"In the absence of intimidation, creativity will flourish"
G.Ginn

Montag, 20. Januar 2025

Aufstieg und Fall

 Ein Lied für den heutigen Tag. 

„Ich werde lachen, wenn es auseinander fällt, keine Träne soll meine trockenen Wangen benetzen. Keine schwarze Kleidung, keine Blumen. Ich werde keine schwarzen Schuhe oder schwarze Krawatte tragen. 

Ich will, ich will, ich will Euren Aufstieg und Fall sehen.“




Dienstag, 31. Dezember 2024

Konzerte 2024

 Wieder einmal nicht hinbekommen, die Konzertberichterstattung zeitnah zu liefern, deswegen wieder ein zusammenfassender Post. Relativ häufig bei Bands, die ich schon mindestens dreimal gesehen habe, die Newcomer-Quote könnte größer sein. Und leider auch keine spannenden Vorgruppen-Entdeckungen. Aber: So oft wie dieses Jahr war ich selten im SO36.)

Josienne Clarke, Acoustic Alley, Den Haag, 09.02.

Die weiteste Anreise, aber es hat sich gelohnt. Über dieses Konzert habe ich ja schon ausführlicher geschrieben. Clarke liegt mir schon sehr am Herzen.



Buzzcocks, Huxleys, 13.04.

Vorband: Modern English, die wohl Anfang der Achtziger einen kleinen Hit hatten, noch nie vorher gehört. Bei den Buzzcocks spürt man schmerzhaft das Fehlen von Pete Shelley, aber einmal wollten wir sie halt auch noch einmal hören. Steve Diggle, der Überlebende ist halt eher ein Metaller. Immerhin „What do I get?“, „Ever fallen in love“ und als Zugabe „Orgasm Adict“ noch einmal live gehört.



Scream, SO36, 21.05.

Vorband: Soulside, deren erste LP ich immer gerne gehört habe, und deren Nachfolgeband Girls vs Boys meiner Meinung nach immer unterschätzt wurden. Soulside sind so freundlich, ein paar meiner Lieblingsstücke zu spielen, als Zugabe dann zusammen mit ein paar Scream-Leuten Babylon‘s Burning und I against I. Sehr schön. Für die Hauptband kämpfte ich mich vor die Bühne, Franz Stahl gab mir dann die Soulside Setlist, hier auch für Euch:



Meine Liebe zu Scream war schon immer groß, so dass die nächste Stunde sehr glückselig war. Eine Mischung aus Liedern der ersten und zweiten LP, von der dritten nur Walking by myself, die Grohl- Jahre ganz ausgespart, von der 2011-Reunion ein Lied und viel von der neuen LP. Man könnte träumen, wieviel positiver Spirit in der Szene geblieben wäre, wenn nicht irgendwann der Nirvana-Hype gekommen wäre. (Meine Lieblingstheorie gerade, dass Nirvana alles kaputt gemacht haben. Natürlich auch nur eine Ausprägung von „Früher war alles besser“ der Männer über 50.) Vorne gestanden, mitgesungen, ein bisschen gehopst, glücklich. Tolle Musik, tolle Leute. Nach der Zugabe ging der Bassist Skeeter Thompson von der Bühne, sah mich, schüttelte mir noch die Hand.



Bongeziwe Mabandla, Kulturbrauerei, 23.05.

Afrika-Indie in der ausverkauften Kulturbrauerei. Der erste Teil des Konzerts hatte leichte 80er Jahre Goth-Anklänge, danach sehr mitreißender Indie-Pop. Mabandla hat eine außergewöhnliche Stimme und ihm machte das Konzert sichtbar Spaß. Werde ich mir gerne wieder ansehen.






UK Subs, SO 36, 31.05.

Charlie Harper feiert seinen 80. Geburtstag im SO36 und OLe, Frau Kirschblüte und ich feiern mit. Traditionell wird der Abend mit einem Aperitif im Tiki Heart begonnen. Vorband Nasty Rumours aus Bern, 77er Punk mit Schweizer Englisch. OLe und ich hielten uns vornehm zurück, während Frau Kirschblüte irgendwo vor der Bühne rumhopste.

UK Subs dann mit sehr solidem Auftritt vor einem begeisterten Publikum. Lieder, an die man schon lange nicht mehr gedacht hat, werden einem vor die Füße geschmissen. Mit 80 wäre ich auch gerne noch so fit wie der gute Charlie. Ein schöner Abend.



Frank Turner, Columbiahalle, 18.10.

