Wie kann man besser das Jahr beginnen als mit einem positiven Song? Sonic Boom Six haben 2016 die sehr schöne und kluge CD "The F Bomb" herausgebracht, die L.O.V.E. enthält, ein Lied gegen den Hass, verpackt in eine Art herben Disco-Soul.
Das Lied ist ein tanzbares Kampflied für die kommenden Zeiten. Wen das Bild der verschleierten Sängerin Laila Khan auf dem Cover misstrauisch macht, der möge sich das ebenfalls fantastische "No man no right", das alle Fragen zu dem Selbstverständnis der Band beantwortet, anhören. Und wenn man schon dabei ist, dann auch noch "From the fire in the frying pan", immer noch eines der klügsten Lieder über Online-Radikalisierung.
(In den Youtube-Kommentaren kann man es nachlesen: Die Nazis fanden das Lied nicht gut.)
Warum die Band und die CD nicht erfolgreicher waren, ich weiß es wirklich nicht. Für mich aber immer eine gute Ressource, um Kraft und gute Laune zu sammeln.
Montag, 31. Dezember 2018
Samstag, 29. Dezember 2018
Die Platten des Jahres
2018 war für mich musikalisch überraschendes Jahr. Ich habe wahrscheinlich schon über dreißig Jahre lang kaum Alben gekauft, die neu herausgekommen sind. 2018 hat mir allerdings sogar fünf Neuerscheinungen beschert, die meisten davon sogar von Leuten, die jünger sind als ich. Wie kommt es, dass ich inzwischen wieder kontemporäre Musik höre? Im Wesentlichen dadurch, dass ich viel auf Konzerten war und einige Bands gesehen habe (ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie ich ansonsten interessante Musik kennenlernen könnte).
Also meine persönliche Top 5 des Jahres 2018 (in no particular order):
Frank Turner - Be more kind
Ich sehe Frank Turner ja immer gerne live, mag aber seine frühen Platten lieber als die späten. Er bewegt sich ja musikalisch immer weiter in den Mainstream, channelt seinen inneren Springsteen und probiert auf Be more kind auch ein paar Ausflüge in den 80er Pop. Trotzdem mag ich die neue Platte sehr gerne. Be more kind ist ein schönes Motto für diese schlimmen Zeiten und Frank Turner hat ein paar schöne politischen Lieder untergebracht. Ein schönes Album.
Robert Rotifer - Unter uns
Robert Rotifer, der seit langer Zeit im UK lebt, hat ein deutschsprachiges Album mit fragiler Gitarrenmusik aufgenommen, das den Brexit behandelt. Die Lieder haben sich bei mir im Kopf festgehakt, sie sind auch außerhalb des UKs ein Soundtrack für eine Zeit, in der alles, was man für selbstverständlich und gegeben angesehen hat, zerbricht und zerbröckelt. "Ohne Not" ist ein Lied über das ich lang und viel nachgedacht habe.
Art Brut - Wham! Bang! Pow! Let's Rock out!
Art Brut, die 2005 mit Bang! Bang! Rock & Roll großen Erfolg im UK hatten, haben 2018 ihr erstes Album seit 2011 herausgebracht. Der Sänger Eddie Argos wohnt ja seit einiger Zeit in Pankow, die Band war mir aber schon aufgefallen, bevor ich das wusste. Ein Art Brut-Song war in gewisser Weise mein Ansporn, 2010 meine damalige Arbeit zu kündigen, allein dafür bin ich der Band dankbar.
Art Brut haben es mit der neuen LP geschafft, eine intelligente Britpop-Platte zu machen, die offenbar diejenigen anspricht, die nunmehr Mitte oder Ende Dreißig sind und sich noch einmal mitreißen lassen wollen. Und Art Brut schaffen das auch gut, ohne große Anwanzerei, ohne zu sehr in Nostalgie zu verfallen und ohne Altherrenmusik zu machen. Das ist schön. Musikalisch hören sich Art Brut abwechslungsreich wie nie an, es finden sich Punk, Britpop und Northern Soul. Und wo findet sich schon ein Lied mit dem Refrain "Kannst du bitte die Luft aus dem Glas lassen?"
Nightingales - Perish the thought
Die Nightingales sind in dieser Auflistung die Ausnahme, weil zumindest der Sänger Robert Lloyd älter ist als ich. Vor Jahrzehnten hatte ich mal die erste LP gekauft, tatsächlich habe ich dann erst vor einiger Zeit festgestellt, dass es die Band noch gibt. Und ich muss sagen, dass ich sehr begeistert war. Die Nightingales verarbeiten für ihre Musik alle möglichen Einflüsse und Stile, trotzdem bleibt die Band immer klar erkennbar. Sie tun das mit großer Könnerschaft. Darüber ist Robert Lloyds Stimme, die von tiefsten Tiefen bis zu hohem spröden Vibrieren alles kann. Bei den neueren Aufnahmen oft im Duett mit der Schlagzeugerin Fliss Kitson. Das Ganze erinnert mich (weniger von der Musik, als vom grundsätzlichen Ansatz) an den Gun Club. Eine LP, die man wahrscheinlich ein paar Mal anhören muss, aber die einem dann nachhaltig im Gedächtnis bleibt.
Sean MacGowan - Son of the Smith
Der Jüngste der hier vertretenen Runde mit seinem Debutalbum. Viel jugendliche Energie, schöne Melodien, gute Texte. Gerne gehört im letzten Jahr.
Also meine persönliche Top 5 des Jahres 2018 (in no particular order):
Frank Turner - Be more kind
Ich sehe Frank Turner ja immer gerne live, mag aber seine frühen Platten lieber als die späten. Er bewegt sich ja musikalisch immer weiter in den Mainstream, channelt seinen inneren Springsteen und probiert auf Be more kind auch ein paar Ausflüge in den 80er Pop. Trotzdem mag ich die neue Platte sehr gerne. Be more kind ist ein schönes Motto für diese schlimmen Zeiten und Frank Turner hat ein paar schöne politischen Lieder untergebracht. Ein schönes Album.
Robert Rotifer - Unter uns
Robert Rotifer, der seit langer Zeit im UK lebt, hat ein deutschsprachiges Album mit fragiler Gitarrenmusik aufgenommen, das den Brexit behandelt. Die Lieder haben sich bei mir im Kopf festgehakt, sie sind auch außerhalb des UKs ein Soundtrack für eine Zeit, in der alles, was man für selbstverständlich und gegeben angesehen hat, zerbricht und zerbröckelt. "Ohne Not" ist ein Lied über das ich lang und viel nachgedacht habe.
Art Brut - Wham! Bang! Pow! Let's Rock out!
Art Brut, die 2005 mit Bang! Bang! Rock & Roll großen Erfolg im UK hatten, haben 2018 ihr erstes Album seit 2011 herausgebracht. Der Sänger Eddie Argos wohnt ja seit einiger Zeit in Pankow, die Band war mir aber schon aufgefallen, bevor ich das wusste. Ein Art Brut-Song war in gewisser Weise mein Ansporn, 2010 meine damalige Arbeit zu kündigen, allein dafür bin ich der Band dankbar.
Art Brut haben es mit der neuen LP geschafft, eine intelligente Britpop-Platte zu machen, die offenbar diejenigen anspricht, die nunmehr Mitte oder Ende Dreißig sind und sich noch einmal mitreißen lassen wollen. Und Art Brut schaffen das auch gut, ohne große Anwanzerei, ohne zu sehr in Nostalgie zu verfallen und ohne Altherrenmusik zu machen. Das ist schön. Musikalisch hören sich Art Brut abwechslungsreich wie nie an, es finden sich Punk, Britpop und Northern Soul. Und wo findet sich schon ein Lied mit dem Refrain "Kannst du bitte die Luft aus dem Glas lassen?"
Nightingales - Perish the thought
Die Nightingales sind in dieser Auflistung die Ausnahme, weil zumindest der Sänger Robert Lloyd älter ist als ich. Vor Jahrzehnten hatte ich mal die erste LP gekauft, tatsächlich habe ich dann erst vor einiger Zeit festgestellt, dass es die Band noch gibt. Und ich muss sagen, dass ich sehr begeistert war. Die Nightingales verarbeiten für ihre Musik alle möglichen Einflüsse und Stile, trotzdem bleibt die Band immer klar erkennbar. Sie tun das mit großer Könnerschaft. Darüber ist Robert Lloyds Stimme, die von tiefsten Tiefen bis zu hohem spröden Vibrieren alles kann. Bei den neueren Aufnahmen oft im Duett mit der Schlagzeugerin Fliss Kitson. Das Ganze erinnert mich (weniger von der Musik, als vom grundsätzlichen Ansatz) an den Gun Club. Eine LP, die man wahrscheinlich ein paar Mal anhören muss, aber die einem dann nachhaltig im Gedächtnis bleibt.
Sean MacGowan - Son of the Smith
Der Jüngste der hier vertretenen Runde mit seinem Debutalbum. Viel jugendliche Energie, schöne Melodien, gute Texte. Gerne gehört im letzten Jahr.
Sonntag, 23. Dezember 2018
Weihnachtsmusik
Ich sitze hier gerade und höre Johnny Cash "It was Jesus" (das muss man hören, um es zu glauben). Es gibt aber auch noch andere Weihnachtsmusik der etwas anderen Art (die Auswahl der letzten Jahre findet man hier versammelt).
Kurz vor Weihnachten, am 22.12. verstarb 1985 D. Boon, der Gitarrist und Sänger der Minutemen. Die Minutemen haben jetzt vielleicht nicht Weihnachtsmusik im engeren Sinne gemacht, in Gedenken an D. kann man aber thematisch passend das schöne Lied "Jesus and Tequila" hören.
Ein anderer Großer, der jetzt knapp 60 wäre, wenn er nicht 1996 gestorben wäre, hat auch ein Lied gemacht, das jetzt vielleicht nicht so unmittelbar weihnachtlich ist, in dem allerdings ein Weihnachtsbaum vorkommt (aus mir nicht mehr recht erinnerlichen Gründen fiel mir das gestern ein). Jeffrey Lee Pierce singt in "Sex beat" davon, dass er vor dem Weihnachtsbaum zu Boden geschmissen wird. Folgt darauf ein Kampf oder Geschlechtsverkehr? Nicht leicht herauszufinden, beim Gun Club war das immer auch irgendwie schwer zu unterscheiden. Aber "Sex beat" ist eines der Lieder, das man hört und danach ist nichts mehr, wie es vorher war.
