"In the absence of intimidation, creativity will flourish"
G.Ginn

Montag, 6. Dezember 2021

7. Die Wahrheit über Dienstag

 Ein alter Mann, der in diesem Jahr wieder aufgetaucht ist, und über den ich mich sehr gefreut habe, ist Scott Reynolds, der vor Jahrzehnten mal bei All Hochgeschwindigkeits-Hardcore gemacht hat, zu denen er mit einer Stimme, die für Bossa-Nova-Schnulzen passen würde, sang. Und im Herzen war er  wohl immer schon ein Crooner, der sich mehr für schräge Jazz-Akkorde und schräge Späße interessiert hat. 

Ich habe Scott vor Jahrzehnten einmal in der Theaterfabrik in Unterföhring Ohrstöpsel geliehen, my claim to fame. Scott hat über die Jahre mit verschiedenen Bands fantastische Lieder aufgenommen. Leider haben das nicht alle gemerkt.

In diesem Jahr kam die Chihuahua in Buffalo-LP heraus, die nicht viel Neues bringt, aber viele bekannte Songs im Arrangement für akustische Gitarre und Gesang. Ich habe das Gefühl, dass Scott jetzt dort angekommen ist, wo er eigentlich sein wollte. Eine wunderschöne einfache Platte von einem leider noch immer unterschätzten Songwriter. Hört sie euch an.

Sonntag, 5. Dezember 2021

6. Nicht die ideale Frau

 Celeste hat 2021 auch ihre Debut-LP rausgebracht. Schöner Soul, sehr abwechslungsreich, sie nennt als Einflüsse Billie Holiday und Sun Ra, was sollte da schief gehen? Ich bin froh, dass ich da eher zufällig darüber gestolpert bin, ich krieg ja auch nicht mehr so viel mit. Die LP war in Deutschland (zu recht) in den Top 10, man darf von der jungen Frau noch einiges erwarten.


Samstag, 4. Dezember 2021

5. Auf der Seite der Verlierer

Grace Petrie war für mich eine Entdeckung der letzten Jahre. Kluger, witziger Folk, mit klarer politischen Linie. So wie es Michelle Shocked einmal war, bevor sie abdriftete. Die 2021er LP Connectivity hat bei mir ein bisschen gebraucht, zu sehr mag ich die Vorgängerin Queer as Folk. Aber auch die neue LP ist voller guter Lieder, die einen die schweren Zeiten besser überstehen lassen. 

Es ist wunderbar, die selbstverständlich queeren Liebeslieder auf der Platte zu hören, mein Favorit ist aber derzeit das letzte Lied The losing side. Ein Lied darüber, dass man für die Dinge einstehen muss, die einem wichtig sind, auch wenn es im Moment politisch nicht allzu gut aussieht.


Freitag, 3. Dezember 2021

4. Göttingen

 Ausnahmsweise kein Lied von 2021, sondern eines das schon viel älter ist, das ich aber erst 2021 bewusst wahrgenommen habe (Frau Ackerbau hat es von einem Frankreichbesuch mitgebracht). Da heute Barbara-Tag ist, passt es ja auch, ein Lied der französischen Sängerin Barbara zu hören.

Barbara musste während der deutschen Besatzung vor den Nazis fliehen und hatte deswegen in den Sechziger Jahren wenig Neigung, in Deutschland aufzutreten. Sie ließ sich 1964 zu einem Auftritt in Göttingen überreden, stellte aber die Bedingung, dass ein Flügel zur Verfügung stehe. Als sie kam: Kein Flügel. Sie wollte nicht auftreten, der Theaterdirektor organisierte noch einen Flügel, den zehn Studenten zum Veranstaltungsort trugen. Das Konzert begann mit erheblicher Verspätung, Βarbara schrieb dann das Lied.

In Zeiten, wo kleinlicher Nationalismus wieder in Mode ist, tut es gut, sich wieder daran zu erinnern. 