Die erste Vorband, Shitney Beers, haben wir verpasst, weil die Anreise komplizierter war als gedacht. Leider dann auch einen eher ungünstigen Platz gehabt. Skinny Lister dann gewohnt gut, die neuen Lieder gehen ja auch wieder stärker in die Pogues-Richtung. Dann Frank, der alte Wohlfühl-Bär. Ein sehr schönes Set, auf der neuen Platte sind ja auch wieder Lieder, die noch länger im Set bleiben werden.



Undertones, SO36, 28.11.

Vorband Cherym, ein irisches Punk-Trio, kraftvoll, aber für mich etwas zu glatt. Danach die alten Herren von der Undertones, wie immer ein Vergnügen. Ein paar etwas zu enthusiastische Fans, Typ Muckibude/Ärzte-T-Shirt und erstes Mal im SO, die den Pogo auch zu denjenigen bringen wollten, die einfach nur rumstehen wollten. Einer wollte mir dann erklären, wie das auf Punkkonzerten so ist. Aber insgesamt entzückend, unterhaltsam und gute Laune fördernd.



Razzia & Skeptiker, SO36, 9.12.

Vorband Blutiger Osten. OLe und ich hielten durch. Razzia waren phantastisch, ich hatte die ja als etwas schräg in Erinnerung, waren aber ein solides Deutschpunkbrett. Von der Originalbesetzung ist nur noch der Sänger übrig. Skeptiker dann wie gewohnt. 



Zotos Kompania, 26.12. b-flat

Das jährliche Rembetika-Weihnachtskonzert, wie immer sehr schön und mit der notwendigen Dosis Jenitsaris, Vamvakaris und Tsitsanis.


Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen, bi nuu, 29.12.

Wie jedes Jahr: Wenn die Liga spielt, hingehen. Hits und gute Laune.


Zum Abschluss, für die Tapfersten der Tapferen: Ein SO36-Klo-Selfie















Sonntag, 29. Dezember 2024

Lektüre 2024

 Ohne Anspruch auf Vollständigkeit.

Arthur Machen: The Three Impostors, The Terror, The Great God Pan

Auf Machen bin ich im Zusammenhang mit Psychogeografie gestoßen. Eine Art Zwischenstück zwischen dem Horror von E.A. Poe und H.P. Lovecraft, in Deutschland aber nicht sonderlich bekannt. Liest sich gut, auch wenn die Bücher schon mehr als 100 Jahre alt sind. Etwas zuviel bösartige walisische Feen für meinen Geschmack, trotzdem schöner Horror, mit endlosen Spaziergängen durch das nächtliche London. Bob Dylan hat wohl The Great God Pan als ein Lieblingsbuch bezeichnet, hätte nicht gedacht, dass Robert Horrorfan ist. Es gibt wohl auch ein paar vergriffene deutsche Übersetzungen. The three Impostors schafft es als Episoden-Roman, in einem eher verschlafenen Sherlock-Holmes-artigem Setting wirklich heftige Gruseleffekte zu setzen.

Jeff VanderMeer, Southern Reach Trilogie (Auslöschung, Autorität, Akzeptanz)

Eines der merkwürdigsten, aber auch besten SciFi-/Horrorromane, die ich gelesen habe. Jeff VanderMeer kannte ich zunächst von Social Media, wo er Fotos der Waschbären und Stinktieren aus seinem renaturierten Garten in Florida teilt. Irgendwann hatte ich auch Lust, etwas von ihm zu lesen. Annihilation berichtet von einer Expedition in ein Gebiet, das nach einer nicht näher benannten Naturkatastrophe Sperrgebiet ist. Die Natur, aber nicht nur die, wandelt sich dort. Ich habe wirklich alle Bände in einem Zug  gelesen. Aber auch Bücher, die man immer wieder zur Seite legen muss, weil man kurz verschnaufen muss. Nicht vergleichbar mit irgendeiner früheren Lektüre.

Thomas de Quincey, Bekenntnisse eines englischen Opiumessers

200 Jahre alt, immer noch beeindruckende Darstellung der Armut auf den Straßen Londons. Den Opiumteil habe ich dann ausgelassen.

Damilara Kuku, Only big  bumbum matters tomorrow

Der Roman der nigerianischen Schriftstellerin, deren Kurzgeschichtensammlung „Almost all the man in Lagos are crazy“ mich schon auf der ersten Seite so zum Lachen gebracht hat, dass ich das Buch erst einmal weglegen musste. Man muss sich das Ganze wie Sex and the City in Lagos vorstellen. Der Roman handelt von einer nigerianischen Familie, alle haben ihre Geheimnisse, niemand versteht, warum die jüngste Tochter das Erbe ihres Vaters für eine Schönheitsoperation ausgeben will. Es wird die Geschichte der Familie erzählt, vor allem als Geschichte verschiedener Generationen von Frauen. Das Buch ist für ein  (weibliches) afrikanisches Publikum geschrieben, man kann viel daraus lernen und wird gut unterhalten.

