"In the absence of intimidation, creativity will flourish"
G.Ginn

Freitag, 22. August 2014

Boxhamsters oder die Musik des großen Bruders

( Alles Gute zum Geburtstag, Michali!)

Es gibt Musik, die einen über Jahre begleitet, obwohl man keine einzige Platte davon hat. Das sind Bands, die die größeren Geschwister hören. Notgedrungen hört man mit, vielleicht zunächst mit Widerwillen, bis man sich nach und nach daran gewöhnt. Irgendwann zieht man aus und die Musik zieht nicht mit. Oder man rafft sich auf und stattet sich auch mit den ganzen Platten aus.

Die Boxhamsters waren für mich immer so eine Band. Die erste LP, dämlich genug "Wir Kinder von Bullerbü" genannt, lief in der WG von meinem Bruder rauf und runter. Zunächst war ich eher skeptisch, auch wenn ich Monty Python mag, sind Bands mit M.P. Anspielungen im Titel doch meist mit Vorsicht zu genießen. Die Boxhamsters waren aber nicht gezwungen lustig, sondern hatten deutsche Texte, die den Deutsch-Klischeepunk weit hinter sich ließen und ebenso das Rockgehabe der Toten Hosen wie das Schlaumeiertum der Ärzte vermieden. Und die Musik war dazu richtig gut, deutlich mehr an den amerikanischen Vorbildern ausgerichtet. Ich kann mir kein Silvester mehr vorstellen, an dem mir nicht mindestens einmal "Prost Neujahr Jr." mit den Zeilen "durch die Nacht fällt etwas Schnee, gerade das tut mir so weh" durch den Sinn geht. Textlich vielleicht eine Fortführung der Fehlfarben, allerdings ohne Angst vor Pathos und auch mit gelegentlich letztlich misslungenen Experimenten. Die weiteren Platten kamen und liefen bei meinem Bruder in der WG in der Schönmetzlerstraße und krochen nahe an mein Ohr und mein Herz. "Der allerkleinste Köter bellt/ ein Zeitgeist aus dem Birnbaum fällt" genügte mir Anfang der Neunziger für jede politische Analyse. Und wenn ich an die Zeit und die Wochenenden zurück denke, fällt mir immer "Pascal fährt uns nach Hause" ein, ein Lied, das diese Abende klug beschrieb.

Ich wurde älter, die Boxhamsters auch, ich verlor sie aus den Augen. Ich weiß es nicht, aber ich würde davon ausgehen, dass ihre Musik und Texte für die ganze Tomte, Kettcar-Generation von Bands nicht ohne Einfluss war. 2002 wurde mein erster Sohn getauft, mein Bruder war auf Besuch in Berlin und wir stellten fest, dass die Boxhamster spielten. Wir fuhren mit einem Taxi, dessen Fahrer verkehrt in Einbahnstraßen einbog, zu dem Konzert, und sahen, dass die Hamster nichts verlernt hatten. Die Band hatte nichts von ihrer Eigenständigkeit und Klugheit aufgegeben, auch der Mut zum Experiment war geblieben. Vor kurzem hat "Brut Imperial" den Weg zu mir gefunden, auch nicht mehr ganz frisch. Die Platte hat mich wirklich begeistert. Wie immer ist ein Großteil unverständlich, und ich werde auch nicht mehr verstehen, wer "Flöz und Pökel" aus dem gleichnamigen Lied sein könnten. Das macht aber nichts, solange es dort Zeilen gibt wie "auf dem Friedhof meiner Freunde, dort wo keine Kreuze stehen" oder (mit Gärtner-Punk-Lyrik fängt man mich ja garantiert) "wenn die Osterglocken blühen, schneidest du die Rosen ein". Musikalisch probieren sich die Hamster etwas aus, am erschreckendsten in "Der 3. Ton", wo ein stumpfes Hosen-Lied versucht wird (selbst für Hartgesottene unhörbar).

Ich habe die Hoffnung, dass wir weiter gemeinsam älter werden. 

4 Kommentare:

  1. Zu den Boxis habe ich eine schöne Geschichte.
    Ich bin mal, von Hamburg nach Rendsburg zu den Boxis auf ein Konzert gefahren. Auf einmal sehe ich dort einen Freund von Helgoland, mit dem ich meine Jungend verbracht habe. Wir haben damals gemeinsam dem Punk entdeckt. Irgendwie haben wir uns dann aus den Augen verloren.
    Nach ca. 20 Jahren treffen wir dort wieder.

    LG OLe

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    1. Das ist schön! Auf Boxhamster-Konzerten trifft man aber auch besondere Leute.....

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    2. Wir sind doch alle besonders und das ist auch gut so.

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    3. We're all very special and unique snowflakes...

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