Donnerstag, 2. Dezember 2021

3. Verflucht sei die Amsterdam

Skinny Lister sind ja eine im Hause Ackerbau gern gehörte Liveband. Stilistisch schlängeln sie sich inzwischen zwischen Folkpunk und Ska durch. Die 2021er LP A Matter of Life and Love erinnert manchmal an die frühen Madness, mit Damn the Amsterdam haben sie aber auch wieder ein klassisches Shanty-Punk-Lied dabei. Seemann-Mitgröhl-Stoff vom Feinsten. Manchmal muss man halt auch mal ein bisschen rumgröhlen. 

Nächstes Jahr im Juni will ich mir das wieder anhören, drückt mal die Daumen.

Mittwoch, 1. Dezember 2021

2. Arthur ist auf einer Trauerfeier

 Auf einer Playlist, die ich im letzten Jahr gehört habe, war ein Lied von St. Lenox, Bethesda, das mir beim ersten Hören eigentlich eher auf den Geist ging. Keyboardgetragener, eher simpler Indiesoul, nicht unbedingt meine erste Musikwahl. Die Tage darauf stellte ich dann aber fest, dass mir immer wieder kleine Fetzen des Songs durch den Kopf gingen, und ich das Lied (mit einiger Mühe, da ich mir weder Band noch Titel richtig gemerkt hatte) wieder suchte und dann immer und immer wieder hörte. Die ganze LP gehört jetzt zu meinen Favoriten des Jahres. Andrew Choi, der Sänger, hat schon verschiedene LPs aufgenommen, die jeweils zehn Lieder zu verschienen Themen zusammenfassen. Die Lieder erzählen recht persönliche Geschichten. 2021 geht es um Religion, aus der Sicht eines Agnostikers. Aber eigentlich ist es eine LP der Geschichten, die zur Musik erzählt werden. 

Arthus is at a shiva erzählt von dem Umgang mit dem Tod; in dem Video sieht man allerdings Choi Brot backen und dazu wieder eine ganz andere Geschichte erzählen. Ich muss zugeben, dass mich das Video und die Geschichte des Lieds ziemlich gefesselt haben. Irgendwie fasst dieses Video und die Geschichte von Arthur, der zu spät zum Kneipenabend kommt, weil er auf einer jüdischen Trauerfeier war, für mich das Jahr 2021 gut zusammen.



Dienstag, 30. November 2021

1. Ein Brief auf einer Seite

Willkommen zum diesjährigen Musik-Adventskalender! Wieder soll es jeden Tag ein Lied geben, das ich im letzten Jahr gerne gehört habe; diesmal auch weitgehend Stücke, die 2021 veröffentlicht wurden. Die Musik, die ich gehört habe, war ziemlich folklastig, aber wer hier mitliest, weiß ja auch, dass mir Genres relativ wurscht sind. 

Letztes Jahr hatte ich mit Josienne Clarke begonnen, das will ich dieses Jahr wieder tun. Josienne Clarke hat mir in den letzten Jahren einiges an Musik nähergebracht, was ich ansonsten nicht gehört hätte. Einiges was in den nächsten Tagen kommt, war auf Playlists, die sie geteilt hat. Clarke ist eine wirklich fantastische Sängerin und als Produzentin eine Soundtüftlerin, die mit unglaublicher Sorgfalt für jedes Lied den richtigen Klang sucht.  

Das heutige Lied ist A letter on a page, ein eher typisches, sehr schönes Folklied.

 

 

Die LP A small invisible thing ist aber stilistisch viel weiter, mir gefällt vor allem die Haltung von Clarke (ihr eigenes Label heißt nicht zufällig Cordory Punk, Cord-Punk). Es lohnt sich auf jeden Fall, sich da weiter reinzuhören, Deep Cut ist zum Beispiel der schönste Diss eines früheren Bandkollegen seit Black Flags "You bet we've got something personal against you". 

Die ganze Platte ist fantastisch. Hört sie euch an.