar bis vor kurzem nie wieder gehört habe, das mir aber trotzdem nicht aus dem Kopf ging. Brainwash, eine sechsminütige Sequenz, bei der immer wieder ein etwa 20sekündiger Liedschnipsel mit rätselhaften Lyrics wiederholt wird. Brainwash, eben. Ein paar andere Lieder kannte ich von Samplern und es war auch dort so, dass immer, wenn man etwas gut fand, ein musikalischer Einfall kam, der einem den Spaß verdarb. Flipper hatten ihre besten Zeiten in den 80ern, sie waren jetzt zur 40-Jahre-Jubiläums-Tour unterwegs. Zwei der Mitglieder sind schon gestorben, als Sänger war nun David Yow, der früher mal bei Jesus Lizard war, am Bass begleitete Mike Watt, der ja bei mir im Haus einer der Säulenheiligen ist.
Das musste ich mir dann doch ansehen, das Publikum im Bi Nuu war so wie erwartet: Eine schöne Ansammlung von Freaks im deutlich gehobenen Alter. Manchmal macht mich ja das Punkrock-Altersheim etwas melancholisch, dort fand ich es aber eigentlich ganz schön: Alter bedeutet halt nicht mehr Konformität und alle hören jetzt Musikantenstadel, sondern es bleibt bunt und wild (natürlich mit Ausnahme von mir, der ja in der Freizeit grundsätzlich immer das Gleiche anhat, ob zum Punkkonzert oder zum Sonntagsgottesdienst). Das am gebrechlichsten wirkende Publikumsmitglied entpuppte sich allerdings später als Flipper-Gitarrist Ted Falconi. Sein Gitarrenspiel war dann alles andere als gebrechlich. Was mir bei den Konzerten gefällt, ist, dass ich inzwischen im Publikum viele alte Charakterköpfe sehe, wie damals, wenn ich mit meinem Opa zum Frühschoppen durfte. Kantig und vom Leben gezeichnet.
Erste Vorgruppe die Heads, von denen ich eigentlich nichts weiß. Musikalisch passend, weil sie nach frühen 80er Ami-Hardcore klangen. Mich erinnerten sie an die Toxic Reasons (das ist hier sicher der dümmste Verweis; ich selbst kenne eigentlich nur zwei Liedern von den Toxic Reasons, die ich mal auf einer Kassette hatte, und von den Leserinnen kennt höchstwahrscheinlich keine die Band, so dass das sinnloses Namedropping ist, das noch nicht einmal irgendjemand beeindruckt. Und es wird sogar noch dööfer: Ich stelle gerade fest, dass das Lied, das ich meinte, gar nicht von den Toxic Reasons war, sondern von Naked Raygun.) Die Band war nicht schlecht, hinterließ aber keinen besonderen Eindruck, das mag aber auch an mir gelegen haben. Später beim Konzert standen der Schlagzeuger und der Bassist irgendwie neben mir und boxten rum, dabei trat mir der Bassist auf den Fuß und ich schaute wachsam und überrascht, was den Bassisten und mich dazu brachte, verbal und nonverbal klar zu machen, dass wir uns nicht prügeln wollen. Cool, cool, no problem, Arm tätschel, grins grins.