(Und während ich hier nach den geeigneten YT-Videos sehe, stelle ich fest, dass die Band das Lied live tatsächlich einmal mit ein paar Tönen von Jingle Bells eingeleitet hat. Die verschiedenen Liveversionen von "Sex beat" durchzuhören ersetzt auch jede Droge.)
Bei der Weihnachtsmusik kommt man dieses Jahr natürlich nicht um Pankow's very own Eddie Argos vorbei, der mit Gurr (eine nette Berliner Band, die ich bislang noch nicht auf dem Schirm hatte) eine Weihnachtssingle aufgenommen hat. Das hat tatsächlich einen sehr netten B52s-Vibe:
(Allein Eddie Argos brüllen zu hören: "Silent night, holy night, everything is gonna be alright" ist es wert. Ein weiteres nettes Weihnachtslied von Gurr findet sich hier.)
Zum Abschluss - nachdem sich seine Verwandschaft unter den Leserinnen dieses Blogs findet - noch ein Weihnachtslied vom King, das tatsächlich viel besser ist als sein Titel vermuten lässt:
Frohes Fest!
Kurz vor Weihnachten, am 22.12. verstarb 1985 D. Boon, der Gitarrist und Sänger der Minutemen. Die Minutemen haben jetzt vielleicht nicht Weihnachtsmusik im engeren Sinne gemacht, in Gedenken an D. kann man aber thematisch passend das schöne Lied "Jesus and Tequila" hören.
Ein anderer Großer, der jetzt knapp 60 wäre, wenn er nicht 1996 gestorben wäre, hat auch ein Lied gemacht, das jetzt vielleicht nicht so unmittelbar weihnachtlich ist, in dem allerdings ein Weihnachtsbaum vorkommt (aus mir nicht mehr recht erinnerlichen Gründen fiel mir das gestern ein). Jeffrey Lee Pierce singt in "Sex beat" davon, dass er vor dem Weihnachtsbaum zu Boden geschmissen wird. Folgt darauf ein Kampf oder Geschlechtsverkehr? Nicht leicht herauszufinden, beim Gun Club war das immer auch irgendwie schwer zu unterscheiden. Aber "Sex beat" ist eines der Lieder, das man hört und danach ist nichts mehr, wie es vorher war.
(Und während ich hier nach den geeigneten YT-Videos sehe, stelle ich fest, dass die Band das Lied live tatsächlich einmal mit ein paar Tönen von Jingle Bells eingeleitet hat. Die verschiedenen Liveversionen von "Sex beat" durchzuhören ersetzt auch jede Droge.)
Bei der Weihnachtsmusik kommt man dieses Jahr natürlich nicht um Pankow's very own Eddie Argos vorbei, der mit Gurr (eine nette Berliner Band, die ich bislang noch nicht auf dem Schirm hatte) eine Weihnachtssingle aufgenommen hat. Das hat tatsächlich einen sehr netten B52s-Vibe:
(Allein Eddie Argos brüllen zu hören: "Silent night, holy night, everything is gonna be alright" ist es wert. Ein weiteres nettes Weihnachtslied von Gurr findet sich hier.)
Zum Abschluss - nachdem sich seine Verwandschaft unter den Leserinnen dieses Blogs findet - noch ein Weihnachtslied vom King, das tatsächlich viel besser ist als sein Titel vermuten lässt:
Frohes Fest!
Freitag, 21. Dezember 2018
Der kleine Nerd
Im Fernsehen läuft "Der kleine Lord", Grund genug wieder auf die Originalversion des Liedes "Golden Slippers" hinzuweisen, das im Film vorkommt, 1927 gesungen von den Kanawha Singers. Enjoy!
Montag, 10. Dezember 2018
Hey Bulldog
Schon immer eines meiner Lieblings-Beatles-Lieder, das aber auf der Yellow Submarine LP versteckt war. Den Erzählungen nach wurde es auf der Grundlage einiger Liedideen schnell aufgenommen, als die Beatles noch ein paar Stunden Zeit im Studio hatten. Dieses Promovideo kannte ich bis vor kurzem noch gar nicht; wahrscheinlich eine der letzten Gelegenheiten, als John und Paul noch gemeinsam sangen. Als Kind hat mir an dem Lied immer am Besten gefallen, wie sich die zwei am Schluss gegenseitig anbellen. Später haben wir das Lied auch ab und zu live gespielt; den Refrain habe ich immer gerne gesungen.
Mittwoch, 5. Dezember 2018
Krankenhaus
Neues von Art Brut, nach über sieben Jahren mal wieder ein neues Album. Ich bin ja vor etwa 10 Jahren eher zufällig auf die Band gestoßen. Als deutlich Älterer fand ich hier den Schwung und Do-it-yourself-Geist der Punkszene, die ich miterlebt hatte, gut weitergeführt. Eigentlich hatte ich ja schon gedacht, dass bei gitarrenlastiger Indiemusik nichts mehr kommt; Art Brut waren für mich auch der Anstoß, mich wieder mehr mit zeitgenössischem Krach zu beschäftigen.
Dem neuen Album "Wham! Bang! Pow! Let's rock out" merkt man an, dass Sänger Eddie Argos inzwischen in Berlin lebt, ein paar Berliner Themen haben den Weg in die Lieder gefunden. Bei dem folgenden Lied "Hospital" geht es auch um ein Berliner Krankenhaus (allerdings nicht um die Pankower "Maria Heimsuchung"). Ein schönes Lied, mit einem mindestens ebenso schönem Video.
Dem neuen Album "Wham! Bang! Pow! Let's rock out" merkt man an, dass Sänger Eddie Argos inzwischen in Berlin lebt, ein paar Berliner Themen haben den Weg in die Lieder gefunden. Bei dem folgenden Lied "Hospital" geht es auch um ein Berliner Krankenhaus (allerdings nicht um die Pankower "Maria Heimsuchung"). Ein schönes Lied, mit einem mindestens ebenso schönem Video.
Sonntag, 2. Dezember 2018
Track a' lackin'
Noch einmal ein Wort zu Xylaroo, den zwei Londoner Schwestern, die bei Frank Turner im Vorprogramm gespielt haben. Ich habe mir ihre 2016er CD Sweetooth jetzt häufig durchgehört, man findet schön arrangierten Folk, mit modernen Texten. Ich halte es ja für sehr gut, dass es auch neuen Folk gibt, der von jungen Frauen und nicht nur von nachdenklichen tätowierten jungen Männern mit Bart gespielt wird. Außerdem scheinen mir die Texte von Xylaroo frischer als bei vielen anderen Neofolk-Combos, die ja gerne ein bisschen im Klischee versinken.
Das Konzert fand ich aber fast noch überzeugender als die CD, weil die Lieder dort eben etwas unmittelbarer und schroffer dargeboten wurden. Einen guten Einblick gibt hier diese Aufnahme vom Frühling dieses Jahres von Track a' lackin'. Ein schöner dunkler Ohrwurm.
Das Konzert fand ich aber fast noch überzeugender als die CD, weil die Lieder dort eben etwas unmittelbarer und schroffer dargeboten wurden. Einen guten Einblick gibt hier diese Aufnahme vom Frühling dieses Jahres von Track a' lackin'. Ein schöner dunkler Ohrwurm.
Freitag, 23. November 2018
Seid nett zu einander! (Frank Turner in der Columbiahalle)
Es war mal wieder so weit, Frank Turner, der freundliche Punkmusiker, war in Berlin, und größere Teile der Familie Ackerbau machten sich auf zum Konzert. In den letzten Jahren waren die Konzerte von Frank Turner nicht nur ein guter Schub positiver Energie, sondern auch immer eine Gelegenheit, neue Bands und Musiker kennenzulernen. Frühere Vorbands umfassten John Allen, Lucero, Will Varley und Skinny Lister, Bands und Musiker, die ich ansonsten nicht kennengelernt hätte, und jetzt sehr schätze.
Es beginnt mit Xylaroo, zwei Schwestern (eine Sängerin, und eine Sängerin mit akustischer Gitarre) und einem Gitarristen. Xylaroo machen eine Art ruhigen Folk, der vielleicht anfangs ein bisschen an Tracy Chapman erinnert. Ich bin beeindruckt, wie präzise das Trio das Tempo hält, was ja ohne Schlagzeug nicht ganz so einfach ist. Anfangs war ich noch etwas verhalten, die letzten Lieder, bei denen auch der gemeinsame Gesang der beiden Schwestern phantastisch ist, überzeugen mich dann aber nachhaltig.
Danach die kanadische Band Pup, die irgendwie Emocore machen, ziemliches Rumgeballere. Frau Ackerbau ist für derlei Musik ja eigentlich gar nicht zu haben, sie findet allerdings die Jungs irgendwie knuffig. Das sind sie auch, sie überraschen auch durch schönen, teils mehrstimmigen Gesang, aber so richtig überzeugen können sie uns nicht. Der Bassist wird vom Sänger mit den Worten zitiert: "Niemand kann diese Band so hassen wie ich", jeder im Publikum, der schon einmal in einer Band gespielt hat, kann das vollkommen verstehen.
Nach kurzer Umbaupause kommt dann Frank Turner mit seiner Band, den Sleeping Souls. Musikalisch ist er ja inzwischen eher auf der Springsteen-/Powerrock-Schiene unterwegs, nennt das Konzert aber eine "Punkrock-Show"; aus meiner Sicht vollkommen in Ordnung, weil Punk ja ohnehin eine Geisteshaltung ist, die nicht unbedingt etwas mit Musikgenres zu tun hat. Und außerdem definiert sich ja jeder ohnehin selbst, was er darunter verstehen mag. Turner gibt als erste Regel für das Konzert aus: Don't be an asshole (vom Gitarristen hilfreich übersetzt mit "Keine Scheißekopf hier"). Das ist, wie alles bei Turner, sehr sympathisch und zumindest ich hätte mir gewünscht, dass dieser Grundsatz auch vor 30 Jahren auf Punkkonzerten gegolten hätte. Da war es aber eher andersrum.
Turner beginnt mit einem Lied von der neuen Platte, das "1933" heißt und das ich manchmal anhöre, wenn ich auch nicht mehr weiter weiß mit der aktuellen Politik. "Mache nicht den Fehler, den Feuerschein deines brennenden Hauses mit der Morgendämmerung zu verwechseln." Word.
