"In the absence of intimidation, creativity will flourish"
G.Ginn

Sonntag, 27. November 2016

Mentale Unordnung

Bloßen Krach höre ich gar nicht so viel, eher Sachen, die andere als Krach einordnen. Eine Ausnahme ist die Band Disorder aus Bristol, die ich immer gerne gehört habe, die aber selbst kaum behauptet hätten, dass ihre Musik mehr als Krach sei.

1982 brachten sie die Mental Disorder EP heraus, deren erstes Lied der "Rampton Song" war. Rampton muss der Ort einer Nervenheilanstalt sein, auch von uns kenne ich, dass man nur sagte, "der war in Kaufbeuren", wenn man das Bezirkskrankenhaus meinte. Das Lied beruht auf den Erfahrungen eines Freunds der Band, der als Punk den Behörden ein Dorn im Auge war und der deswegen in die Nervenheilanstalt eingewiesen wurde. Das Cover zeigt, wie aus dem Punk ein eifriger junger Mann wird. Das Lied ist ein brachialer, nicht unlustiger Protest gegen die Pathologisierung der Punkbewegung. Ich höre es immer wieder gerne, weiss aber auch, dass das für die meisten nicht wirklich nachvollziehbar ist.

(Die Perdition Mini-LP ist auch wunderbar.)

Dienstag, 22. November 2016

Jung samma, fesch samma

Wie so häufig, begann das Unheil mit Religion: Auf unserem Kirchenbasar nahmen wir neben ein paar Büchern auch eine Peter Alexander-CD mit. Peter Alexander war in meiner Kindheit absolut überall präsent, seine Fernsehshow sah die ganze Familie, seine Schlager, auch wenn ich sie jetzt Jahrzehnte nicht mehr gehört habe, kann ich nach ein paar Sekunden mitsingen. Alexander hat auch deswegen für mich Bedeutung, da von ihm die einzigen Lieder kamen, die sich irgendwie mit den Erzählungen der Oma aus dem Sudetenland und dem Abglanz der k.u.k.-Zeiten verbinden ließen - Powidldatschkerl und wie diese Lieder noch hießen (ich muss hier endlich auch einmal den Post zur Tante Jolesch schreiben, schon lange aufgeschoben). Wenn man sich die Peter-Alexander-Lieder anhört ("Die kleine Kneipe", "Feierabend", "Manchmal weinst du sicher ein paar Tränen", "Der Papa wird's schon richten" etc.) hat man die Gräßlichkeit der sechziger und siebziger Jahre in Westdeutschland plastisch und schonungslos vor sich. Aber darum soll's heute gar nicht gehen.

Ich hatte noch vage im Kopf, dass Alexander früher auch viele Elvis-Songs gecovert hat, ich wollte dann über Youtube mal sehen, ob er auch noch ein paar Absonderlichkeiten, die man für die Reihe "Verbrechen auf Schallplatt" verwenden könnte, aufgenommen hat. Vielleicht sogar ein so schöner Fang wie dieser von Karel Gott? Was ich fand, passt dann aber nicht in diese Kategorie, weil es nie auf Schallplatte aufgenommen wurde und weil ich mir bei der Bewertung nicht sicher bin.

Johnny Cash 1992 bei Peter Alexander. Erst singt er "Ring of fire", dann singt Alexander mit ihm einen Country-Song und dann singen beide ein paar Wiener Lieder. "Jetzt trink ma noch a Flascherl Wein", "Jung samma, fesch samma". Ich bin sprachlos.

Zeigt das jetzt nur, wie herunter gewirtschaftet Cash war, bevor er sich zwei Jahre später von Rick Rubin neu erfinden ließ? Oder zeigt das, dass Alexander eigentlich cooler und besser war, als man ihm jetzt zugestehen will? Egal, wie eure Antwort ausfällt: Das Wiener Duett der beiden ist nur schwer erträglich.


Samstag, 19. November 2016

Mann, langweilen mich die USA

Bevor ich jetzt noch einmal etwas zu Trump schreibe, lasse ich lieber die Clash zu Wort kommen. "I'm so bored with the USA", aus dem sehr merkwürdigen "Rude Boy"-Film, der aber einige sehr gute Live-Aufnahmen enthält. Die Klatsche mit "Mann, langweilen mich die USA". Die Clash haben das Intro praktischerweise gleich von den Sex Pistols genommen, deren "Pretty Vacant" genauso anfängt.*

"Rude Boy" habe ich vor 30 Jahren mal in unserem Jugendzentrum gesehen, da es dort eine Gemeinde gläubiger Clash-Jünger gab. Als er vor ein paar Jahren mal wieder auf Arte kam, habe ich ihn mir wieder angesehen und überrascht festgestellt, woher die Zeile "What the hell is wrong with you, you think you're so fucking cool" kommt, die mir immer wieder mal durch den Kopf ging. Schön ist auch Mick Jones im Studio bei "Stay Free". D.h., schön ist er nicht, das Lied klingt in der Version aber wirklich gut.**

*Dafür haben die Pistols das Riff von "Holidays in the Sun" von the Jam - "In the City" geklaut.
** Michali mag es nicht, wenn ich zu viel Clash verlinke, aber da muss er durch. Er kann sich ja etwas für den nächsten Post wünschen.