Zweite Vorgruppe Dysnea Boys, ein Trio. Im Falle einer Schlägerei hätte man auf jeden Fall auf der Seite sein wollen, auf der auch diese Typen sind. Verzerrter Bass, ein Schlagzeug, dass so laut auf die Lautsprecher gelegt wurde, dass einem bei jedem Basedrum-Schlag das Herz flatterte, repetitive metallische Riffs und ein bisschen Headgebange, obwohl eigentlich keiner von denen lange Haare hatte. Erinnerte mich an Gore (zu den Musikverweisen, s.o.). Der Gitarrist sang dann über diesen ganzen Krach merkwürdige Sachen, bei einem Lied war es weitgehend "I don't know the words" und ich grübelte, ob er den Text vergessen hatte oder ob das der Text war. Ich fand es dann aber überraschend gut. (Hier kann man sich ein offizielles Video ansehen, in dem eine Tänzerin zu der Musik in einem leeren Fabrikgebäude die Haare schüttelt und moderne Dance-Moves macht. Allerdings ist die Musik im Video ganz anders, als das, was die Jungs gespielt haben. Würde zu den neuen Liedern besser passen. )
Danach Flipper. Die Oldies stürmen die Bühne, man kann sich eine Kollektion von Frisuren ansehen, die bei älteren Leuten doch merkwürdig aussehen, dazu kommt David Yow, der irgendwie aussieht wie der spillrige, nervige Onkel, der bei Familienfeiern alle zutextet. Insoweit eigentlich ein passender Flipper-Sänger. Als er auf die Bühne kommt, merkt man schon, dass er breit wie eine Natter ist, man muss allerdings sagen, dass er trotzdem beeindruckend gesungen hat. Als erstes springt er von der Bühne ins Publikum, das ist schon ein sehr mutiger Move, wenn man eigentlich die kleinste Person bei einem Konzert ist. Teilweise lehnt er sich während des Singens einfach auch auf die Leute in der ersten Reihe, die verzweifelt versuchen, ihn vorm Umfallen zu bewahren. Die anderen produzieren derweil mit Sägegitarre und Wummerbass ein repetitiv hypnotisches Soundbett, zu dem Yow dann singt. Bei Ha Ha Ha entschließt er sich dann einmal, die anderen Bandmitglieder zu nerven und belästigt sie auf der Bühne. Am unangenehmsten ist, dass er die ganze Zeit herumspuckt. Seine Ansagen auf deutsch sind etwas verwirrend, von "Tut mir leid" bis "Auf Wiedersehen Schwanzgesicht" ist alles dabei. Yow hat die Energie und Aura einer Wespe bei einem Sommerpicknick.
Vielleicht sind die Maßstäbe seit den 80ern etwas andere geworden, aber die Musik von Flipper ist inzwischen gar nicht mehr so nervig und gemein, wie ich sie in Erinnerung hatte. Einprägsam und eigen ist sie allerdings immer noch, ich hatte viel Spaß bei dem Konzert. Zu dem letzten Lied Sex Bomb stürmten dann eine Masse von Leuten auf die Bühne. Die Band hatte aufgerufen, dass sich Saxophonisten melden sollten, die (wie auf der LP-Version) den Bläserpart spielen können. Kreuzberg ist allerdings Kreuzberg, deswegen gab es nur einen Saxophonisten, aber eine ganze Meute von Nasenflötenspielern, die einen unglaublichen Lärm machten. Daneben sprangen auch alle möglichen anderen Leute auf die Bühne und hüpften herum. Es war absolut grandios, insbesondere, wenn man sich vor Augen hält, dass das alles eine (mindestens) Ü40-Veranstaltung war.
Und ich habe endlich mal Mike Watt gesehen.
Das musste ich mir dann doch ansehen, das Publikum im Bi Nuu war so wie erwartet: Eine schöne Ansammlung von Freaks im deutlich gehobenen Alter. Manchmal macht mich ja das Punkrock-Altersheim etwas melancholisch, dort fand ich es aber eigentlich ganz schön: Alter bedeutet halt nicht mehr Konformität und alle hören jetzt Musikantenstadel, sondern es bleibt bunt und wild (natürlich mit Ausnahme von mir, der ja in der Freizeit grundsätzlich immer das Gleiche anhat, ob zum Punkkonzert oder zum Sonntagsgottesdienst). Das am gebrechlichsten wirkende Publikumsmitglied entpuppte sich allerdings später als Flipper-Gitarrist Ted Falconi. Sein Gitarrenspiel war dann alles andere als gebrechlich. Was mir bei den Konzerten gefällt, ist, dass ich inzwischen im Publikum viele alte Charakterköpfe sehe, wie damals, wenn ich mit meinem Opa zum Frühschoppen durfte. Kantig und vom Leben gezeichnet.
Erste Vorgruppe die Heads, von denen ich eigentlich nichts weiß. Musikalisch passend, weil sie nach frühen 80er Ami-Hardcore klangen. Mich erinnerten sie an die Toxic Reasons (das ist hier sicher der dümmste Verweis; ich selbst kenne eigentlich nur zwei Liedern von den Toxic Reasons, die ich mal auf einer Kassette hatte, und von den Leserinnen kennt höchstwahrscheinlich keine die Band, so dass das sinnloses Namedropping ist, das noch nicht einmal irgendjemand beeindruckt. Und es wird sogar noch dööfer: Ich stelle gerade fest, dass das Lied, das ich meinte, gar nicht von den Toxic Reasons war, sondern von Naked Raygun.) Die Band war nicht schlecht, hinterließ aber keinen besonderen Eindruck, das mag aber auch an mir gelegen haben. Später beim Konzert standen der Schlagzeuger und der Bassist irgendwie neben mir und boxten rum, dabei trat mir der Bassist auf den Fuß und ich schaute wachsam und überrascht, was den Bassisten und mich dazu brachte, verbal und nonverbal klar zu machen, dass wir uns nicht prügeln wollen. Cool, cool, no problem, Arm tätschel, grins grins.