Sara Paretsky, V.I. Warshawski-Reihe Overboard, Pay Dirt

Festgestellt, dass es inzwischen neue Bände der Krimi-Reihe gibt, die ich seit 30 Jahren lese. V.I. Warshawski, die Chigaoer Privatdetektivin ermittelt immer noch, legt sich mit Polizisten, guter Gesellschaft und Unterwelt an. Immer noch sehr spannend, aber mehr und mehr düster, die Situation in Amerika spiegelt sich wider. Während in den frühen Bänden noch die Aussicht bestand, dass die korrupten Polizisten bestraft werden, gibt es diese Hoffnung nun nicht mehr. Wenn man hard-boiled crime ohne Macho-Kram lesen will immer eine gute Empfehlung.

Ian Rankin, Midnight and Blue

Auch die Rebus-Romane von Rankin lese ich seit ein paar Jahrzehnten, als ehemaliger Edinburgh-Bewohner mag ich das Lokalkolorit. Der 25. Band sieht den Ex-Polizisten Rebus im Hochsicherheitsgefängnis. Immer noch gut zu lesen, der Plot mit den rivalisierenden Unterweltbanden aber für mich etwas zu wirr.

Oliver Schlandt, Zugemüllt - eine müllphilosophische Deutschlandreise

Ein phantastisches Buch zur Philosophie des Mülls, auf jeder Seite lernt man etwas Neues. Sehr gern gelesen und sehr zu empfehlen.

W.G. Sebald, Luftkrieg und Literatur

Eine interessante Essay-Sammlung eines der wenigen Allgäuer Literaten (mir fällt nur noch Enzensberger ein). Auch oder vielleicht gerade 25 Jahre später ein guter Einblick in die Lücken der deutschen literarischen Krieg- und Diktaturbewältigung.

Antal Szerb, Reise im Mondlicht

Roman über ein ungarisches Pärchen, das sich auf der Hochzeitsreise in Italien trennt. Schönes Panorama der Dreißiger Jahre, Vorkriegs-Bohème, von einer schwedischen Freundin empfohlen. Der Autor wurde 1945 im KZ ermordet. 

Pierre Pouchairet, Les trois Brestoisses, Band 1-3

Urlaubslektüre. Krimis kriege ich auf französisch noch einigermaßen hin. Also ein paar Regionalkrimis aus der Gegend besorgt. Die deutschen Bretagne-Regionalkrimis sind in Frankreich unbekannt, die französischen kennt man in Deutschland nicht. Protagonistinnen dieser Reihe sind eine Kommissarin, eine Gerichtsmedizinerin und eine Psychologin, es wird viel geballert. Ganz unterhaltsam, es hat allerdings Tücken, wenn Heldinnen von älteren Schriftstellern beschrieben werden. Den Autor habe ich auf einem Markt sogar gesehen, habe aber dann davon abgesehen, ihm zu sagen, dass ich seine Bücher spannend finde. Wenn man den Kram zwar lesen kann, aber mit Mühe einen französischen Satz rauskriegt, wirkt es doch seltsam.

Brian Merchant, Blood in the Machine

Eine Geschichte der Maschinenstürmer in England zu Beginn der Industrialisierung. Sehr spannend zu lesen, ganz von selbst kommen einem die Parallelen zu heute in den Sinn. Bei einem Kommando General Ned Ludd gegen KI wäre ich auch dabei.

Susanne Cooper, Dark is rising/Wintersonnwende Reihe

Den Band The Dark is rising hatte ich schon vor ein paar Jahren gelesen, jetzt auch noch die restlichen vier Bände besorgt. Im UK kennt die Bücher jeder, in Deutschland eher weniger bekannt. Schöne Fantasy-Reihe, die einige der Klischees des Genres vermeidet. Wintersonnwende/The Dark is rising, den zweiten Band, kann man auch als einzelnes Buch gut lesen.

Masha Kaleko, Lyrik

War an der Zeit, mich mit ein paar neuen Lyrikbänden zu versorgen. Gerne und viel geblättert.

Paul Koudonaris, Heavenly Bodies

Ein etwas morbider Bildband über Katakombenheilige und den Reliquienhandel. Nach dem Dreißigjährigen Krieg bestand in Süddeutschland großer Bedarf an neuen Reliquien, in Rom gab es genügend schlaue Kaufleute, die sich darum kümmern konnten.

