Freitag, 30. Mai 2014

Ein optimistischer Blick auf das Leben mit den Godfathers

Die Godfathers waren immer eine richtig gute Band und hatten Ende der 80er mit "Birth, School, Work, Death" einen kleinen Hit. Ich habe nie eine Platte von ihnen gehabt, das Lied lief aber im Schweizer Radio, das ich in den 80ern immer hörte, rauf und runter.


Wenn ich dieses kleine Kunstwerk vor mich hinsumme, habe ich regelmäßig keine gute Laune (aber dafür können die Godfathers nichts, die anscheinend immer noch unterwegs sind...).

Mittwoch, 28. Mai 2014

Vatertag

Ein Lied zum Vatertag, leider nur furchtbar traurig. Von Söhnen, die die Väter, und Vätern, die die Söhne schwer enttäuschen. Klagend vorgebracht von Frank Turner, für den ich ja eine gewisse Schwäche habe (das Lied bleibt einem auch lange im Ohr hängen).

(Ich bin froh, dass hier die Verhältnisse nicht so verwickelt sind, das bleibt hoffentlich auch so).


Samstag, 24. Mai 2014

The Ballad of Buddy Bradley

Vor gut 20 Jahren freute ich mich, endlich in einer Stadt zu sein, in der es auch vernünftige Comic-Läden gab. Leider konnte ich mir das meiste nur ansehen, da mein Geld meistens schon für die Miete und das Essen draufging, aber ein Heft, das mir in die Hände fiel, musste ich mir dann doch kaufen: Es war eine deutsche Ausgabe eines amerikanischen Comics von Peter Bagge, das sehr nach Underground aussah, zumindest mehr als das, was der Carlsen-Verlag damals sonst so veröffentlichte. Die amerikanische Reihe hieß HATE (eigentlich wollte Bagge sie Love & Hate nennen, aber im gleichen Verlag gab es schon eine Reihe, die Love & Rockets hieß, so dass er die Kurzfassung wählte). Der Carlsen-Verlag machte LECK MICH draus und vermarktete das ganze als eine Art Grunge-Comic. Auf gewisse Weise stimmte das fast: Peter Bagge hatte seinen Helden Buddy Bradley in Seattle angesiedelt, wo er auch selbst wohnte, und fand sich dann unwillkürlich inmitten des damaligen Grunge-Hypes wieder. Dokumentiert wurde das in einer Geschichte, in der Buddy eine Band managte, in der drei Mitglieder Kurt hießen. Bagge selbst hält es wohl mehr mit der Musik der 60ern.

Buddy war schon der Held der Comic-Serie Die Bradleys, in der Bagge eine ziemlich dysfunktionale amerikanische Familie darstellte. Nach allem, was man weiß, mit durchaus autobiographischen Bezügen. Buddy, seinen Eltern, seiner Schwester Babs, seinen kleinen Bruder Butch sollte man dann in Hate wieder begegnen, allerdings ein paar Jahre später. Eine Sammlung planloser Zwanzigjähriger.

Bagge hat später gesagt, dass er schon immer Sitcoms geliebt hat. Entsprechend sind seine Geschichten auch immer komisch, mit Sinn für Slapstick und absurde Pointen. Deswegen funktionierte auch die Zuschreibung als Grunge-Comic eine Weile ganz gut. Lustige Geschichten, etwas sehr derbe, mit viel Alkohol. Ein Atze Schröder für die Grunge-Generation. Nur war das nie das, was Bagge machte oder machen wollte. Sit-Coms sind statisch, leben von der leichten Abwandlung immer gleicher Situationen. Bagge dagegen ist anscheinend schnell gelangweilt. Seine Personen werden älter, entwickeln sich. Nebenfiguren tauchen auf, verschwinden (teilweise auf tragischem Weg) wieder. Als Buddy als Band-Manager den Gipfel der Coolness erreicht, dauert es nicht lang, bis ihn die Band hinauswirft. Gleichzeitig verliert er seine coole Freundin, beginnt zu arbeiten. Schließlich zieht er zurück nach New Jersey zu seinen Eltern, zusammen mit seiner neuen Freundin Lisa. Da hatte der Carlsen-Verlag schon längst die Reihe aufgehört.

