Montag, 4. Mai 2020

Nicht das Ende der Welt

Ende des letzten Jahres bin ich eher durch Zufall bei Twitter über Josienne Clarke gestolpert, die seitdem zu den am häufigsten gehörten Musikerinnen im Haushalt gehört. Josienne Clarke hat nun ein Album von Mr. Alec Bowman, "I used to be sad and then I forget" produziert, das es seit letztem Freitag gibt. Ich habe es mir seitdem schon über fünf mal angehört, man könnte also sagen, dass es mir gut gefällt.

Vor dreißig Jahren saßen wir in der WG-Küche, tranken Rotwein (Le filou rouge) und hörten Leonard Cohen und fühlten uns dann genial oder traurig oder einfach nur betrunken. Ich habe jetzt kein Interesse, meine Zwanziger wieder nachzustellen und auch kein Interesse an Musikern, die die Sechziger nachstellen. Mr Alec Bowman erinnert mich allerdings ein bisschen an Leonard Cohen, er macht auch ruhige Musik, mit bitter-traurigen Texten. Aber da ist nichts nostalgisch und da ist auch nichts rückwärtsgewandt, das ist Musik, die man 2020 gut anhören kann und zu der man, so man denn will, auch Rotwein trinken kann (inzwischen kann ich mir auch etwas besseres als Le filou rouge leisten). Was mich an der Musik fasziniert, ist, dass sich hinter den zunächst so einfachen Liedern so viel mehr versteckt, wunderbare Arrangement-Ideen, kleine Soundschnipsel. Man kann die Musik gut hören, wenn man früher Leonard Cohen mochte, man kann sie auch gut hören, wenn man Nikki Sudden mochte, wahrscheinlich auch, wenn man Nick Cave mochte (hier bin ich nicht qualifiziert, eine Meinung zu haben).

Eine Liveversion des schönen Lieds Long Goodbyes (das auf der LP noch schöner arrangiert ist), kann man hier sehen: Ein Quarantänevideo bei den Müllcontainern. Josienne Clarke sitzt hinter Bowman, dreht während der ersten Strophe versonnen an ihrem Ring am Finger und singt dann leise beim Refrain mit. Diese Unmittelbarkeit gefällt mir natürlich, die Platte selbst ist dann noch um einiges kunstfertiger, ohne dass sie einem die Virtuosität ins Gesicht klatscht.
Wahrscheinlich gefällt mir an der Musik der beiden (die oberflächlich ähnlich, aber doch sehr verschieden ist), dass sie sich ganz offensichtlich nicht mehr darum kümmern, ob das, was sie machen cool ist oder was erwartet wird, sie machen es einfach. Das hat sicher auch damit zu tun, dass beide vorher in anderen Konstellationen Musik gemacht haben, die dies nicht ermöglicht haben.

Das letzte Lied der LP ist Never the end of the world. Der letzte Vers, die letzten Zeilen des Albums, haben es in sich. Hört es euch an.

4 Kommentare:

  1. Bin sehr begeistert, ich mag nämlich diese scheinbare Spontanität und Natürlichkeit. Da steckt sicher viel Erfahrung hinter, und mir sehr sympathische Stimmen sind es auch. Danke für den Tipp, bestelle ich sofort.

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  2. Danke für den Tipp, hab mir gerade seine CD auf bandcamp gekauft. :)

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