"In the absence of intimidation, creativity will flourish"
G.Ginn

Sonntag, 20. Dezember 2015

Verwirrung

Am letzten Freitag spielten Slime im SO 36, das erste von zwei ausverkauften Konzerten. Ich war dort zusammen mit F., der es hasst, in irgendeinem meiner Blogs vorzukommen. Slime ist die letzte der alten deutschen Punkbands, die es über die Jahre geschafft hat, korrekt zu bleiben und ihre Energie zu behalten, auch die neuen Platten sind noch gut hörbar. Da ich vermutete, dass das Publikum etwas anders als bei den Rentnerpunkveranstaltungen sein würde, bei denen ich ansonsten bin, blieben wir lieber etwas weiter hinten und nicht direkt vor der Bühne. Blieb aber alles ruhig, kein Vergleich mit den Konzerterlebnissen vor ein paar Jahrzehnten. Vor dem Konzert versuchte mir F. mitzuteilen, wie er demnächst auf ein Scooter-Konzert geht, während ich vorschlug, dass wir bei dem Lied "Linke Spießer" besser laut mitsingen. Da drehte sich ein bärtiger Typ vor mir zu uns und sagte: "Das geht jetzt aber nicht die ganze Zeit so, Jungs?" Er hatte Glück, dass ich ob dieser Frechheit einen Lachanfall bekam. Slime spielten sich quer durch ihre Platten, für mich ein Glücksmoment, als sie plötzlich das alte Targets-Lied "Massenhysterie" spielten. Der Refrain heißt ""Panik, Chaos, Massenhysterie" und da der Schlagzeuger der dienstältesten Punkband bei uns zuhause Chaos genannt wurde, lief dieses Lied vor drei Jahrzenten dauernd in unserem JZ. Die ziemlich radikalen politischen Texte von Slime wirken teilweise hoch aktuell, teilweise wie aus der Zeit gefallen. In den frühen 80ern war die Welt halt noch einfach erklärt und einsortiert. Inzwischen finde ich das alles nicht mehr so einfach. Linke Spießer habe ich dann doch mitgesungen, anstatt "Ihr seid nichts als linke Spießer" habe ich "Wir sind nichts als..." angestimmt.

Zuhause habe ich dann in alten Fanzines gekramt und ein paar Geschichten von Anfang der Achtzigern zu Slime nachgelesen. In einem Fanzine war sich der Schreiber sicher, dass Slime nur Kommerz sei, es gab da eine Geschichte von einer Prügelei auf einem Konzert in Ampermoching, die dort herrlich lakonisch vom Sänger der genialen Berliner Beton Combo erzählt wird, die damals mit Slime auf Tour waren: "Dann machten Leute von uns den Fehler und schätzten die Brisanz der Lage falsch ein und holten unsere Knüppel heraus um zurück zu drohen. Okay, ich war schon kurz draußen, weil ich den Braten rochund unseren VW Bus ins Gelände fuhr und tarnte (was aber nix genutzt hat!)...." Der Fanzineschreiber trauert dann nach diesem Bericht des Beton Combo-Sängers noch ein bisschen, dass sich Slime nicht aufgelöst haben etc. Anlass waren wohl Ticketpreise von 12 DM. Alles sehr verwirrend, aber damals wurde überall Kommerz vermutet, die armen Leute von Slime haben dann halt, weil sie eben die bekannteste Band waren, die Selbstgerechtigkeit der Szene abbekommen.

Für mich doppelt verwirrend, weil ich damals das Fanzine geschrieben hatte, und mich bis eben gerade nicht mehr an meine damaligen Tiraden erinnert habe (geschweige denn, die damalige Aufregung nachvollziehen kann). Aber 1984 hatte ich offenbar noch klarere und dezidiertere Meinungen als jetzt.

(Auch spannend: ich habe damals offenbar Peanuts Punk-Comics gezeichnet. Kann mich aber an keine Fortsetzung erinnern.)

Samstag, 12. Dezember 2015

Männer, die auf Schienen starren

Bei der Vorbereitung für das Projekt "Urbane Schönheit" (alle Einzelheiten dazu heute hier; Frau Tonari Frau Hafensonne hat ihm den schönen Namen gegeben, der sich im Titel findet, Anspielungen auf Filme mit Jeff Bridges sind immer okay mit mir) habe ich darüber nachgedacht, warum ich die Perspektive von einer Brücke über Geleise so besonders finde. Da gibt es einige biographische Anknüpfungspunkte, auch wenn ich fernab der Städte aufgewachsen bin.

Mir kam dann aber die Erkenntnis, dass wahrscheinlich auch dieses Video beigetragen hat. Ich habe irgendwann in den späteren Achtzigern eine REM-Videokassette gekauft, die es irgendwo billig in einem Mailorder gab. Die Band hörte damals in meiner Umgebung keiner, ich wollte es mir zumindest mal anhören. Die Anfangssequenz dieses Videos hat mich komplett beeindruckt und damals auch ein vages Gefühl der Fernweh ausgelöst und mein Bild der ländlichen USA geprägt (irgendwann muss ich da auch noch mal hin).

Schienen, Güterzüge, dicke Männer, schöne Musik, hier ist der offizielle Soundtrack zum Projekttag:


Mittwoch, 2. Dezember 2015

Grottenstengel

Im Erstblog wird ja Unkraut quasi leitmotivisch eingesetzt. Meine ersten Lebensjahrzehnte habe ich ja Grünzeug immer nur ausgerissen, das Interesse fürs Gärtnern kam später. Unkraut war aber schon früher ein Bestandteil meines künstlerischern Wirkens. Vor etwa 25 Jahren haben wir mit den Bäckärn ein kleines Liedchen über Unkraut gemacht, bzw. über einen Gärtner, der seinen Kampf mit dem Unkraut mit dem Leben bezahlt. Auf seinem Grab wächst das Unkraut aber weiter. Das Lied heißt (wie sollte es anders sein?) "Grottenstengel", die folgende Aufnahme entstand 2015 beim Jubiläumskonzert.