Wenn man mich fragte, welche Auswirkungen die Pandemie auf meinen Alltag hatte, käme nach den erwartbaren (und schwerwiegenden) Punkten relativ bald, dass ich zum ersten Mal seit langem ein Jahr hatte, in dem ich Fil nicht live gesehen habe. Fil ist ein Comiczeichner, Autor und Comedian? Kabarettist?, den man wohl live gesehen haben muss, um seinen Charme nachvollziehen zu können. Ich bin zusammen mit ihm alt geworden, die ersten Programme habe ich gesehen, als wir beide gerade dreißig waren, inzwischen sind wir ja stabil über 50. Also, kein Fil letztes Jahr, umso größere Freude als mir zufällig dieses Video unterkam. Ich versuche es erst gar nicht zu erklären, es ist furchtbarer Cloudrap, Fil hat sich eine Armee von jungen Leuten für das Video zusammengesucht, an ein paar Stellen muss ich auch beim vierten Anhören noch lachen. Ein Lied für die ganzen jungen Leute, die im Bürgerpark rumhängen, weil ansonsten nicht viel anderes geht.
Auch ein Zufallsfund, aus einer eher folklastigen Playlist, St. Lenox. Hinter diesem Projekt steckt Andrew Choi, der als Anwalt in New York arbeitet. Das Lied, das ich dort hörte, hieß Bethseba und beschrieb Kirchenbesuche in der Jugendzeit. Musikalisch auch wie ein Gospelstück zu dem ein Soulsänger eine Geschichte erzählt. Eigentlich alles nicht mein Fall, irgendetwas an dem Stück brachte mich aber dazu, die zugehörige Platte herauszusuchen, die bescheiden "Ten Songs of Worship and Praise for our tumultous Times" benannt ist. Andrew Choi erzählt dort Geschichten, die vage mit Religion zu tun haben, aus einer areligiösen Perspektive. Das wären alles Zutaten, die mich ansonsten einen weiten Bogen um Musik machen ließen, aber diese Stücke finde ich wirklich faszinierend. Es gibt noch mehr Platten von ihm, in denen er jeweils zehn Lieder/Geschichten zu einem Thema bündelt. Die Videos beinhalten dann quasi einen Kommentar des Autors zum Lied. Ich verlinke mal "Arthur is at a shiva", aber kann auch die anderen Lieder empfehlen. Eigentlich meine liebste Kategorie von Musik: die mich zuerst nervt, bei der ich aber nach etwas Durchhalten etwas neues lerne.
Am Schluss noch ein Lebenszeichen von Skinny Lister, die über eine unangenehme Begegnung mit der bayerischen Polizei berichten (da hatte ich auch genug davon). Im nächsten Jahr sind sie wieder in Berlin und ich werde auch da sein. Mann, fehlen mir Livekonzerte.