Ausnahmsweise mal wieder in München auf einem Konzert, damit ich mir mit Michali die UK Subs ansehen kann. Der Sänger, Charlie Harper, ist eine Woche älter als mein Vater und seit vierzig Jahren mit der Band unterwegs. Die UK Subs-LP "Brand New Age" von 1979 war eine der ersten Punk-LPs, die ich gehört habe, immer und immer wieder. Die Band ist eigentlich fast jedes Jahr unterwegs, ich habe sie allerdings bislang nur einmal gesehen, das muss um 1990 herum gewesen sein. Damals fand ich sie nicht mehr so beeindruckend.
Am Abend vom Ampertal nach München, vor dem Feierwerk stehen schon ein paar rauchende Konzertbesucher, wie bei Punkkonzerten inzwischen üblich, alle weit jenseits der Vierzig. An der Tür winkt uns eine resolute ältere Dame heran. "Ihr wollt auch aufs Konzert? Von acht bis achtzig is heit alles vertreten." Im Konzertsaal treffen sich die Veteranen. Die Zeit ist an uns vorbei gegangen und mit den meisten hier hat sie es nicht gut gemeint.
Das gilt auch für TV Smith, der allein als Vorband spielt. Er sieht aus wie ein Rentner, der zum Joggen gehen will, und schrammelt sich auf seiner Gitarre durch. Seine Stimme ist erstaunlich gut. Die Lieder hangeln sich durch Punk-Klischees, deutlich vor allem bei einem, in dem er sich beklagt, dass man inzwischen nicht mehr wählen oder keinen Einfluss nehmen könnte. Gerade im letzten Jahr hat sich ja gezeigt, dass man in Wahlen durchaus Einfluss nehmen kann. Am Schluss spielt TV Smith (oder Fernseh-Schmitt, wie er sich in einer schönen deutschen Ansage selbst nennt) noch ein paar alte Adverts-Songs. "Gary Gilmore's Eyes" ist beeindruckend und ich stelle fest, dass ich sogar noch einen zweiten Adverts-Song kenne: "Bored Teenager".
Danach kommen die Subs auf die Bühne. Charlie Harper, der eigentlich Frisör gelernt hat, auch wenn man das heute nicht mehr vermuten würde, ist eher klein und rund und macht einen rundum freundlichen und ausgeglichenen Eindruck. Alvin Gibbs, der Bassist, sieht dagegen so aus wie Alan Rickman in seiner Rolle als Professor Snape. Die Band beginnt mit "Emotional Blackmail" von der "Brand New Age", ich fühle mich um ein paar Jahrzehnte zurückversetzt. Die Band spielt gut und flott, ganz und gar nicht wie eine Rentnerband (Schlagzeuger und Gitarrist sind auch etwas jünger), zunächst einmal durch die alten Stücke. Einige dabei, die ich schon lange nicht mehr gehört habe.
Im Publikum gibt es vor der Bühne etwas lebhafteren Pogo, allerdings ohne, dass man sich um die Gesundheit der Beteiligten Sorgen machen müsste. Ein besonders eifriger Tänzer, ein kleiner, dürrer Typ mit einer Schlumpfmütze, kommt bei einem Lied mit auf die Bühne und singt mit. Als er das Mikro nehmen will, schiebt ihn eine resolute Mittfünfzigerin der Security von der Bühne. Als die Band das nächste Lied beginnt, kommt er wieder, klaut Harper das Mirko und singt eine Strophe zur Musik. Die Band lässt ihn zunächst grinsend gewähren, hört dann aber auf, und er wird wieder von der Bühne gebeten. Harper nimmt sich das Mikro und erläutert, sie hätten den jetzt auch mal singen lassen, damit man im Publikum sieht, dass das gar nicht so einfach sei. Beeindruckend findet er aber, dass der Gastsänger ein ganz anderes Lied gesungen hat als das, das die Band gerade gespielt hatte. R., der mit uns beim Konzert ist und für den es das erste Punkkonzert seit Jahrzehnten ist, ist beeindruckt: Früher wäre so jemand kaum heil von der Bühne gekommen. R. hat noch die Gewohnheit von früher, die ich nach den letzten Jahren Rentner-Konzerten abgelegt habe: immer im Blick zu haben, wo der Ausgang ist, ob irgendjemand anfängt zu prügeln, ob irgendwelche merkwürdige Typen kommen. Auch an diesem Abend ist diese Vorsicht nicht notwendig.
Es kommen dann auch ein paar Lieder von der neuen LP "Ziezo", die überraschend gut gelungen ist. Aber weitgehend spielt sich die Band durch die ersten 10 Jahre der Bandgeschichte. Die Band spielt auch "Warhead", eines der bekanntesten Lieder. Ich hatte das erst vor kurzem wieder in einer Coverversion der Men they couldn't hang gehört und war zunächst überzeugt, dass die den Text aktualisiert hatten, weil es um die Soldiers of Islam stuck between the Russians and Yankees ging. Aber nein, der Text ist von 1979, so viel hat sich in der Weltgeschichte dann anscheinend doch nicht geändert.
Die UK Subs spielen zwei Zugaben, dann ist es auch vorbei. Michali unterhielt sich dann noch kurz mit Charlie Harper und so wissen wir, dass er zwar, wie unser Vater, zwei Söhne, aber dafür sechs Enkel hat. Enkelmäßig ist Harper also in Führung.
Durch den Nebel, der einen kaum 50 m weit sehen lässt, zurück ins Ampertal.
Freue mich, dass ich zum Geburtstag gratulieren kann: Glückwunsch! Schön dieses Konzert, das Erinnerungen und neue Erkenntnisse brachte, so nsoll es sein.
AntwortenLöschenVielen Dank, Roswitha!
Löschenist ja das schöne an kleineren konzerten, daß oft welche von den bands sich mit dem publikum unterhalten. sind halt doch keine abgehobenen stars. charlie macht auch mut für die zukunft, knap 73, zwei herzinfarkte und trotzdem noch recht lebendig dabei (wer weis wies uns mal geht)
AntwortenLöschenmichali
Yep.
LöschenMusikalisch nicht meine Baustelle, dennoch ein schön zu lesender Erlebnisbericht. Mehr davon!
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