Jahre später bin ich dann in Berlin auf die amerikanischen Heftchen gestoßen und habe mich gefreut, dass die Geschichte noch weiter ging. Aus den Leserbriefen in den Heften kann man ersehen, dass viele nicht glücklich über den Verlauf der Geschichte waren. Aber Bagge ließ sich nicht beirren. Buddy beginnt in einem Second-Hand-Laden zu arbeiten, seine Freundin bekommt Depressionen und wird immer merkwürdiger, sein Vater hat einen Herzinfarkt. Die alten Freunde haben alle möglichen merkwürdigen kleinkriminelle Geschäfte, die Schwester hat als alleinerziehende Mutter zwei eher wenig gut geratene Kinder. Auch wenn die einzelnen Episoden immer noch als Comedy strukturiert und die Begebenheiten wild überzeichnet sind, geben sie hintereinander gelesen ein Bild der amerikanischen Vorstadtwirklichkeit. Man kann Bagge nicht nachsagen, dass er besonders menschenfreundlich wäre, aber was seine Geschichten auszeichnet ist, dass er seine Figuren ernst nimmt und nicht bewertet und sich von jedem Versuch, Normalität zu konstruieren, fern hält. Die Protagonisten haben alle ihre Probleme und merkwürdigen Arrangements, sie werden aber alle gleich ernst genommen und in der ganzen Besetzung gibt es niemanden, der Normalität verkörpern könnte - nicht, weil für die Geschichte nur skurrile Typen angesammelt würden, sondern weil es in der Welt, die Bagge beschreibt, Normalität nicht mehr gibt. Bagge bewertet aber nicht, er romantisiert auch nicht, er beschreibt nur. Trotz aller Plakativität und trotz allem Holzhammerhumor sind die Figuren keine bloßen Klischees oder Abziehbilder. Und seine Besetzung von Kartoffelnasen bietet manchmal ein realistischeres Bild als mancher Gegenwartsroman.
(Weibliche und ...

...männliche Philosophie bei Bagge)


Buddys Freundin Lisa ist hier ein gutes Beispiel. Sie zieht mit zu Buddys Eltern nach New Jersey, pflegt Buddys Vater nach seinem Herzinfarkt, obwohl sie ihre eigenen Eltern seit Jahren nicht mehr gesehen hat,  benimmt sich irrational und hat Depressionen, ist in verschiedenen Behandlungen und verlässt dann schließlich Buddy wegen einer Arbeitskollegin. Die Leserbriefe der vornehmlich männlichen Leserschaft feierten die Trennung und zeigen, dass Lisa wenig Freunde bei den Lesern hatte, sehr zum Unverständnis von Bagge, der die erratische und impulsive Lisa immer für interessanter hielt als seinen eher passiven und selbstzerstörerischen Helden. Die  Leserschaft musste dann aber feststellen, dass Buddys Singlezeiten und Dateversuche eher noch frustrierender wurden. Bagge hatte keine Probleme, die Erwartungen der Leser, die lustige Zoten wünschten, zu frustrieren.

(Hier findet sich die männliche Leserschaft u.U. nicht so richtig wieder)

HATE endete damit, dass Buddy und Lisa wieder zusammen kommen (die Empörung in den Leserbriefen war groß) und Lisa schwanger wird. Bagge beendete dann das regelmäßige Comic-Heft und steuerte einmal im Jahr einzelne Buddy Bradley-Geschichten bei. Ich hatte die neuen Geschichten nicht regelmäßig gelesen und den Eindruck gewonnen, dass Bagge jetzt nur noch einzelne Episoden über die junge Familie ohne den großen Zusammenhang schreiben wollte. Ich habe mich getäuscht. In "Buddy buys a dump" sind diese neuen Geschichten gesammelt. Buddy hat genug von seinem Second Hand-Shop und kauft einen Schrottplatz. Die junge Familie zieht dort hin, Buddy und Lisa finden sich irgendwann als 40jährige auf dem ersten Schulelternabend, Buddy versucht sich als Paketdienstfahrer und Altmetallhändler. (Merkwürdigerweise ist Harold Bradley Jr, sein Sohn, trotz seiner Eltern tatsächlich der am wenigsten Auffällige in den ganzen Geschichten). Doch dann hört Lisa nach Jahrzehnten wieder von ihren Eltern in Seattle und fährt zu ihnen, die Mutter schwer krank, der Vater dement. Und was sich in den einzelnen Geschichten noch als eher belanglose Unterhaltung darstellt, zeigt sich jetzt als Fortschreibung des amerikanischen Sittenbildes. Buddy scheint etwa mein Jahrgang zu sein, er wird von seinem Autor durchs Leben geschickt, ohne ihm viel zu ersparen. Ich bin gespannt, wie es weiter geht.