Es folgen Lieder der letzten zwei Platten, teilweise sehr poppig, aber das Konzert bleibt mitreißend und eine gute Gelegenheit herumzuhopsen. Turner ärgert zwischendurch das Publikum mit Ansagen, dass letzthin in Wiesbaden oder Hamburg mehr los gewesen sei. Irgendwann dann der Titelsong der neuen Platte "Be more kind", ein Aufruf, sich freundlicher und großzügiger zu verhalten. Auch das ist ein Lied, das ich als tröstlich empfinde. Und es stimmt auch: Wir werden nichts im Großen erreichen, wenn wir nicht auch im Kleinen menschlich werden. Es ist allerdings interessant, dass Turner, der erklärte Atheist, inzwischen Lieder schreibt, die auch Kirchentagshymnen sein könnten (das gilt vor allem auch für "Don't Worry").
Nach ein paar Liedern, die er allein auf der akustischen Gitarre spielt, kommen die alten Hits. Normalerweise bin ich kein Freund allzu langer Konzerte, hier wird aber keine Minute langweilig, es ist eine sehr angenehme Stimmung mit viel Kommunikation zwischen Band und Publikum. Ein Teil ist zwar das Rock-Animations-Gehabe, das ich normalerweise nicht abkann, aber Turner ist einfach ein sehr sympathischer Musiker. Am Schluss holt er die Vorbands noch einmal auf die Bühne, auch das eine schöne Geste, und er meint, dass es am Abend geklappt habe, dass man gemeinsam gefeiert habe, ohne dass irgendetwas passiert sei, wenn jemand beim Pogo umgefallen sei, hätten ihm andere aufgeholfen. Er stellt die Frage, warum das inzwischen nur noch bei Punkkonzerten funktioniere und nicht im sonstigen Zusammenleben, und fordert alle auf, diesen Spirit nach draußen zu tragen.
Mann, mann, mann, wenn vor dreißig Jahren eine Band aufgerufen hätte, sich draußen genauso zu benehmen wie beim Punkkonzert, dann wäre das ein Aufruf zu Sachbeschädigung und Körperverletzung gewesen, aber die Zeiten haben sich geändert.
Am Schluss sind Band und Zuhörer kaputt gespielt, aber wahrscheinlich geht tatsächlich jeder mit einem Stück positiver Energie heraus. Das ist doch schon was.
Es beginnt mit Xylaroo, zwei Schwestern (eine Sängerin, und eine Sängerin mit akustischer Gitarre) und einem Gitarristen. Xylaroo machen eine Art ruhigen Folk, der vielleicht anfangs ein bisschen an Tracy Chapman erinnert. Ich bin beeindruckt, wie präzise das Trio das Tempo hält, was ja ohne Schlagzeug nicht ganz so einfach ist. Anfangs war ich noch etwas verhalten, die letzten Lieder, bei denen auch der gemeinsame Gesang der beiden Schwestern phantastisch ist, überzeugen mich dann aber nachhaltig.
Danach die kanadische Band Pup, die irgendwie Emocore machen, ziemliches Rumgeballere. Frau Ackerbau ist für derlei Musik ja eigentlich gar nicht zu haben, sie findet allerdings die Jungs irgendwie knuffig. Das sind sie auch, sie überraschen auch durch schönen, teils mehrstimmigen Gesang, aber so richtig überzeugen können sie uns nicht. Der Bassist wird vom Sänger mit den Worten zitiert: "Niemand kann diese Band so hassen wie ich", jeder im Publikum, der schon einmal in einer Band gespielt hat, kann das vollkommen verstehen.
Nach kurzer Umbaupause kommt dann Frank Turner mit seiner Band, den Sleeping Souls. Musikalisch ist er ja inzwischen eher auf der Springsteen-/Powerrock-Schiene unterwegs, nennt das Konzert aber eine "Punkrock-Show"; aus meiner Sicht vollkommen in Ordnung, weil Punk ja ohnehin eine Geisteshaltung ist, die nicht unbedingt etwas mit Musikgenres zu tun hat. Und außerdem definiert sich ja jeder ohnehin selbst, was er darunter verstehen mag. Turner gibt als erste Regel für das Konzert aus: Don't be an asshole (vom Gitarristen hilfreich übersetzt mit "Keine Scheißekopf hier"). Das ist, wie alles bei Turner, sehr sympathisch und zumindest ich hätte mir gewünscht, dass dieser Grundsatz auch vor 30 Jahren auf Punkkonzerten gegolten hätte. Da war es aber eher andersrum.
Turner beginnt mit einem Lied von der neuen Platte, das "1933" heißt und das ich manchmal anhöre, wenn ich auch nicht mehr weiter weiß mit der aktuellen Politik. "Mache nicht den Fehler, den Feuerschein deines brennenden Hauses mit der Morgendämmerung zu verwechseln." Word.
Es folgen Lieder der letzten zwei Platten, teilweise sehr poppig, aber das Konzert bleibt mitreißend und eine gute Gelegenheit herumzuhopsen. Turner ärgert zwischendurch das Publikum mit Ansagen, dass letzthin in Wiesbaden oder Hamburg mehr los gewesen sei. Irgendwann dann der Titelsong der neuen Platte "Be more kind", ein Aufruf, sich freundlicher und großzügiger zu verhalten. Auch das ist ein Lied, das ich als tröstlich empfinde. Und es stimmt auch: Wir werden nichts im Großen erreichen, wenn wir nicht auch im Kleinen menschlich werden. Es ist allerdings interessant, dass Turner, der erklärte Atheist, inzwischen Lieder schreibt, die auch Kirchentagshymnen sein könnten (das gilt vor allem auch für "Don't Worry").
Nach ein paar Liedern, die er allein auf der akustischen Gitarre spielt, kommen die alten Hits. Normalerweise bin ich kein Freund allzu langer Konzerte, hier wird aber keine Minute langweilig, es ist eine sehr angenehme Stimmung mit viel Kommunikation zwischen Band und Publikum. Ein Teil ist zwar das Rock-Animations-Gehabe, das ich normalerweise nicht abkann, aber Turner ist einfach ein sehr sympathischer Musiker. Am Schluss holt er die Vorbands noch einmal auf die Bühne, auch das eine schöne Geste, und er meint, dass es am Abend geklappt habe, dass man gemeinsam gefeiert habe, ohne dass irgendetwas passiert sei, wenn jemand beim Pogo umgefallen sei, hätten ihm andere aufgeholfen. Er stellt die Frage, warum das inzwischen nur noch bei Punkkonzerten funktioniere und nicht im sonstigen Zusammenleben, und fordert alle auf, diesen Spirit nach draußen zu tragen.
Mann, mann, mann, wenn vor dreißig Jahren eine Band aufgerufen hätte, sich draußen genauso zu benehmen wie beim Punkkonzert, dann wäre das ein Aufruf zu Sachbeschädigung und Körperverletzung gewesen, aber die Zeiten haben sich geändert.
Am Schluss sind Band und Zuhörer kaputt gespielt, aber wahrscheinlich geht tatsächlich jeder mit einem Stück positiver Energie heraus. Das ist doch schon was.
Samstag, 17. November 2018
Alles andere ist wurscht
JJ macht im Musikunterricht bei einem Projekt mit, bei dem mehrere Schüler ein Lied aufführen. Er hat sich dafür entschieden, Bass zu spielen (aus der richtigen Erwägung heraus, dass es zwar schwer ist, gut Bass zu spielen, es aber jedem Menschen mit zwei Händen schnell möglich ist, ein einfaches Lied am Bass zu begleiten). Er bat mich deswegen um eine kurze Basslektion, die Tabulatur war schnell geschrieben.
Das Lied ist leider das furchtbare "Nothing else matters" von Metallica. Wer hier schon eine Zeitlang mitliest, kennt meine generelle Einstellung zu Heavy Metal. Nothing else matters ist aber schon besonders unangenehm (vom Standpunkt eines Bassspielers allerdngs wenig beanspruchend). Wir haben uns dann umgesehen, was für Versionen es von dem Lied gibt und hatten damit einen relativ vergnügten Abend mit Youtube. Die Heavy-Cover sind ja alle erwartbar (wir haben uns sogar ca. 30 Sekunden Doro Pesch angehört), aber das Lied lockt alle möglichen abseitigen Geschmäcker an. Offenbar ist Nothing else matters ein beliebtes Lied für alle möglichen Coverbands. Man kann sich eine Version als Hochzeitswalzer anhören, eine mit gregorianischen Gesängen, eine auf der Kirchenorgel, eine vom Kinderchor des bulgarischen Fernsehorchesters, eine Shakira-Version, eine Kirchenversion für die Hochzeit; sie alle vereint, dass sie abgrundtief gräßlich sind. Ich bedauere ein bisschen, dass ich nichts vom Crazy Frog und von den Schlümpfen dazu gefunden habe.
Es gibt ein paar Versuche, ein Jazzlied daraus zu machen, z.B. von der geschätzten Macy Gray, aber dieses pathetische Gerumpel kriegt man halt nicht zum swingen. (Ich verlinke das alles nicht, das lässt sich über Youtube problemlos finden und man wird feststellen, da gibt es noch größere Unsäglichkeiten).
Ich bin allerdings wie immer zu weichherzig, es gibt ja eine Band, der ich Heavy-Metal-Lieder nicht übel nehmen kann. Das folgende Cover der Finnen von Steve 'n' Seagulls ist in Ordnung:
Das Lied ist leider das furchtbare "Nothing else matters" von Metallica. Wer hier schon eine Zeitlang mitliest, kennt meine generelle Einstellung zu Heavy Metal. Nothing else matters ist aber schon besonders unangenehm (vom Standpunkt eines Bassspielers allerdngs wenig beanspruchend). Wir haben uns dann umgesehen, was für Versionen es von dem Lied gibt und hatten damit einen relativ vergnügten Abend mit Youtube. Die Heavy-Cover sind ja alle erwartbar (wir haben uns sogar ca. 30 Sekunden Doro Pesch angehört), aber das Lied lockt alle möglichen abseitigen Geschmäcker an. Offenbar ist Nothing else matters ein beliebtes Lied für alle möglichen Coverbands. Man kann sich eine Version als Hochzeitswalzer anhören, eine mit gregorianischen Gesängen, eine auf der Kirchenorgel, eine vom Kinderchor des bulgarischen Fernsehorchesters, eine Shakira-Version, eine Kirchenversion für die Hochzeit; sie alle vereint, dass sie abgrundtief gräßlich sind. Ich bedauere ein bisschen, dass ich nichts vom Crazy Frog und von den Schlümpfen dazu gefunden habe.
