Am Sonntag die Gelegenheit, jemanden erstmalig zu sehen, dessen Musik mich seit über 30 Jahren begleitet hat. Joakim Thaström ist in der Stadt. Thaström hatte Mitte der 70er in der schwedischen Punkband Ebba Grön gespielt, die Platten hatte mir Anfang der 80er ein Bekannter, der früher in unserem Kaff gewohnt hat, und dann mit seiner Mutter nach Schweden gezogen war, mitgebracht. Ebba Grön waren wirklich fantastisch, eine Art schwedische Clash, sich von Platte zu Platte musikalisch weiterentwickelnd. Die "Samlade Singlar"-LP habe ich so gerne gehört, dass ich sie mir mehrmals kaufen musste; ich habe sie einfach kaputt gespielt. 1982 trennten sie sich, Thaström machte mit Imperiet weiter, eine New Wave-Band im weiteren Sinne, wieder brachte mir K. Platten aus Schweden mit, wieder entwickelte sich die Musik von Platte zu Platte weiter, nie bei einem Genre oder einem Muster stehen bleibend. Die verbindende Klammer der Bands war immer Thaströms Stimme, rau und ausdrucksvoll. Nach Imperiet kam eine Phase, in der Thaström eine Art Industrial unter dem Namen Peace, Love and Pitbulls machte (das habe ich nicht so richtig verfolgt, hört sich für mich irgendwie wie eine Mischung aus Nine Inch Nails und Deichkind an).
Schließlich nahm er ein paar Platten unter eigenem Namen auf, ich habe meinen schwedischen Freund C. (der die Industrial-Phase am besten findet) mal gefragt, wie man die Musik nun beschreiben könnte, er meinte "skandinavian melancholia", das trifft es wohl. Pathetische Popmusik, mit ein paar Noise-Einsprengseln. Nun ist das eigentlich gar nicht mein Ding, bei pathetischen Pop bin ich normalerweise aus dem Zimmer, bevor man "U2" sagen kann. Aber Thastöms Stimme hat mich nun durch die Jahrzehnte begleitet, ich habe damals verzweifelt mit einem Taschenwörterbuch versucht, mir die Texte zu übersetzen, also hatte ich kaum eine Wahl: ich musste hin.
Der Postbahnhof war vollkommen in schwedischer Hand, ich nehme an, dass ein Großteil der in Berlin ansässigen Schweden auf dem Konzert war. Keine Vorgruppe, es ging um 21.30 Uhr los, der Schlagzeuger sieht irgendwie aus wie Roger aus der Fernsehsendung Real Humans, Thaström kommt auf die Bühne, rennt ein bisschen umher wie ein Panther im Käfig, und beginnt zu singen. Ich kenne nur ein paar Stücke, "Beväpna dej mit vingar", "Fanfanfan" und das alte Imperiet-Stück "Jag är en idiot". Das Publikum kennt alle Texte und singt mit, das Ganze ist sehr mitreißend.
(Ja, Lichtshow war auch)
Kurz vor Ende des Konzerts beginnt draußen ein starker Regen, pathetisches Wetter für ein pathetisches Konzert. Für die erste Zugabe spielt Thaström Fanfanfan, nur mit seinem Gitarristen; ich denke, dass das das Ende des Konzerts sein müsse, aber es kommen dann noch einige Lieder.
Ich gehe irgendwann zufrieden in den strömenden Regen.
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