Mittwoch, 28. August 2019

"Tanzen Sie, Mr. Stringer, tanzen Sie!"

(Der große Spätsommer-Konzertmarathon.)

B. ist auf Besuch, also machen wir uns auf den Weg zum Schokoladen, wo die Liga der gewöhnlichen Gentlemen spielen sollen. Frau Ackerbau lässt sich auch noch überreden mitzukommen. Die Liga habe ich schon mal live gesehen, auch schon wieder fünf Jahre her, 2014 als die Welt noch heil war.

Der Schokoladen ist ein exquisiter Konzertort in der Ackerstraße, es passen vielleicht 100 Leute herein, das Bier ist billig. Am heutigen Tag ist schon bevor es überhaupt losgeht in dem Laden eigentlich kein Sauerstoff mehr, so heiß und stickig ist es. Also lassen wir uns stempeln und stellen uns, ganz berlintypisch und eigentlich so wie bei den Konzerten vor 30 Jahren, mit Bierflasche vor den Laden. Draußen stehen auch schon Teile der Band, ein netter Mensch kommt vorbei und verteilt Freibier (Astra, allerdings, obwohl es im Schokoladen auch Augustiner gibt). Wir beschließen hineinzugehen, bevor es total voll wird und machen dabei die beste strategische Entscheidung des Abends: Wir stellen uns einfach vor den Ventilator, was wirklich der beste Platz überhaupt war. Die Liga beginnt dann zu spielen, sie stellen ihre neue Platte "Fuck dance, let's art" vor. Das ganze Setting ist sehr familiär, die meisten im Publikum kennen sich irgendwie. Die Musik der Liga der gewöhnlichen Gentlemen kann man ja am ehesten mit punkigem Northern Soul mit deutschen Texten beschreiben, heute sind sie ohne Blasinstrumente da, was eher zu einem punkigen Beatkonzert führt, etwa so als würden die Cockney Rejects die erste Beatles-LP spielen. Alles sehr schön, wir sind bester Laune, B. erwähnt das für diesen Post titelgebende Zitat (an alle, die das Zitat einordnen können: Ihr seid alt!).

Alles hopst und singt bereitwillig mit (der Chor "Häßlich und faul, Musik und der HSV" wird mir noch lange im Ohr bleiben). Die Band ist im besten Sinne eigenwillig, da gibt es dann eben ein Lied über Matrazenconcord. Der Sänger hadert mit einer Besprechung der LP bei Radio eins, bei der die Musikjournalisten nun überhaupt nicht verstanden haben, worum es der Band geht und worum es bei der Band geht.

Was soll's, wir haben Spaß.

Als die Liga kurz vor 22 Uhr aufhören, kann ich meine Begleiterinnen noch überzeugen zu dem, ähm, Radio eins Fest am Gleisdreieck zu gehen, wo genau um diese Zeit Bob Mould spielen soll. Wir machen uns auf zur S-Bahn, müssen dann an der Yorckstraße dem Radau nachgehen, um die Bühne zu finden. Wir kriegen noch die letzte Hälfte vom Bob-Mould-Set mit, er spielt allein mit elektrischer Gitarre, in die er ziemlich eindrischt. Seltsamerweise ergibt das aber immer noch einen relativ differenzierten Klangteppich, Akkorde mit vielen kleinen Melodiestückchen darin. Ich erkenne ein paar Lieder von der ersten Solo-LP, eines aus Sugar-Tagen, leider nichts von Hüsker Dü (das gab es bevor wir kamen). Mould sieht mit weißem kurzen Vollbart, Glatze und runder Brille aus wie ein Gemeinschaftskundelehrer kurz vor der Pensionierung. Er strahlt wieder eine unglaublich positive Energie aus, das begeistert mich sehr. Ich bin mir nicht sicher, wie viele der Leute im Publikum eigentlich eine Ahnung haben, wer da vor ihnen steht. Um 11 Uhr beendet der Moderator das Konzert, ein paar Unentwegte wollen noch New Day Rising hören, aber geht nicht, wegen Lärmschutz. Beglückt, beschwipst und mit schmerzenden Beinen ging's nach Hause.

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