(Buddy will nicht König der Löwen hören)

Der englische Sammelband Buddy does Seattle, der die ersten 15 Hefte HATE beinhaltet, ist für sehr schmales Geld bei den üblichen Verdächtigen zu haben. Der zweite Band, Buddy does Jersey, scheint gerade vergriffen zu sein, kommt aber sicher bald wieder.


Mittwoch, 21. Mai 2014

Was hat Hieronymus Bosch mit Catweazle zu tun?

Wahrscheinlich wenig, denn Catweazle lebte ja (eigentlich) zur Zeit der Normannen, bevor er in unsere Zeit kam, 




und Hieronymus Bosch ein halbes Jahrtausend später. Andererseits hat Bosch das erste Porträt des Zauberers erstellt:


Sicherlich ein weiterer rätselhafter Aspekt des Bosch'schen Oeuvres.


(Das Bild ist ein Detail der "Dornenkrönung", die in der Londoner National Gallery hängt. Catweazle-Erfinder Richard Carpenter kannte es und hatte - als er irgendwo das Wort Catweazle las - die Vorstellung, dass jemand der Catweazle heißt, wohl so aussehen müsste. Also alles gar nicht so rätselhaft.)

Samstag, 17. Mai 2014

Part Animal Part Machine

Henry Rollins schon wieder!

(Aber beinahe hätte es einen Monat ohne ihn gegeben auf SILT, das geht nicht, nein, nein)

1987 veröffentlichte er seine erste LP der Nach-Black Flag-Ära; musikalisch allerdings sehr nahe am bisherigen Wirken. M., mit dem ich mich mal über das Titellied unterhielt, stellte mir die Frage, warum denn Rollins mit der Zeile beginne "Looking at the bottom, what do I see? I see the bottom staring back at me." Warum denn Rollins auf Hintern starre und die zurück guckten? Ich habe das immer als Nietzsche-Paraphrase verstanden: Wenn du in den Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein (in der englischen Nietzsche-Übersetzung wird hier aber eigentlich immer "Abyss" für Abgrund genommen, vielleicht wollte uns Henry Rollins doch etwas über Hintern erzählen?....). Im Refrain singt er dann: You have to be part animal, part machine, du musst halb Tier halb Maschine sein. Dass das keine Aufforderung sein soll, sondern eine Zustandsbeschreibung ergibt sich für mich aus dem Rest des Textes, der dann "I won't take, I won't break" weitergeht.

Also, die Welt verlangt von uns, halb Maschine, halb Tier zu sein, Henry Rollins widersagt und da tut er Recht daran. Ich habe Rollins etwa 1987 live gesehen und erinnere mich eigentlich nur daran, dass er furchtbar geschwitzt hat, obwohl er (tätowierungspräsentationsmäßig günstig) relativ wenig anhatte. Vorband war Gore aus den Niederlanden, die furchterregenden Instrumentalsound brachten; die ersten Reihen schüttelten ihre Haare dazu. Keine Begrüßung, keine Kommunikation. Maschinen, gute Musik, aber scary..

Danach kam Rollins, der ja seinen Ruf als tough guy hatte, tätowiert und bösartig. Fragte erstmal, ob es allen gut ginge, ob alle eine gute Zeit hätten. Das machte das restliche Konzert sehr angenehm; nichts für Maschinen, nichts für Tiere.....

Dienstag, 13. Mai 2014

Der Tod in den Bergen von Pendeli

Noch ein Rembetika-Lieblingslied, diesmal von Stratos Pagioumtzis. Es gibt eine Fassung aus den späten 30ern, diese gefällt mir aber besser, weil es die erste ist, die ich von dem Lied gehört habe. An dem Akkordeon hört man, dass es eine spätere Aufnahme sein muss, wohl von 1950.