Es gibt ein paar Versuche, ein Jazzlied daraus zu machen, z.B. von der geschätzten Macy Gray, aber dieses pathetische Gerumpel kriegt man halt nicht zum swingen. (Ich verlinke das alles nicht, das lässt sich über Youtube problemlos finden und man wird feststellen, da gibt es noch größere Unsäglichkeiten).
Ich bin allerdings wie immer zu weichherzig, es gibt ja eine Band, der ich Heavy-Metal-Lieder nicht übel nehmen kann. Das folgende Cover der Finnen von Steve 'n' Seagulls ist in Ordnung:
Mittwoch, 7. November 2018
Sean McGowan & die Levellers
Ich war dieses Jahr wirklich auf vielen Konzerten, Live-Musik tut mir gerade sehr gut. Also, ging es auch wieder am Samstag ins Lido, zu den Levellers und Sean McGowan. Die Levellers sind an mir in den 80ern/90ern weitgehend vorbeigegangen, vor sechs Jahren habe ich sie einmal live gesehen, das Konzert wird mir aber vor allem wegen Sonic Boom Six als Vorband unvergesslich bleiben.
(Kurzer Einschub: KÖNNEN WIR JETZT BITTE ALLE MAL DREI MINUTEN SONIC BOOM SIX HÖREN? Warum läuft das nicht überall und immer? So klug und so gut.)
Auch diesmal war ich eher wegen der Vorgruppe ins Lido unterwegs. Sean McGowan, ein 25Jähriger aus Southampton (der nicht mit Shane McGowan verwandt ist). Sean McGowan habe ich das erste Mal im April als Support von Will Varley gesehen.
(Kurzer Einschub: KÖNNEN WIR JETZT BITTE ALLE MAL DREI MINUTEN WILL VARLEY HÖREN? Warum läuft das nicht überall und immer? So klug und so gut.)
Das war damals wohl eine der ersten größeren Touren von Sean McGowan, dem man seine Begeisterung deutlich anmerkte. Mir gefiel die Musik gut, voller jugendlichem Enthusiasmus, der auch alten Griesgramen wie mir das Herz öffnete. Das folgende Video gibt einen ganz guten Eindruck:
Ich kaufte mir eine Mini-CD und unterhielt mich ein bisschen mit ihm. Als eigentlichen Job arbeitet er als Barkeeper und Kloputzer. Ich konnte ihm zumindest sagen, dass auch Captain Sensible als Kloputzer angefangen hat.
Nun also noch einmal Sean McGowan, mit deutlich mehr Auftrittspraxis, aber immer noch sehr viel sympathischen Enthusiasmus. Inzwischen auch mit einer richtigen CD, die irgendwo zwischen Billy Bragg und den Clash angesiedelt ist. Ich höre das sehr gerne, die Musik tat sehr gut.
Danach die Levellers, die ich ja als eher schrummligen Folkpunk verbucht hatte. Im Konzert war es aber eher Heavy-Folk-Power-Rock mit Digeridoo und Leuchtfarben. Sehr merkwürdig, aber sehr gekonnt gemacht. Insgesamt aber eher nicht mein Cup of tea.
(Kurzer Einschub: KÖNNEN WIR JETZT BITTE ALLE MAL DREI MINUTEN SONIC BOOM SIX HÖREN? Warum läuft das nicht überall und immer? So klug und so gut.)
Auch diesmal war ich eher wegen der Vorgruppe ins Lido unterwegs. Sean McGowan, ein 25Jähriger aus Southampton (der nicht mit Shane McGowan verwandt ist). Sean McGowan habe ich das erste Mal im April als Support von Will Varley gesehen.
(Kurzer Einschub: KÖNNEN WIR JETZT BITTE ALLE MAL DREI MINUTEN WILL VARLEY HÖREN? Warum läuft das nicht überall und immer? So klug und so gut.)
Das war damals wohl eine der ersten größeren Touren von Sean McGowan, dem man seine Begeisterung deutlich anmerkte. Mir gefiel die Musik gut, voller jugendlichem Enthusiasmus, der auch alten Griesgramen wie mir das Herz öffnete. Das folgende Video gibt einen ganz guten Eindruck:
Ich kaufte mir eine Mini-CD und unterhielt mich ein bisschen mit ihm. Als eigentlichen Job arbeitet er als Barkeeper und Kloputzer. Ich konnte ihm zumindest sagen, dass auch Captain Sensible als Kloputzer angefangen hat.
Nun also noch einmal Sean McGowan, mit deutlich mehr Auftrittspraxis, aber immer noch sehr viel sympathischen Enthusiasmus. Inzwischen auch mit einer richtigen CD, die irgendwo zwischen Billy Bragg und den Clash angesiedelt ist. Ich höre das sehr gerne, die Musik tat sehr gut.
Danach die Levellers, die ich ja als eher schrummligen Folkpunk verbucht hatte. Im Konzert war es aber eher Heavy-Folk-Power-Rock mit Digeridoo und Leuchtfarben. Sehr merkwürdig, aber sehr gekonnt gemacht. Insgesamt aber eher nicht mein Cup of tea.
Dienstag, 30. Oktober 2018
Nachtigallen
Die Nightingales waren in Berlin. Die erste Nightingales-LP hatte ich Anfang der 80er gekauft, weil mir irgendjemand auf ein Mixtape ein Rockabilly-Lied aufgenommen hatte, das angeblich von einer Band names Nightingales stammte. Das war wohl eine andere Band, aber die merkwürdige Platte "Pigs on Purpose" hat mich lange begleitet. Die Band hat sich Anfang des Jahrtausends neu formiert, das ging natürlich alles an mir vorbei. Letztes Jahr hat mir Eddie Argos die Band ans Herz gelegt und tatsächlich ist die "No love lost"-CD eine meiner neueren Lieblingsplatten geworden. Ein unglaublicher, ungeordneter Ideenreichtum, rhythmisch, melodisch, gespielt von einer Band, die perfekten Britpop spielen könnte, aber meistens nur für ein kurze Zeit im Lied Lust darauf hat. Die Band geht verschwenderisch mit ihren Ideen um, was die Nightingales in einem Lied unterbringen, würde anderswo für eine ganze CD reichen.
Grund genug trotz stressiger Arbeit um 19 Uhr begleitet von meiner Schwägerin B. in den Schokoladen zu gehen. Als wir dort ankommen, stellen wir fest, dass der Schokoladen quasi der Zwilling des Abseits in Freising ist und Augustiner gibt es auch. Der Eintritt kostet 7 EUR. Auch die Musik, die vor dem Konzert läuft, hört sich eher nach Punkschuppen der späten 80er an.
Das Konzert wird begonnen von Kettenkasten, einer Noiseband. Bis zum Exzess verzerrter Bass, Schlagzeug und gurgelnder Sänger. Schlagzeuger und Basser sind wirklich beeindruckend, der Schlagzeuger sieht allerdings aus wie ein Nachbar von mir und B. meint, dass der Bassist wie ein Architekt aussehe. Ich weiß nicht, wie Architekten aussehen, aber irgendwie ist es plausibel. Wahrscheinlich der Fluch der Jazzcore-Bands der mittelalten Männer. Kettenkasten gefallen mir aber gut, die Lieder werden nicht langweilig. Mir hätte es ja noch besser gefallen, wenn Kettenkasten aus Kempten kämen und dann den Namen entsprechend aussprächen, aber man kann nicht alles haben.
Dann kommen die Nightingales, die - mit Ausnahme der Schlagzeugerin - alle im Anzug auftreten. (Bassist und Gitarrist sehen dazu noch aus wie frühere Kollegen von mir, der Gitarrist wie der einzige Kollege, dem ich mal einen Locher an den Kopf geschmissen habe). Da hätte ich mich nicht extra fürs Konzert umziehen müssen. Optisch sehen sie aus wie die Raiffeisenbank Zolling auf Betriebsausflug, aber das betont nur, wie egal der Band die normalen Rituale des Rockbusiness sind.
Die Band spielt praktisch durch, Lied an Lied, ohne Pause für sich oder das Publikum. Im Wesentlichen spielen sie die neue CD "Perish the thought", ich erkenne noch ein paar Lieder der "No love lost" und auch zwei von der ersten LP.
Nach dem Konzert sind B. und ich glücklich, ich kaufe mir noch ein T-Shirt, auf dem vier Nachtigallen Instrumente bespielen.
Grund genug trotz stressiger Arbeit um 19 Uhr begleitet von meiner Schwägerin B. in den Schokoladen zu gehen. Als wir dort ankommen, stellen wir fest, dass der Schokoladen quasi der Zwilling des Abseits in Freising ist und Augustiner gibt es auch. Der Eintritt kostet 7 EUR. Auch die Musik, die vor dem Konzert läuft, hört sich eher nach Punkschuppen der späten 80er an.
Das Konzert wird begonnen von Kettenkasten, einer Noiseband. Bis zum Exzess verzerrter Bass, Schlagzeug und gurgelnder Sänger. Schlagzeuger und Basser sind wirklich beeindruckend, der Schlagzeuger sieht allerdings aus wie ein Nachbar von mir und B. meint, dass der Bassist wie ein Architekt aussehe. Ich weiß nicht, wie Architekten aussehen, aber irgendwie ist es plausibel. Wahrscheinlich der Fluch der Jazzcore-Bands der mittelalten Männer. Kettenkasten gefallen mir aber gut, die Lieder werden nicht langweilig. Mir hätte es ja noch besser gefallen, wenn Kettenkasten aus Kempten kämen und dann den Namen entsprechend aussprächen, aber man kann nicht alles haben.
Dann kommen die Nightingales, die - mit Ausnahme der Schlagzeugerin - alle im Anzug auftreten. (Bassist und Gitarrist sehen dazu noch aus wie frühere Kollegen von mir, der Gitarrist wie der einzige Kollege, dem ich mal einen Locher an den Kopf geschmissen habe). Da hätte ich mich nicht extra fürs Konzert umziehen müssen. Optisch sehen sie aus wie die Raiffeisenbank Zolling auf Betriebsausflug, aber das betont nur, wie egal der Band die normalen Rituale des Rockbusiness sind.
