"In the absence of intimidation, creativity will flourish"
G.Ginn

Montag, 11. Mai 2015

Dangers of Rock'n'Roll

Letzthin bin ich im Internet zufällig auf die Geschichte von Louie, Louie, den Kingsmen und dem FBI gestoßen. Ich habe dann zwar herausgefunden, dass die Geschichte wohl schon länger bekannt ist, aber was soll's. Aber der Reihe nach:

1. l963 nahm eine Musikgruppe namens The Kingsmen ein Stück auf, das es schon seit einigen Jahren gab. Louie, Louie war die Geschichte eines Seemanns, der in einer Bar davon erzählt, wie er zu seinem Mädel zurück will. Die Originalversion hatte karibische Wurzeln, die Kingsmen saßen aber in der Nähe von Seattle und hatten Mühe, das Stück zu spielen. Die Aufnahme kostete 50 Dollar, alle waren zusammen in einem Raum und der Sänger versuchte, über den Krach hinweg in das Mikro, das von der Decke hing, zu singen (hier kann man eine Darstellung des Sängers über die Aufnahme hören). Die Körperhaltung führte dazu, dass die Phrasierung und die Aussprache ohnehin anders klang als in normaler Haltung, howling at the moon, quasi. Louie, Louie war eines dieser 60er Jahre Proto-Punk-Stücke, ziemlich roh, aber mit einem Anfangsriff, das man nicht mehr aus dem Kopf bekam. Die Version der Kingsmen wurde ziemlich bekannt und beliebt und kam sogar in die Hitparaden. Da ging der Ärger los.

Beim FBI kamen zahlreiche Beschwerden an, dass es sich um ein obszönes und damit verbotenes Lied handelte. Väter beschwerten sich, sie hätten diese sicherlich pornografische Single bei ihren Kindern gefunden, hier müsse das FBI einschreiten. Die FBI-Akte kann man inzwischen im Internet nachlesen, ein Dokument, das zum einen zeigt, wie sich die Welt in den letzten 50 Jahren verändert hat, zum andern aber auch eine ziemlich lustige Lektüre. Das FBI war durchaus willig zu ermitteln, aber: sie verstanden den Text nicht. Konnten ihn auch nicht verstehen, weil weite Passagen aufgrund der schlechten Aufnahme komplett undeutlich waren. Es kursierten verschiedene Textblätter, ein harmloses Original-Textblatt und dann verschiedene scharfe Versionen, entweder von Teenagern erstellt oder von Vätern, die versuchten den Text zu fassen. Das FBI gab die Single ins Labor, ließ sie  auf allen Geschwindigkeiten von 16, 33, 45, 78 abspielen, aber es half nichts: Der Text war nicht zu verstehen. Nach zwei Jahren gab das FBI dann auf.

2. Muss man sich das Lied wie einen Rorschachtest vorstellen, einem Psychotest, bei dem den Probanden Tintenklecksbilder vorgelegt werden, und dann gefragt wird, was sie sehen? Die Versuche zeigen, dass bei der Erläuterung eigentlich unverständlicher Bilder Bewußtseinsinhalte freigelegt werden, die ansonsten verborgen blieben. Hörten alle, insbesondere auch die Eltern, Schweinereien in  dem Genuschel von Jack Ely, dem Sänger, weil sie Anfang der Sechziger in einer sexualisierten, aber unterdrückten Gesellschaft lebten? FBI-Chef Hoover war gar nicht so weit von der Wahrheit entfernt, als er meinte, es sei egal, ob der Originaltext unbedenklich sei. Die Teenager würden den bedenklichen Text trotzdem hören. Wahrscheinlich muss man hier tatsächlich gar nicht besonders psychologisieren; 15-17 Jährige haben wohl zu jeder Zeit irgendwelche obszönen Versionen von populären Liedern fabriziert, unabhängig davon, ob das Original verständlich war oder nicht.

3. Wahrscheinlich ist es doch komplizierter. So harmlos das Liedchen auch war, die Väter und das FBI waren sicher zu Recht besorgt. Weil auch unabhängig vom fassbaren Inhalt, war dieses Lied bedrohlich. Diese Low budget-Produktion, die rohe Darbietung zeigen demonstrativ, dass den Kingsmen die Mainstreamästhetik ziemlich wurscht war. Das Lied zeigt komplettes Desinteresse daran, den gängigen Vorstellungen von schöner Musik zu entsprechen, und Amerikas Jugend verstand die Botschaft wohl. Das war insgesamt gefährlicher als ein möglicher obszöner Text, aber nichts, gegen das das FBI etwas machen hätte können...

Jack Ely, über dessen gesungene Zeilen FBI-Agenten gerätstelt haben, ist vor einigen Wochen im Alter von 71 Jahren gestorben.

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