Das Lied handelt von jemanden, der in den Bergen von Pendeli wandert und dort nach dem Tod sucht. Als er ihn trifft, bittet er ihn, ihn zu verschonen, aber ohne Erfolg.
(Unter den Bildern sieht man etwa bei 0:37, 1:00 und  1:53 auch Markos Vamvakaris)

Samstag, 10. Mai 2014

Die Nacht der langen Bärte

Frau Ackerbau und ich waren mal wieder auf einem Konzert. Letztes Jahr bei Frank Turner spielte eine Vorband, die wir beide nicht kannten, die aber vor allem Frau Ackerbau gut gefiel. Lucero aus Memphis, Tennesee, die eine Mischung aus Südstaatenrock und Springsteen-Americana spielten. Normalerweise nicht unbedingt mein Fall, aber live machte das großen Spaß. Also große Freude, als Lucero wieder für Berlin angesagt waren.

Bei der Vorgruppe waren zunächst nur etwa 20 Leute da, es füllte sich dann aber nach und nach. Opener waren North Alone, ein Gitarrist und Sänger, begleitet von einem Violonisten. Die Musik war  kraftvoller Folk auf der akustischen Gitarre, mit englischen, manchmal etwas pathetischen Texten. Das ist gerade in der Punkszene gerade relativ in, was mir auch sehr gut gefällt (als ich das mit meinen Kollegen in den 90ern auch versucht habe, war die Zeit wohl noch nicht reif....). Frank Turner war sicher einer der Auslöser für diese neuerliche Welle, auch wenn er jetzt ganz andere Dinge macht. Manuel Sieg, der Gitarrist von North Alone hat wohl auch mit Turner-Coverversionen begonnen. Machte Spaß ihm zuzuhören, ich habe mir dann auch noch ein T-Shirt gekauft (hübsch, nicht?), auf dem "Verstreu meine Asche auf dem Meer"* steht. Mit "Wenn ich auf dem Boot sterbe"-Themen kriegt man mich eben immer. Das North Alone-Lied Scatter my ashes into the sea ist zwar thematisch etwas nahe am berühmten "Rührseligen Cowboy", wie der Experte bemerkt, aber wirklich ein tolles Lied. Geht mir jetzt die ganze Woche schon im Kopf rum.  Eine tolle Band, was mir besonders gut gefallen hat, war das Zusammenspiel von Violine und Gitarre. Ich hatte nach dem Konzert Gelegenheit, ein paar Worte mit Violonisten So-Kumneth Sim zu wechseln, der klassisch Geige gelernt hat und seit etwa einem Jahr bei den Konzerten dabei ist. North Alone waren auf jeden Fall ein guter Auftakt für das Konzert, werde ich mir auch gerne wieder ansehen.

Danach Lucero. Frau Ackerbau war etwas enttäuscht, weil nunmehr auch der Sänger Vollbart trug und sich damit dem Rest der Band angepasst hatte. Publikum und Band trugen Vollbart und Ganzkörpertatoos (ich war der eine Unillustrierte und Glattrasierte im Publikum).


Einiges der Musik kannte ich vom letzten Konzert, machte live sehr großen Spaß. Man merkt der Band an, dass sie seit einem Jahrzehnt eigentlich dauernd auf Tour ist, eine wirklich angenehme Liveband, die auch vor den spärlichen Zuhörern ihr Bestes gab. Die Musik wirkt zunächst sehr einfach, mit der Zeit merkt man aber, dass da sehr große Könner am Werk sind, die die Lieder nicht überfrachten. Eigentlich wäre die Musik relativ mainstreamtauglich, aber die Band ist halt  in Deutschland eher noch Geheimtipp.



Leider war nach 90 Minuten plötzlich Schluss; nicht einmal eine Zugabe. Im Postbahnhof war anschließend noch irgendeine Disco, so dass Lucero die Bühne räumen mussten. Ben Nichols, der Sänger, meinte später noch, sie hätten noch Stunden weiter spielen wollen, und ich hätte mir's auch gerne angehört. Naja, das nächste Mal wieder 

Dienstag, 6. Mai 2014

Wären die Genies manchmal doch schlampiger!

Ich war schon immer ein großer Beatles-Fan. Die Beatles haben an vielen Stellen das Fundament für die heutige Pop-Musik gelegt und die Musik ist immer noch ein noch nicht ausgeschöpfter Quell der Ideen und der Inspiration. Ein Problem, das man mit den Beatles sicher haben kann, ist ihr unglaublicher Perfektionismus und die Sorgfalt, die auf jeden Aspekt ihrer Lieder verwandt wurde (selbst als sie später wieder versuchten, schlampig zu klingen, taten sie das perfekt schlampig).