Die Band spielt praktisch durch, Lied an Lied, ohne Pause für sich oder das Publikum. Im Wesentlichen spielen sie die neue CD "Perish the thought", ich erkenne noch ein paar Lieder der "No love lost" und auch zwei von der ersten LP.
Nach dem Konzert sind B. und ich glücklich, ich kaufe mir noch ein T-Shirt, auf dem vier Nachtigallen Instrumente bespielen.
Samstag, 13. Oktober 2018
Rentner Kicks
Irgendjemand in unserem JZ hatte die erste Undertones-LP, die immer wieder lief, ich kannte die Lieder, ohne zu wissen, wie sie hießen.
Dieses Jahr kamen die Undertones mal wieder nach Berlin, ich hatte sie noch nie live gesehen, dachte, vierzig Jahre Teenage Kicks wäre ja mal eine gute Gelegenheit das nachzuholen. Für das Konzert im Mai hatte ich zwei Karten gekauft, für M. und mich. Das Konzert wurde in den Oktober verlegt, mich begleitete Frau Ackerbau anstelle von M. Ihre Begegnung mit den Undertones kam um einiges später als meine, punkrock-technisch war in den Achtzigern das Allgäu halt besser als Thüringen. Vor knapp zwanzig Jahren hatten wir in einem Pub in Edinburgh eine Band gesehen, die sich durch die Rockmusik der Siebziger durchcoverte, Frau Ackerbau war erstaunt, als M. und ich bei Teenage Kicks lauthals mitsangen. Nun kannte sie das Lied auch.
Das Konzert war im Huxleys, ich würde mal schätzen, dass wir beide den Altersschnitt eher senkten. Die Vorband kam aus Manchester, Shinshon, eine merkwürdige Mischung aus 80er Darkwave mit Rap-Anteilen. Nicht mein Ding, aber die Schlagzeugerin war beeindruckend, in ihre Rhythmen versunken, die Zählzeiten durch ein Wiegen ihres Kopfes nach links und rechts mitzählend und immer wieder unvermutet paßgenaue merkwürdige Wirbel beisteuernd. Der Bassist hingegen war passend für ein neu zu erfindendes Spiel: Doofe Frisur oder Mütze? Es war wohl eine Mütze.
Der Sänger versuchte das Publikum zum Mitmachen zu animieren, mit wenig Erfolg, vor allem, weil er eher schwer zu verstehen war. Nur zum Schluß gab er vor, man solle, nachdem er auf drei gezählt habe, "Shut the fuck up" rufen. Das taten wir, die Band packte ein, verschwand, wurde nicht mehr gesehen.
Bei einem Lied gab es die große Ansage, wie unnötig Wahlen seien, egal was man mache, es ändere sich ja eh nix. Ich kann mir so etwas nicht mehr anhören. Wenn ein Brite so etwas erzählt, muss er schon komplett die letzten Jahre verschlafen haben. Er kann sich auch gerne mit einem US-Amerikaner unterhalten, was er davon hält. Ich kann ja verstehen, wenn man sagt, dass man keine der Alternativen, die zur Wahl stehen, für sonderlich überzeugend hält. Aber es macht halt schon einen Unterschied, [... wenn ich jetzt einem Leser erklären müsste, was der Unterschied zwischen einer SPD und einer AFD-Regierung wäre, lasse ich es lieber bleiben....]
Nach einiger Zeit kamen die Undertones, noch fast in Originalbesetzung, nur Feargal Sharkey wurde durch einen Jungspund ersetzt (Paul McLoone, der erst 51 Jahre alt ist). Die Bandmitglieder sahen so aus wie früher die Leute am Stammtisch meines Großvaters. Hagelbuachn hat man das früher genannt. Die hatten früher Haarwasser oder Brillantine in den Haaren, dick nach hinten gekämmt, so starker Dialekt, das ich nur wenig verstanden habe. So war es praktisch beim Undertones-Konzert auch.
Ich war mir ja nicht sicher, ob der neue Sänger das Feargal'sche Geknödel ersetzen könnte. Nach dem ersten Lied waren alle Bedenken verschwunden, ein perfekter Ersatz. Paul McLoone gockelte auf der Bühne auch ausgiebig herum, zum Entzücken von Frau Ackerbau.
Die alten Herren spielten die erste LP, ein paar Stücke der zweiten und ein paar neuere. Darunter auch "It's going to happen", das auf der dritten LP war, die bei uns niemand hatte, weil es nicht Punk genug war, und das ich mindestens 25 Jahre nicht mehr gehört hatte. Neben mir stand ein jüngerer Mann, der immer "Mars bars" brüllte, weil er das Lied gerne gehört hätte. Ich brüllte dann auch mit, weil "Mars bars" eines von M.s Lieblingsliedern war (manches Telefonat mit ihm endete damit, dass er mir dringend empfohl "Mars bars" zu hören). Sie spielten es trotzdem nicht.
Frau Ackerbau und ich standen in den ersten paar Reihen, aufgrund des erhöhten Alters des Publikums ein wenig riskanter Platz. Am Schluss gab es noch schönen Alt-Personen-Pogo, nettes Rumgehopse. Die alten Herren, die Musik schafften es, alles aus dem Kopf zu vertreiben, sich wieder so zu fühlen, wie man sich gefühlt hatte, als man diese Musik zum ersten Mal hörte, Jahrzehnte vorher. Energie und Glück, wie man sie manchmal auf Konzerten erfahren kann.
Das Konzert endete mit zwei Zugaben, nach dem zweiten Teenage Kicks war es vorbei.
Frau Ackerbau träumte dann in der Nacht davon, dass wir in einer Zwischenwelt zusammen mit M. das Konzert gesehen hätten. Ich wünschte, ich hätte diesen Traum gehabt.
Dieses Jahr kamen die Undertones mal wieder nach Berlin, ich hatte sie noch nie live gesehen, dachte, vierzig Jahre Teenage Kicks wäre ja mal eine gute Gelegenheit das nachzuholen. Für das Konzert im Mai hatte ich zwei Karten gekauft, für M. und mich. Das Konzert wurde in den Oktober verlegt, mich begleitete Frau Ackerbau anstelle von M. Ihre Begegnung mit den Undertones kam um einiges später als meine, punkrock-technisch war in den Achtzigern das Allgäu halt besser als Thüringen. Vor knapp zwanzig Jahren hatten wir in einem Pub in Edinburgh eine Band gesehen, die sich durch die Rockmusik der Siebziger durchcoverte, Frau Ackerbau war erstaunt, als M. und ich bei Teenage Kicks lauthals mitsangen. Nun kannte sie das Lied auch.
Das Konzert war im Huxleys, ich würde mal schätzen, dass wir beide den Altersschnitt eher senkten. Die Vorband kam aus Manchester, Shinshon, eine merkwürdige Mischung aus 80er Darkwave mit Rap-Anteilen. Nicht mein Ding, aber die Schlagzeugerin war beeindruckend, in ihre Rhythmen versunken, die Zählzeiten durch ein Wiegen ihres Kopfes nach links und rechts mitzählend und immer wieder unvermutet paßgenaue merkwürdige Wirbel beisteuernd. Der Bassist hingegen war passend für ein neu zu erfindendes Spiel: Doofe Frisur oder Mütze? Es war wohl eine Mütze.
Der Sänger versuchte das Publikum zum Mitmachen zu animieren, mit wenig Erfolg, vor allem, weil er eher schwer zu verstehen war. Nur zum Schluß gab er vor, man solle, nachdem er auf drei gezählt habe, "Shut the fuck up" rufen. Das taten wir, die Band packte ein, verschwand, wurde nicht mehr gesehen.
Bei einem Lied gab es die große Ansage, wie unnötig Wahlen seien, egal was man mache, es ändere sich ja eh nix. Ich kann mir so etwas nicht mehr anhören. Wenn ein Brite so etwas erzählt, muss er schon komplett die letzten Jahre verschlafen haben. Er kann sich auch gerne mit einem US-Amerikaner unterhalten, was er davon hält. Ich kann ja verstehen, wenn man sagt, dass man keine der Alternativen, die zur Wahl stehen, für sonderlich überzeugend hält. Aber es macht halt schon einen Unterschied, [... wenn ich jetzt einem Leser erklären müsste, was der Unterschied zwischen einer SPD und einer AFD-Regierung wäre, lasse ich es lieber bleiben....]
Nach einiger Zeit kamen die Undertones, noch fast in Originalbesetzung, nur Feargal Sharkey wurde durch einen Jungspund ersetzt (Paul McLoone, der erst 51 Jahre alt ist). Die Bandmitglieder sahen so aus wie früher die Leute am Stammtisch meines Großvaters. Hagelbuachn hat man das früher genannt. Die hatten früher Haarwasser oder Brillantine in den Haaren, dick nach hinten gekämmt, so starker Dialekt, das ich nur wenig verstanden habe. So war es praktisch beim Undertones-Konzert auch.
Ich war mir ja nicht sicher, ob der neue Sänger das Feargal'sche Geknödel ersetzen könnte. Nach dem ersten Lied waren alle Bedenken verschwunden, ein perfekter Ersatz. Paul McLoone gockelte auf der Bühne auch ausgiebig herum, zum Entzücken von Frau Ackerbau.
Die alten Herren spielten die erste LP, ein paar Stücke der zweiten und ein paar neuere. Darunter auch "It's going to happen", das auf der dritten LP war, die bei uns niemand hatte, weil es nicht Punk genug war, und das ich mindestens 25 Jahre nicht mehr gehört hatte. Neben mir stand ein jüngerer Mann, der immer "Mars bars" brüllte, weil er das Lied gerne gehört hätte. Ich brüllte dann auch mit, weil "Mars bars" eines von M.s Lieblingsliedern war (manches Telefonat mit ihm endete damit, dass er mir dringend empfohl "Mars bars" zu hören). Sie spielten es trotzdem nicht.
Frau Ackerbau und ich standen in den ersten paar Reihen, aufgrund des erhöhten Alters des Publikums ein wenig riskanter Platz. Am Schluss gab es noch schönen Alt-Personen-Pogo, nettes Rumgehopse. Die alten Herren, die Musik schafften es, alles aus dem Kopf zu vertreiben, sich wieder so zu fühlen, wie man sich gefühlt hatte, als man diese Musik zum ersten Mal hörte, Jahrzehnte vorher. Energie und Glück, wie man sie manchmal auf Konzerten erfahren kann.