Sonntag, 13. November 2016

Wir fangen jeden Tag wieder von vorne an

"After much reflection, I believe the difficult but necessary solution to the current political crisis is the ideology I have always held to." (J. Chalmers)

Das Internet ist voll von Analysen der Amerikawahl. Weit verbreitet sind die Stücke, in denen der Autor erklärt, dass er's eigentlich schon immer gewusst hatte, aber keiner auf ihn hören wollte, jetzt seien alle halt selber schuld. Andere geben zu, dass sie zwar vorher unrecht hatten, finden aber ihre Befriedigung darin, dass andere noch mehr unrecht hatten. Wieder andere finden es irgendwie Kacke, aber andererseits hätten wir`s ja nicht anders verdient.* Allgemein herrscht apokalyptische Stimmung, nun lasse sich wohl auch in Europa nicht verhindern, dass die Trottel überall die Macht erringen. Die größte analytische Schärfe erreicht allerdings dieser Artikel, das erläuternde Tortendiagramm vergisst man sicher nicht mehr.

Die ganzen Analysen sind wichtig. Am wichtigsten ist allerdings die Erkenntnis, dass wir - ausgerechnet wir! - langsam zu den letzten gehören, die nicht am Durchdrehen sind. Das sollten wir bewahren. Und das können wir auch bewahren, denn die Zukunft ist noch ungeschrieben und es gibt keine Gesetzmäßigkeit, dass nach Brexit und Trump auch bei uns der Rückschritt herrschen muss.

Was ist zu tun? Wir können uns leider nicht darauf verlassen, dass irgendjemand anderes das für uns übernimmt. Errungenschaften, die man schon gar nicht verteidigt, wird man nicht bewahren können. Also müssen wir für die Dinge einstehen, die uns wichtig sind. Jeder an seinem Platz. Jeden Tag von Neuem. Und kein Defätismus.

(Die erste Zeile dieses Lieds, der Titelmelodie der schönen Fernsehserie "Zur Freiheit", dient mir als Inspiration. Die zweite Zeile dann wieder eher nicht. Aber da kann man ja "lalala" singen.)

*Ein Standpunkt, der immer wunderbar funktioniert, solange einen die Folgen einer bestimmten Entwicklung nicht selbst betreffen.

Mittwoch, 9. November 2016

Wir haben jetzt ein größeres Problem

Ein Vorteil des fortgeschrittenen Alters ist, dass man sich daran erinnert, dass die Amerikaner schon früher Deppen als Präsidenten gewählt haben. Das hat - irgendetwas Gutes muss es ja haben - auch teilweise zu interessanter Musik geführt. Ich meine hier nicht Joseph Beuys mit seinem Ausflug in die Popmusik.

Die Dead Kennedys hatten als erste Single das Lied "California über alles" aufgenommen, ein Lied über den kalifornischen Gouverneur Jerry Brown, der Ambitionen auf die Präsidentschaft hatte. Brown war eigentlich der progressive Traum, Vietnam-Gegner, umweltbewusst, aber trotzdem oder gerade deswegen ein Feindbild für die Punks der Dead Kennedys. In dem Lied wird ein hippie-faschistischer Staat, in dem man in der Schule meditieren muss, beschrieben. 1981 merkten die Dead Kennedys allerdings, dass es schlimmere Dinge als Hippies gibt, zum Beispiel den anderen früheren kalifornischen Gouverneur Ronald Reagan, der inzwischen Präsident war. Es folgte eine neue Version von "California über alles", mit dem wunderbaren Titel "We've got a bigger problem now". Die Band jazzt sich erst mal ein paar Minuten gar nicht übel durch, bis es dann wieder übliches Geknüppel wird. Bei der Suche bin ich auf diese wunderbaren Aufnahmen aus dem Studio gestoßen. Meine Güte, waren die Burschen jung. 

Ronald Reagan regte auch noch andere Bands zur Kreativität an; so auch die Damned mit ihrem "Bad  time for Bonzo". Die Aufnahme ist aus der Alabama-Halle in München.



Trump mag ja vielleicht auch einigen Musikern zur Inspiration dienen. Ich muss mir das dann nicht anhören.