Mitte der 80er gab es verschiedene Platten mit bislang unveröffentlichten Versionen der Beatles-Liedern zu erwerben und ich hatte mir damals einige davon zugelegt. Das ermöglichte dann einen etwas anderen Blick. Exemplarisch kann man das an einem Stück "Yes it is" darstellen. "Yes it is" war die B-Seite der "Ticket to ride"-Single von 1965, in einer Phase, in der die Beatles langsam versuchten, neue Dinge zu machen. Das Lied, so wie es dann veröffentlicht wurde, ist nicht übermäßig bemerkenswert; die Gesangsharmonien sind sehr ausgefeilt und das Tempo erscheint ein bisschen zu langsam.

Bei der ersten veröffentlichten Version (ich bin mir nicht sicher, ob es wirklich Take 1 ist, ab und zu wird diese Version auch als Take 13 benannt) hörte es sich noch ein bisschen anders an. Inzwischen gibt's ja YouTube und der ganze Kram ist frei verfügbar (zumindest bis die GEMA zuschlägt):

  Zunächst stellt man fest, dass alle Beteiligten im Tempo etwas wackeln; wenn man sich das Einzählen so anhört, fragt man sich auch unwillkürlich, was da wohl geraucht wurde. Lennons Gesang ist leise und brüchig, die Gitarrenbegleitung sehr zurückhaltend, an manchen Stellen merkt man, dass sich Lennon nicht ganz sicher über Text und/oder Melodie war (es handelte sich wohl auch um eine reine Arbeitsversion). Trotzdem oder gerade deswegen ein wunderbares Lied, tausende Indiebands der Achtziger haben große Mühe aufgewendet, genau diesen Eindruck der genialen Schlampigkeit zu erzeugen.

In der endgültigen Fassung mussten dann alle Schmutzecken aufgeräumt werden, anstelle des brüchigen Charmes finden sich Harmoniegesänge, die sehr fragmentarische zweite Gitarre wird nun flächendeckend gespielt; aus meiner Sicht hätte man es besser bei der Arbeitsversion gelassen. Aber urteilt selbst:

Man kann im Übrigen auch anhören, wie sich das Lied mit den verschiedenen Aufnahmeversuchen verändert hat. Manchmal ist aber eine gute Skizze mehr als ein mittelmäßiges vollständiges Bild. Wenn die oben vorgestellte Version tatsächlich Take 1 war (wofür aus meiner Sicht spricht, dass auf den späteren Takes die Gitarren immer ausgefeilter werden), dann wäre das ein Beleg dafür, dass die erste spontane Befassung manchmal auch die beste ist.


Sonntag, 4. Mai 2014

Bassistenhumor

Neulich bin ich zufällig auf ein Video von Guy Pratt gestoßen. Ich kannte Pratt bis dahin noch nicht, weiß inzwischen, dass er Studiomusiker ist und neuerdings mit Pink Floyd spielt (not my cup of tea, I'm afraid). Er ist offensichtlich ein guter Bassist und es macht Spaß, seine Darbietung von Disco-Basslines anzuhören (dauert nicht lange, lohnt sich).

Und ganz am Schluss macht er noch einen netten Bassisten-Joke, der mich beim ersten Mal ansehen so laut lachen ließ, dass sich J.J. besorgt aus seinem Zimmer erkundigte, was los sei.

Donnerstag, 1. Mai 2014

Stumpfheit oder postmoderne Ironie

Manchmal nicht leicht zu entscheiden. Die Frage, wie bestimmte Lieder zu verstehen zu sind, war ja schon verschiedentlich Thema hier. Gerne macht man ja allgemein den Fehler, dass bestimmte Aussagen oder Haltungen in Songtexten eins zu eins dem Interpreten zugeordnet werden. In dieser Allgemeinheit ist das etwa so, wie in den Berichten von den ersten Aufführungen der "Räuber" vor dörflichem Publikum, bei denen die Besucher nach der  Vorstellung dem Darsteller des Franz Moor auflauerten, um diesem bösen Menschen eine Abreibung zu erteilen. Inzwischen ist das aber eine durchaus verbreitete Haltung, zumindest was die Bewertung von Musiktexten betrifft.