Das Konzert endete mit zwei Zugaben, nach dem zweiten Teenage Kicks war es vorbei.
Frau Ackerbau träumte dann in der Nacht davon, dass wir in einer Zwischenwelt zusammen mit M. das Konzert gesehen hätten. Ich wünschte, ich hätte diesen Traum gehabt.
Mittwoch, 3. Oktober 2018
Bir allah
(Bir Allah, 1947) Wenn der Hodscha zu der Moschee geht, spät, wenn die Nacht kommt und er das Bir Allah sagt, blutet meine Brust. Das war der Moment, in dem ich dich getroffen habe, weit weg, in dem fremden Land. Und wenn ich das Bir Allah höre, denke ich an dich. In den Tiefen Anatoliens, in der dunklen Wüste, wenn ich das Bir Allah höre, rast mein Herz.
(Schön und rätselhaft. Und ich stelle fest, dass ich mich mehr mit Stella Haskil beschäftigen sollte.)
Samstag, 28. April 2018
Mitgliederversammlung
Liebe Freunde der griechischen Dudelmusik, vielen Dank, dass Ihr heute zur Mitgliederversammlung erschienen seid. Wie Ihr wisst, sind es schwere Zeiten für unsere Organisation. Durch unglückliche Umstände wurde unser Mitgliederkreis halbiert. Lasst uns noch einmal das Glas heben und trinken und an den denken, der nicht mehr unter uns ist. Es wird niemals wieder so sein, wie es war.
Dazu lassen wir uns von Rita, Stella, Roza, Markos, Anestis, Kostas, Michalis, Odysseas und Sotiria noch einmal Geschichten von Drogen, Diebstahl, Bauchtanz, Liebe und Tod vorsingen. (Link zur Playlist).
(Am Grab sang Markos. Ruhe sanft, großer Bruder. Du fehlst mir so.)
Dazu lassen wir uns von Rita, Stella, Roza, Markos, Anestis, Kostas, Michalis, Odysseas und Sotiria noch einmal Geschichten von Drogen, Diebstahl, Bauchtanz, Liebe und Tod vorsingen. (Link zur Playlist).
(Am Grab sang Markos. Ruhe sanft, großer Bruder. Du fehlst mir so.)
Freitag, 27. April 2018
Mittwoch, 28. März 2018
Lang lebe der König
Du lebst auch morgen noch und kannst tanzen
Jetzt musst du eben für uns beide tanzen
Dienstag, 27. März 2018
In den Bergen bei Pendeli
In den Bergen bei Pendeli gehe ich unter den Pinien
Ich suche den Tod, aber er ist ein Fremder.
In der Dämmerung treffe ich ihn schließlich in den Bergen bei Pendeli
und ich sage mit Schmerzen:
"Verschone mich, Tod, lass mich noch etwas leben. Ich habe eine Frau
und Kinder und ich kann sie nicht verlassen."
Er sieht mich an und lächelt, als wollte er mich gehen lassen.
Dann sagt er laut: "Ich nehme dich, ich verschone dich nicht."
Sonntag, 25. März 2018
Sonntag, 18. März 2018
Korrekter Stadionrock
F. hat mich zu dem Feine Sahne Fischfilet-Konzert mitgenommen. Ich habe über die Band bislang nur gelesen, Deutschpunk vertrage ich ja normalerweise nur, wenn er älter als 20 Jahre ist. Aber warum nicht, es ist ja immer gut, auch mal neue Dinge zu hören und nicht nur in Konzerte zu gehen, in denen man selbst zum jüngeren Publikum gehört.
Durch den eiskalten Abend gehen wir zur Columbiahalle, hunderte von Leuten stehen davor. Wir haben kurz Sorge, dass noch gar kein Einlass ist, stellen aber fest, dass der Eingang schon offen ist, allerdings ein Großteil der Konzertbesucher sich noch vor dem Konzert noch ein paar Flaschen Bier oder eine Flasche Schnaps einzukippen. Vorteil ist, dass wir noch einen relativ günstigen Platz in der ausverkauften Columbiahalle finden. Ich bin etwas feige und platziere mich hinter den Soundleuten. War aber die richtige Entscheidung.
Als Vorband Not on tour aus Tel Aviv, Punk mit Sängerin. Hat mir sehr gut gefallen, vertrackte Liedchen, bei denen man die Songstruktur erst versteht, wenn sie vorbei sind, trotzdem schön melodisch und mit gutem Drive. Live hat mich das teilweise an die von mir schwer vermissten Life but how to live it erinnert, auf CD hört es sich eher an wie eine Hochgeschwindigkeitsversion von All. Sehr schön, im Mai kommen die wieder nach Berlin, werde mal sehen, dass ich wieder dabei bin. Ich habe mir auch die CD gekauft, 18 Lieder in 26 Minuten, ganz wie früher.
Feine Sahne Fischfilet lassen sich mit drei Liedern ankündigen, California über Alles von den Dead Kennedys, Halbstark in der Fassung der Toten Hosen und ein deutsches Hiphop-Stück, das ich (natürlich) nicht kannte. Das erste Stück klingt dann auch nach Toten Hosen, der komplette Saal ist in Aufruhr, jede Zeile wird von Anfang an mitgesungen, Bierbecher fliegen quer durch den Raum, der Sänger öffnet unentwegt Bierflaschen, trinkt kurz an, und gießt den Rest über das Publikum oder schmeißt die (Plastik-)flasche gleich weiter. Einerseits freue ich mich, dass ich einen Platz weiter hinten gewählt habe, andererseits habe ich das Gefühl, alle Sünden meiner Jugend büßen zu müssen. Die Toten Hosen habe ich nie gesehen. Als es mich interessiert hätte, war ich noch zu jung, als ich zu den Konzerten gehen hätte können, hat's mich nicht mehr interessiert. Ich glaube, dass die Hosen insgesamt wichtig sind, bitte allerdings darum, mir so etwas nicht anhören zu müssen.
Man kann mit einiger Berechtigung sagen, dass in einem Lied von Not on tour mehr musikalisch passiert als in einer halben Stunde Feine Sahne Fischfilet, aber dann würde man wohl das Wesentliche übersehen. Für das Publikum ist die Band ein großes Identifikationsobjekt, jeder kennt jeden Text auswendig, ich habe Leute gesehen, die bei den langsameren Liedern Tränen in den Augen hatten. Bei alles Sauf- und Krawallromantik ist die Botschaft der Band, Respekt voreinander zu haben. Ich finde es gut, dass es für die nach Alkohol und Krach dürstende Jugend eine Alternative zu den ganzen Rechtsrock-Bands gibt. Und ich finde es prima, dass diese Alternative dann auch noch aus Mecklenburg-Vorpommern kommt. Und auch wenn ich mit der Musik nicht wirklich viel anfangen konnte, ist die Band schon sympathisch und aufrecht. Ein Lied durften sogar der Vater und der kleine Bruder des Sängers singen.
Das Konzert uferte immer mehr aus, Leute sprangen von den Tribünen, ritten auf Aufblastieren über die Menge, ein großes Pfeffifass mit Trinkschläuchen wurde rumgereicht. Am Schluss tauchte noch jemand auf der Bühne auf, den ich bislang noch nie live gesehen habe und das eigentlich auch nicht wollte: Campino sang ein Lied mit. Die Band spielte dann noch ein paar Zugaben, bis sie selbst und das Publikum kaputt gespielt war.
Durch den eiskalten Abend gehen wir zur Columbiahalle, hunderte von Leuten stehen davor. Wir haben kurz Sorge, dass noch gar kein Einlass ist, stellen aber fest, dass der Eingang schon offen ist, allerdings ein Großteil der Konzertbesucher sich noch vor dem Konzert noch ein paar Flaschen Bier oder eine Flasche Schnaps einzukippen. Vorteil ist, dass wir noch einen relativ günstigen Platz in der ausverkauften Columbiahalle finden. Ich bin etwas feige und platziere mich hinter den Soundleuten. War aber die richtige Entscheidung.
Als Vorband Not on tour aus Tel Aviv, Punk mit Sängerin. Hat mir sehr gut gefallen, vertrackte Liedchen, bei denen man die Songstruktur erst versteht, wenn sie vorbei sind, trotzdem schön melodisch und mit gutem Drive. Live hat mich das teilweise an die von mir schwer vermissten Life but how to live it erinnert, auf CD hört es sich eher an wie eine Hochgeschwindigkeitsversion von All. Sehr schön, im Mai kommen die wieder nach Berlin, werde mal sehen, dass ich wieder dabei bin. Ich habe mir auch die CD gekauft, 18 Lieder in 26 Minuten, ganz wie früher.
Feine Sahne Fischfilet lassen sich mit drei Liedern ankündigen, California über Alles von den Dead Kennedys, Halbstark in der Fassung der Toten Hosen und ein deutsches Hiphop-Stück, das ich (natürlich) nicht kannte. Das erste Stück klingt dann auch nach Toten Hosen, der komplette Saal ist in Aufruhr, jede Zeile wird von Anfang an mitgesungen, Bierbecher fliegen quer durch den Raum, der Sänger öffnet unentwegt Bierflaschen, trinkt kurz an, und gießt den Rest über das Publikum oder schmeißt die (Plastik-)flasche gleich weiter. Einerseits freue ich mich, dass ich einen Platz weiter hinten gewählt habe, andererseits habe ich das Gefühl, alle Sünden meiner Jugend büßen zu müssen. Die Toten Hosen habe ich nie gesehen. Als es mich interessiert hätte, war ich noch zu jung, als ich zu den Konzerten gehen hätte können, hat's mich nicht mehr interessiert. Ich glaube, dass die Hosen insgesamt wichtig sind, bitte allerdings darum, mir so etwas nicht anhören zu müssen.