Zweite Vorgruppe Dysnea Boys, ein Trio. Im Falle einer Schlägerei hätte man auf jeden Fall auf der Seite sein wollen, auf der auch diese Typen sind. Verzerrter Bass, ein Schlagzeug, dass so laut auf die Lautsprecher gelegt wurde, dass einem bei jedem Basedrum-Schlag das Herz flatterte, repetitive metallische Riffs und ein bisschen Headgebange, obwohl eigentlich keiner von denen lange Haare hatte. Erinnerte mich an Gore (zu den Musikverweisen, s.o.). Der Gitarrist sang dann über diesen ganzen Krach merkwürdige Sachen, bei einem Lied war es weitgehend "I don't know the words" und ich grübelte, ob er den Text vergessen hatte oder ob das der Text war. Ich fand es dann aber überraschend gut. (Hier kann man sich ein offizielles Video ansehen, in dem eine Tänzerin zu der Musik in einem leeren Fabrikgebäude die Haare schüttelt und moderne Dance-Moves macht. Allerdings ist die Musik im Video ganz anders, als das, was die Jungs gespielt haben. Würde zu den neuen Liedern besser passen. )
Danach Flipper. Die Oldies stürmen die Bühne, man kann sich eine Kollektion von Frisuren ansehen, die bei älteren Leuten doch merkwürdig aussehen, dazu kommt David Yow, der irgendwie aussieht wie der spillrige, nervige Onkel, der bei Familienfeiern alle zutextet. Insoweit eigentlich ein passender Flipper-Sänger. Als er auf die Bühne kommt, merkt man schon, dass er breit wie eine Natter ist, man muss allerdings sagen, dass er trotzdem beeindruckend gesungen hat. Als erstes springt er von der Bühne ins Publikum, das ist schon ein sehr mutiger Move, wenn man eigentlich die kleinste Person bei einem Konzert ist. Teilweise lehnt er sich während des Singens einfach auch auf die Leute in der ersten Reihe, die verzweifelt versuchen, ihn vorm Umfallen zu bewahren. Die anderen produzieren derweil mit Sägegitarre und Wummerbass ein repetitiv hypnotisches Soundbett, zu dem Yow dann singt. Bei Ha Ha Ha entschließt er sich dann einmal, die anderen Bandmitglieder zu nerven und belästigt sie auf der Bühne. Am unangenehmsten ist, dass er die ganze Zeit herumspuckt. Seine Ansagen auf deutsch sind etwas verwirrend, von "Tut mir leid" bis "Auf Wiedersehen Schwanzgesicht" ist alles dabei. Yow hat die Energie und Aura einer Wespe bei einem Sommerpicknick.
Vielleicht sind die Maßstäbe seit den 80ern etwas andere geworden, aber die Musik von Flipper ist inzwischen gar nicht mehr so nervig und gemein, wie ich sie in Erinnerung hatte. Einprägsam und eigen ist sie allerdings immer noch, ich hatte viel Spaß bei dem Konzert. Zu dem letzten Lied Sex Bomb stürmten dann eine Masse von Leuten auf die Bühne. Die Band hatte aufgerufen, dass sich Saxophonisten melden sollten, die (wie auf der LP-Version) den Bläserpart spielen können. Kreuzberg ist allerdings Kreuzberg, deswegen gab es nur einen Saxophonisten, aber eine ganze Meute von Nasenflötenspielern, die einen unglaublichen Lärm machten. Daneben sprangen auch alle möglichen anderen Leute auf die Bühne und hüpften herum. Es war absolut grandios, insbesondere, wenn man sich vor Augen hält, dass das alles eine (mindestens) Ü40-Veranstaltung war.
Und ich habe endlich mal Mike Watt gesehen.
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