Sicherlich muss man hier zwischen Propaganda-Musik, die deutliche Botschaften formuliert und auch transportieren will, und anderer unterscheiden. Aber auch hier wird es dann manchmal schwierig. Nehmen wir ein Beispiel aus den späten 60er Jahren. Merle Haggard, ein eigentlich ganz passabler Countrysänger, nahm das Stück "Okie from Muskogee" auf. Schon der Titel weist auf einen Hillbilly aus Ohio hin, der Text ließ insoweit auch wenig zu wünschen übrig. Er beschreibt, dass man in Muskogee keine Drogen nimmt, nichts von freier Liebe (sondern lieber Händchen) hält, nicht gegen den Vietnamkrieg protestiert, die Haare kurz trägt und Cowboy-Stiefel für bessere Fußbekleidung als Sandalen hält. Autoritäten werden noch respektiert. Im Refrain wird gesungen, dass man stolz darauf sei, Okie von Muskogee zu sein. Ironische Brechung oder Distanzierung ist nicht zu finden; das Lied wurde schnell ein Hit, man kann annehmen, dass viele hier endlich eine Stimme in der Musik fanden, die sich ansonsten wenig vertreten vorkamen. Damit könnte man die Betrachtung beenden, in Deutschland hatte Freddy Quinn ein paar Jahre vorher einen ähnlich gruseligen Hit, der "Wir" hieß, und der noch mehr als das amerikanische Beispiel voll unterschwelliger Aggressivität gegenüber einer Jugend, die man nicht mehr versteht, und voll beleidigter Leberwurstigkeit ist (hab's mir gerade noch einmal angehört, wirklich kaum zu ertragen; zu dem Lied gibt es hier ein paar Hintergrundinformationen und eine schöne Interpretation.)

Wenn man sich allerdings ansieht, wer Okie relativ bald ins Repertoire aufgenommen hat, kommt man etwas ins Grübeln. Es gibt z.B. eine gemeinsame Liveaufnahme der Beach Boys und von Grateful Dead, in der beide Bands das Lied spielen (für den, der sich mit den Werken beider Bands vertraut machen will, ist das sicher ein denkbar ungeeignetes Lied).
 Man kann sich kaum vorstellen, dass diese Bands ein Lied singen, dessen erste Zeilen: We don't smoke marijuana in Muskogee; We don't take our trips on LSD lauteten. Hier wird das Lied offensichtlich als Hillbilly-Satire gesehen und vom Publikum auch so verstanden.* Dasselbe Lied, das von allen Rednecks begeistert als Positionsbestimmung mitgesungen wird. Wie Merle Haggard das verstanden haben wollte, ist nicht so recht klar, es gibt zum einen die Aussage, dass er mit dem Lied die amerikanischen Truppen unterstützen wollte, zum anderen, dass er bekifft war, als er's geschrieben hatte. Da kann sich's jede Seite heraussuchen.

Es bleibt also der Befund, dass man hier ein Lied hat, das identisch gespielt vom einen Publikum als ernsthaft, vom anderen als Satire angesehen wird. Der Text selbst lässt somit keine Rückschlüsse auf die Haltung des Sängers zu, die kann man, wenn überhaupt, sich aus dem Kontext zusammensuchen. Vollends verwirrend wird es aber dann, wenn sich beide Auffassungen in einer Aufführung überlappen, so z.B. wenn Willie Nelson dieses Lied zusammen mit Merle Haggard spielt.
Das verstehe dann, wer will. Aber vielleicht ist es auch nur eine Erinnerung daran, dass sich nicht aus jedem Text eine politische Haltung destillieren lässt, dass das sogar weder sinnvoll noch notwendig ist, auch wenn die Öffentlichkeit hier inzwischen keine Ambivalenz mehr dulden will.

*Freddy Quinn wurde dann irgendwann auch von den Toten Hosen gecovered; aus meiner Sicht nicht  ganz zu vergleichen, weil das erst Jahrzehnte später war. Auch der Ansatz der Hosen war hier ein anderer (die Spex hatte damals rezensiert: Ich verstehe den Witz, aber ich goutiere ihn nicht. Wäre auch meine Haltung dazu.)