Man kann mit einiger Berechtigung sagen, dass in einem Lied von Not on tour mehr musikalisch passiert als in einer halben Stunde Feine Sahne Fischfilet, aber dann würde man wohl das Wesentliche übersehen. Für das Publikum ist die Band ein großes Identifikationsobjekt, jeder kennt jeden Text auswendig, ich habe Leute gesehen, die bei den langsameren Liedern Tränen in den Augen hatten. Bei alles Sauf- und Krawallromantik ist die Botschaft der Band, Respekt voreinander zu haben. Ich finde es gut, dass es für die nach Alkohol und Krach dürstende Jugend eine Alternative zu den ganzen Rechtsrock-Bands gibt. Und ich finde es prima, dass diese Alternative dann auch noch aus Mecklenburg-Vorpommern kommt. Und auch wenn ich mit der Musik nicht wirklich viel anfangen konnte, ist die Band schon sympathisch und aufrecht. Ein Lied durften sogar der Vater und der kleine Bruder des Sängers singen.
Das Konzert uferte immer mehr aus, Leute sprangen von den Tribünen, ritten auf Aufblastieren über die Menge, ein großes Pfeffifass mit Trinkschläuchen wurde rumgereicht. Am Schluss tauchte noch jemand auf der Bühne auf, den ich bislang noch nie live gesehen habe und das eigentlich auch nicht wollte: Campino sang ein Lied mit. Die Band spielte dann noch ein paar Zugaben, bis sie selbst und das Publikum kaputt gespielt war.
Donnerstag, 8. März 2018
Robert Rotifer
Obwohl ich jetzt schon über zwei Jahrzehnte in Berlin wohne, habe ich es bislang nie ins Quasimodo, einen alten Jazz-Club im Westen, geschafft. (Wer übrigens meint, dass das grusligste Publikum auf Konzerten der
angejahrten Punkbands zu finden sei, täuscht sich. Jazzclubs sind
schlimmer. Lauter alte Männer, die sich modisch aufgegeben haben. Ich
passe da sehr gut hin).
Letztes Jahr hatte ich schon Karten für Mike Watt, der dort spielte, aber da wurde ich leider krank. Gestern machte ich mich spät auf den Weg, weil Robert Rotifer dort ein Konzert spielte. Robert Rotifer ist Österreicher, der seit zwanzig Jahren im UK lebt. Ich schätze die Berichte von Rotifer zu Brexit-England, die immer wieder auf der fm4-Seite erscheinen (und als ich das hier schreibe, fällt mir auf, dass ich schon vor Jahren in der Berliner Zeitung immer seine kleinen Berichte aus England gelesen habe).
Eigentlich ist Robert Rotifer aber Musiker. Mit seiner Band hat er verschiedene Platten aufgenommen, die man vielleicht als kenntnisreichen, detailverliebten Britpop bezeichnen kann. Die letzte Platte ist aber anders: Sie enthält deutschsprachige Lieder zur akustischen Gitarre. Der Wechsel zum deutschen Gesang kommt nicht zufällig mit den neuen politischen Entwicklungen im UK. Rotifer begleitet sich mit flinkem und präzisem Fingerpicking. Ich konnte ihm beim Konzert auf die Hände sehen und war fasziniert, wie schnell sich Daumen und Zeigefinger über die Saiten bewegten und den filigranen Hintergrund zum Gesang bauten.
Ich hatte mir vor dem Konzert einige der Lieder schon angehört, der richtige Zugang hatte mir aber gefehlt. Die Texte sind politisch auf eine Weise, die sich nicht sofort erschließt. Sie haben eine Qualität einer nüchternen Klarheit, für die ich ansonsten kaum Beispiele finde. Im Konzert verstand ich dann, was ich vorher nur in Ansätzen erahnte. In den Liedern findet sich die Trauer über den Verlust von etwas, das man zuvor als eine sichere Errungenschaft gesehen hatte. Sie beschreiben den Alltag, während sich ringsherum das Unheil zusammen braut. In "Sie können schon" wird - anhand einer Beobachtung beim Sicherheitscheck am Flughafen beschrieben, wie schnell Dinge, von denen man denkt, "das können die nicht machen", "das lässt sich doch niemand gefallen" dann doch passieren. Ich habe an dem Abend besser verstanden, warum mich der Brexit so sehr beschäftigt. Meine Zeit im UK ist schon Jahrzehnte her, ich kenne auch nur noch wenige Leute dort, aber das UK war in meinen Gedanken immer ein sicherer Hafen der Vernunft, wenn es bei uns den Bach runtergehen sollte. Und nun haben die's schon vor uns geschafft. Vielleicht lässt sich, wenn man sich die Entwicklungen dort genau ansieht, lernen was zu tun ist, wenn um einen herum alle verrückt werden.
Die Texte beschreiben alltägliche Dinge, man kann sie wohl auch hören, ohne groß an Politik zu denken, sie weisen allerdings auf die großen Dinge. Sie sind wie kleine, harmlos scheinende parabelhafte Kurzgeschichten, die man zweimal hören, lesen muss. Dann bleiben aber die Refrains im Ohr hängen und kommen wieder, als hellsichtige Kommentierung von harmlos scheinenden Ereignissen.
(Die Platte von Robert Rotifer heißt "Über uns", allein zu dem Titel und dessen möglichen Bedeutungen könnte man ja einen kleinen Aufsatz schreiben.)
Letztes Jahr hatte ich schon Karten für Mike Watt, der dort spielte, aber da wurde ich leider krank. Gestern machte ich mich spät auf den Weg, weil Robert Rotifer dort ein Konzert spielte. Robert Rotifer ist Österreicher, der seit zwanzig Jahren im UK lebt. Ich schätze die Berichte von Rotifer zu Brexit-England, die immer wieder auf der fm4-Seite erscheinen (und als ich das hier schreibe, fällt mir auf, dass ich schon vor Jahren in der Berliner Zeitung immer seine kleinen Berichte aus England gelesen habe).
Eigentlich ist Robert Rotifer aber Musiker. Mit seiner Band hat er verschiedene Platten aufgenommen, die man vielleicht als kenntnisreichen, detailverliebten Britpop bezeichnen kann. Die letzte Platte ist aber anders: Sie enthält deutschsprachige Lieder zur akustischen Gitarre. Der Wechsel zum deutschen Gesang kommt nicht zufällig mit den neuen politischen Entwicklungen im UK. Rotifer begleitet sich mit flinkem und präzisem Fingerpicking. Ich konnte ihm beim Konzert auf die Hände sehen und war fasziniert, wie schnell sich Daumen und Zeigefinger über die Saiten bewegten und den filigranen Hintergrund zum Gesang bauten.
Ich hatte mir vor dem Konzert einige der Lieder schon angehört, der richtige Zugang hatte mir aber gefehlt. Die Texte sind politisch auf eine Weise, die sich nicht sofort erschließt. Sie haben eine Qualität einer nüchternen Klarheit, für die ich ansonsten kaum Beispiele finde. Im Konzert verstand ich dann, was ich vorher nur in Ansätzen erahnte. In den Liedern findet sich die Trauer über den Verlust von etwas, das man zuvor als eine sichere Errungenschaft gesehen hatte. Sie beschreiben den Alltag, während sich ringsherum das Unheil zusammen braut. In "Sie können schon" wird - anhand einer Beobachtung beim Sicherheitscheck am Flughafen beschrieben, wie schnell Dinge, von denen man denkt, "das können die nicht machen", "das lässt sich doch niemand gefallen" dann doch passieren. Ich habe an dem Abend besser verstanden, warum mich der Brexit so sehr beschäftigt. Meine Zeit im UK ist schon Jahrzehnte her, ich kenne auch nur noch wenige Leute dort, aber das UK war in meinen Gedanken immer ein sicherer Hafen der Vernunft, wenn es bei uns den Bach runtergehen sollte. Und nun haben die's schon vor uns geschafft. Vielleicht lässt sich, wenn man sich die Entwicklungen dort genau ansieht, lernen was zu tun ist, wenn um einen herum alle verrückt werden.
Die Texte beschreiben alltägliche Dinge, man kann sie wohl auch hören, ohne groß an Politik zu denken, sie weisen allerdings auf die großen Dinge. Sie sind wie kleine, harmlos scheinende parabelhafte Kurzgeschichten, die man zweimal hören, lesen muss. Dann bleiben aber die Refrains im Ohr hängen und kommen wieder, als hellsichtige Kommentierung von harmlos scheinenden Ereignissen.
(Die Platte von Robert Rotifer heißt "Über uns", allein zu dem Titel und dessen möglichen Bedeutungen könnte man ja einen kleinen Aufsatz schreiben.)
Sonntag, 18. Februar 2018
Die Revolution wird nicht im Fernsehen übertragen
Vor drei Jahrzehnten kaufte ich mir die Black Flag-LP "The process of weeding out", eine Platte mit vier langen freejazz-artigen Instrumentalimprovisationen. Nicht unbedingt, was man von einer amerikanischen Hardcore-Punk-Band erwartete. (Was diese Platte bei mir bewirkt hat, habe ich vor Jahren hier mal aufgeschrieben). Auf dem Cover fand sich eine kurze Notiz des Gitarristen Greg Ginn, der eine Art Hipster-Theorie aufstellte, dass im Zeitalter der Zensur subversive Inhalte - für autoritäre Leute unentzifferbar - auch durch Instrumentalmusik transportiert werden können. Die Notiz begann mit den Worten: The revolution will probably be televised. But I don't have a T.V. and I'm not gonna watch.
Diesen Satz fand ich gut (ich habe mir irgendwann auch mal ein Black Flag-T-Shirt gebastelt, wo er drauf stand), aber ich verstand ihn schon mal ganz falsch. "... and I'm not gonna watch." hatte ich als eine Art, "ist mir doch egal" interpretiert, wirklich erst Jahre, Jahre später wurde mir klar, was damit gesagt wurde. Man mag mir nachsehen, dass sleepy old Unterallgäu no place for street fighting men war.
Das größere Versäumnis war aber, dass ich auch nicht verstand, dass Ginn hier einen Faden aufnahm, der noch aus den Siebzigern stammte. Ich hatte keine Ahnung von schwarzer Musik der sechziger und siebziger Jahre und deswegen kannte ich auch Gil Scott Heron nicht, der 1971 das Lied "The revolution will not be televised" aufnahm. Damals kannte man halt nur die Musik, die im Radio kam oder die jemand in der Bekanntschaft hörte. Inzwischen liegt aber das gesamte musikalische Schaffen offen vor einem, so dass ich letzthin über das Lied von Gil Scott Heron gestolpert bin.
Müsste man inzwischen noch einmal eine neue Version machen? Auf welchen Kanälen würde die Revolution übertragen? But I'm not gonna watch.