Isaac Asimov, Die besten Kurzgschichten

Aus nostalgischen Gründen gekauft, alles aber schlecht gealtert.

Anke Stelling, Bodentiefe Fenster

Drama im Prenzlauer Berg Bürgertum, überforderte Eltern, vergessene Ideale, Auseinandersetzung mit den 68er-Eltern. Ich fand es eine ganz amüsante Lektüre, bin aber auch nicht Teil der porträtierten Szene.





Montag, 23. Dezember 2024

24. Rot, gelb, orangefarben und grün

 Und jetzt kommt bereits das letzte Adventskalendertürchen, nach 24 Liedern von Künstlerinnen aus 12 Ländern, etwa zwei Drittel der Lieder aus den letzten 15 Monaten.

Dieses Lied ist auch aus dem November 2023, hat mich über das Jahr begleitet. Es ist von Robert Rotifer, dessen 2018er Brexit-LP „Über uns“ in den letzten sechs Jahren für mich eine Art Orakelbuch geworden ist. Politisch ist dort viel aus britisch/österreichischer Sicht beschrieben worden, was so nach und nach auch bei uns passiert. In meinem damaligen Konzertbericht hatte ich, naives Häschen, das ich bin, geschrieben: „Vielleicht lässt sich, wenn man sich die Entwicklungen dort genau ansieht, lernen was zu tun ist, wenn um einen herum alle verrückt werden.“ Tja, offensichtlich wollen wir doch eher unsere Fehler selbst machen. Spannend, dass es ein paar Lieder dabei gibt, die ich erst mit der Zeit nachvollziehen konnte. Ach ja, dieses Gefühl verstehe ich jetzt auch.

Ich war also sehr gespannt auf das  2023er Album „Holding Hands in Petropolis“, ob es wieder ein weitsichtiger Soundtrack für die nächsten Jahre werden könnte. Und das wird es wohl, auch wenn die Geschichten, die dort erzählt werden, eher düster sind. Die Zeiten werden nicht besser. Das Album beginnt mit den französischen Zeilen: Er war nicht krank, er war nur erschöpft. Es endet mit dem deutschen Satz: Er war wieder einmal zu schnell gelaufen. Dazwischen spannen sich acht Lieder, die auf sehr persönliche Art die Zeiten kommentieren. Also, ein neues Orakelbuch, mit neuen Bildern, Sätzen und Gedanken für das, was um uns passiert. Das Klima, die Erschöpfung, das Älterwerden. Dazu die sehr schöne, abwechslungsreiche, schön arrangierte Musik, das ganze Album hat für mich den musikalischen Vibe einer 1968er LP der Beatbands. Experimentierfreudiger, mutiger, breiter angelegt. Also vielleicht Village Green Preservation Society oder Notorious Byrd Brothers. 

Eines der helleren Lieder ist Red, Yellow, Orange & Green, es gibt immer noch Hoffnung inmitten der Verzweiflung.


23. Die flammende Linie

 Julii Sharp habe ich 2019 einmal live gesehen, mich sehr über ihre CD 2023 gefreut. Dieses Jahr hat sie ein Lied veröffentlicht, das vom Tod eines Freundes handelt. Sagen wir mal so, die letzten Jahre haben zu viele Beerdigungen gebracht. Ein tröstendes Lied, eine tolle Sängerin.


Samstag, 21. Dezember 2024

22. Ich trinke und werde betrunken

 Noch gar keine Griechen dieses Jahr. Hier ein altes Rembetika-Lied, das wir am 2. Weihnachtstag beim traditionellen Zotos-Kompania-Konzert im b-flat hören werden. Das Video gibt einen netten Eindruck von der Atmosphäre, die bei solchen Konzerten herrscht. Ωπα!


Freitag, 20. Dezember 2024

21. Tum Tum

 Einer der schönsten Momente des Jahres war die alten Herren von Scream einmal wieder live zu sehen. Ende der Achtziger waren sie eine dieser Hardcore-Bands, die sich nicht viel um stilistische Grenzen scherten. Im Nachhinein wurde mir klar, dass sie näher am Mainstream-Rock waren als manche andere aus der Zeit. Aber was man in der Szene hören durfte oder nicht hören durfte, interessierte die Band sowieso nicht sonderlich. 

Ende 2023 gab es eine neue LP, für mich durchaus ebenbürtig mit den früheren Platten. Und Scream kam ins SO36, während des Konzerts fühlte ich mich wieder wie vor 35 Jahren.

Von der LP ein Reggaestück über eine Busfahrt. Gern und viel gehört.