Diesen Satz fand ich gut (ich habe mir irgendwann auch mal ein Black Flag-T-Shirt gebastelt, wo er drauf stand), aber ich verstand ihn schon mal ganz falsch. "... and I'm not gonna watch." hatte ich als eine Art, "ist mir doch egal" interpretiert, wirklich erst Jahre, Jahre später wurde mir klar, was damit gesagt wurde. Man mag mir nachsehen, dass sleepy old Unterallgäu no place for street fighting men war.
Das größere Versäumnis war aber, dass ich auch nicht verstand, dass Ginn hier einen Faden aufnahm, der noch aus den Siebzigern stammte. Ich hatte keine Ahnung von schwarzer Musik der sechziger und siebziger Jahre und deswegen kannte ich auch Gil Scott Heron nicht, der 1971 das Lied "The revolution will not be televised" aufnahm. Damals kannte man halt nur die Musik, die im Radio kam oder die jemand in der Bekanntschaft hörte. Inzwischen liegt aber das gesamte musikalische Schaffen offen vor einem, so dass ich letzthin über das Lied von Gil Scott Heron gestolpert bin.
Müsste man inzwischen noch einmal eine neue Version machen? Auf welchen Kanälen würde die Revolution übertragen? But I'm not gonna watch.
Samstag, 20. Januar 2018
Dork
K. hielt seine Hand vor die Studiotür, sein Chip wurde
erkannt und er konnte passieren. Sein Monitor und Computer gingen automatisch
an, als er sich hinsetzte. Er sah auf die Uhr am Monitor: Noch fünfzehn
Minuten, genug Zeit alles vorzubereiten. Er konnte tatsächlich durch eine
Scheibe, die allerdings nur in eine Richtung transparent war, in das Studio
nebenan sehen. Ihn hatte das immer schon gewundert, er hätte mit seinem Monitor
auch 100 Kilometer entfernt sitzen können und seine Arbeit machen, aber
offenbar wollte es die Tradition so. Er konnte zwar in das Studio sehen,
reingekommen wäre er aber nie. Seine Sicherheitsfreigabe ging dann doch nicht so
weit.
Nach Plan würde er mit Will arbeiten. Will war wohl der
Älteste im Technikerteam, hatte wohl nach der T-Katastrophe hier auch das
System aufgebaut, inzwischen musste man sich wundern, dass er überhaupt noch
die Technik verstand. Aber er war ein ruhiger und stiller Zeitgenosse, K. arbeitete
gerne mit ihm. Letztlich war die Aufgabe auch nicht schwierig. Die Bildregie
wurde anderswo geregelt, Will und K. mussten nur aufpassen, dass es mit dem
Stream keine Probleme gab. Die meisten Leute sahen den Stream über ihre
Retina-Displays, einige mit Datenbrillen. Um Unfälle zu vermeiden, mussten die
vorgeschriebenen Warnsignale, fünf und eine Minute vor Beginn des Streams
gesendet werden. Außerdem musste man auf ungewohnte Signale aufpassen. K.
dachte an den Laserzwischenfall, der vor Jahrzehnten dazu geführt hatte, dass
die ersten Anwender der Retina-Displays erblindeten. Das war damals eher ein
Security-, als ein technisches Problem gewesen, auch deswegen waren die
Sicherheitsvorkehrungen so scharf. Man hatte befürchtet, dass viele das
Retina-Display danach ablehnen und bei den Datenbrillen bleiben würden. Die Datenbrillen
hatten vor allem den Nachteil, dass sich jeder problemlos den Sendungen
entziehen konnte. Aber man hätte keine Sorge haben müssen, fast alle hatten
sich an die Retina-Displays gewohnt. Es mochte vielleicht fünf Prozent
Verweigerer geben, aber eine bestimmte Anzahl an Querulanten gab es ja immer.
Will kam, stellte seine Tasche ab. Sie begrüßten sich und
sahen schweigend den Vorbereitungen im Studio zu. Dork war bereits da, mit
seinem ganzen Stab von Visagisten und Assistenten. Er hatte seine
charakteristische schwarz-rot gefleckte Latexmaske auf, der Kopf dabei
merkwürdig verlängert. Will schnaubte. „Der Feuerspucker ist wieder dabei. Wir
müssen aufpassen, dass es nicht zu hell wird.“ K. stellte schon einmal vorsichtshalber
einen Filter ein. Von drüben kam das Zeichen, Will sendete das
Fünfminuten-Warnsignal. In fünf Minuten würde praktisch das öffentliche Leben zum
Stillstand kommen. Nur der Nahverkehr würde wie gewohnt funktionieren, der
wurde schon seit Jahrzehnten ohne menschliche Fahrer abgewickelt.
K. mochte Dork nicht sonderlich. Dork war nun schon der
achte, für den er hier arbeiten musste. Merkwürdig waren sie ja alle, aber K.
hatte das Gefühl, dass es mit jedem noch schlimmer wurde. Die Entscheidung, sie
bereits alle Jahre auszuwechseln, hatte aus seiner Sicht auch nicht geholfen. Es gab
natürlich auch Pendelbewegungen. Nach jedem vulgären aggressiven Typ kam dann
ein eher überschwänglich aggressiver Typ oder eine überschwänglich aggressive
Frau. K. konnte sich aber nicht erinnern, einen der Vorgänger oder
Vorgängerinnen besonders geschätzt zu haben. Aber die Leute im Land sahen es
offenbar anders, sonst wären diese Gestalten ja nie so weit gekommen.
K. hatte mit Will noch nie über die Zeit nach der T-Katastrophe gesprochen, heute wandte er sich aber in einem Impuls an ihn. „Hast du eigentlich T. noch wirklich miterlebt?“ Will nickte: „Ich war noch ein Teenager. Meine Eltern sind damals im Seattle-Blitz gestorben.“ Der Ort, wo früher Seattle war, war inzwischen eine ewige Gedenkstätte, genauso wie große Teile der nunmehr ölig schwarzen Küste Alaskas. Das mit der Seattle-Gedenkstätte hatte K. nie verstanden, es würde sowieso Jahrhunderte dauern, bis man sich der Gegend wieder nähern konnte. „Wir haben damals mit T und seinen Schergen aufgeräumt. Ich hatte auch Hoffnung, dass danach Vernunft und Fortschritt wieder einkehren. O. schien ein gutes Gegenmodell, sie schien offener, freundlicher. Aber wir waren einfach blind, auch das ging ja nicht allzu lange gut. Es ging weiter mit Sensation, Emotion, Geschrei. Offenbar gefiel das den Leuten besser, auch als die nächste Katastrophe drohte. Dann kamen die Manhattan-Beschlüsse.“ K. nickte gedankenverloren. Will und er gehörten schon dadurch zur Elite, dass sie überhaupt von den Manhattan-Beschlüssen wussten. Nach dem neuerlichen Fiasko beschloss eine Versammlung, über deren Zusammensetzung es sehr unterschiedliche Berichte gab, dass das Volk offenbar sich immer für einen Krawallbruder entscheiden würde. Um die schädlichen Folgen solcher Entscheidungen zu reduzieren, wurden die wahren Entscheidungsbefugnisse vollkommen vom Amt getrennt. Krawallbrüder machten Krawall, hatten aber keine Macht mehr, Schaden anzurichten. Die meisten Leute merkten gar nicht , dass alles nur Show war oder es war ihnen egal. K. hätte gerne mehr darüber gewusst, aber Fragen stellen war gefährlich.
K. hatte mit Will noch nie über die Zeit nach der T-Katastrophe gesprochen, heute wandte er sich aber in einem Impuls an ihn. „Hast du eigentlich T. noch wirklich miterlebt?“ Will nickte: „Ich war noch ein Teenager. Meine Eltern sind damals im Seattle-Blitz gestorben.“ Der Ort, wo früher Seattle war, war inzwischen eine ewige Gedenkstätte, genauso wie große Teile der nunmehr ölig schwarzen Küste Alaskas. Das mit der Seattle-Gedenkstätte hatte K. nie verstanden, es würde sowieso Jahrhunderte dauern, bis man sich der Gegend wieder nähern konnte. „Wir haben damals mit T und seinen Schergen aufgeräumt. Ich hatte auch Hoffnung, dass danach Vernunft und Fortschritt wieder einkehren. O. schien ein gutes Gegenmodell, sie schien offener, freundlicher. Aber wir waren einfach blind, auch das ging ja nicht allzu lange gut. Es ging weiter mit Sensation, Emotion, Geschrei. Offenbar gefiel das den Leuten besser, auch als die nächste Katastrophe drohte. Dann kamen die Manhattan-Beschlüsse.“ K. nickte gedankenverloren. Will und er gehörten schon dadurch zur Elite, dass sie überhaupt von den Manhattan-Beschlüssen wussten. Nach dem neuerlichen Fiasko beschloss eine Versammlung, über deren Zusammensetzung es sehr unterschiedliche Berichte gab, dass das Volk offenbar sich immer für einen Krawallbruder entscheiden würde. Um die schädlichen Folgen solcher Entscheidungen zu reduzieren, wurden die wahren Entscheidungsbefugnisse vollkommen vom Amt getrennt. Krawallbrüder machten Krawall, hatten aber keine Macht mehr, Schaden anzurichten. Die meisten Leute merkten gar nicht , dass alles nur Show war oder es war ihnen egal. K. hätte gerne mehr darüber gewusst, aber Fragen stellen war gefährlich.
Das nächste Zeichen kam. „Nur noch
eine Minute!“ K. schaltete das Warnsignal. Er sah ins Studio hinüber. „Hat der
heute wieder den meterhohen rot-blauen Plastikpenis dabei? Heißt das, dass der
Chinese auch kommt?“ Will schaute hastig in der Dokumentation. „Ja, heute ist
wieder Staatsbesuch, der Chinese kommt.“ K. seufzte. Er sah auf den Mann mit
der rot-blauen Maske, der einen meterhohen Plastikpenis mit beiden Händen über
den Kopf hielt und sich darauf vorbereitete, gleichzeitig zu brüllen und Feuer
zu speien.
Er ließ den Ankündigungsjingle laufen: „Meine Damen und Herren, es folgt eine Ansprache des Präsidenten der USA.“
Er ließ den Ankündigungsjingle laufen: „Meine Damen und Herren, es folgt eine Ansprache des Präsidenten der USA.“