"In the absence of intimidation, creativity will flourish"
G.Ginn

Freitag, 20. Dezember 2024

21. Tum Tum

 Einer der schönsten Momente des Jahres war die alten Herren von Scream einmal wieder live zu sehen. Ende der Achtziger waren sie eine dieser Hardcore-Bands, die sich nicht viel um stilistische Grenzen scherten. Im Nachhinein wurde mir klar, dass sie näher am Mainstream-Rock waren als manche andere aus der Zeit. Aber was man in der Szene hören durfte oder nicht hören durfte, interessierte die Band sowieso nicht sonderlich. 

Ende 2023 gab es eine neue LP, für mich durchaus ebenbürtig mit den früheren Platten. Und Scream kam ins SO36, während des Konzerts fühlte ich mich wieder wie vor 35 Jahren.

Von der LP ein Reggaestück über eine Busfahrt. Gern und viel gehört.


Donnerstag, 19. Dezember 2024

20. Wir fangen klein an

 Über Emily Barker bin ich ja vor ein paar Jahren gestolpert, vor allem wegen ihres Covers von „Under the Milky Way tonight“. Ihre Quarantäne-LP „Room 822“, die sie in einem Hotelzimmer in Australien mit ihrem Mann aufgenommen hat, während sie die Einreise-Quarantäne-Zeit abwarten musste,  ist sicher eine meiner meistgehörtesten LP, weil ich sie jeden Samstag höre, wenn ich genügend Zeit in der Früh habe. Dieses Jahr eine neue LP, mit diesem sehr schönen Lied. 

Mittwoch, 18. Dezember 2024

19. Die Leute arbeiten (die Leute sterben)

 Ein weiterer Zufallsfund. Bibi Tanga & the Selenites machen jetzt gar nicht Musik, wie ich sie sonst höre, kein wütendes oder trauriges Geschrummel, sondern Groove. Das erste Lied, das ich von ihnen hörte, hieß passender Weise „Afro Groove on the Move“, melodisch sehr reduziert. Beim ersten Mal den Kopf darüber geschüttelt, dann nach ein paar Tagen noch mal reingehört (so mache ich es meistens, nach einmal Hören kann ich Sachen nur schlecht einordnen; was interessant scheint, wird mehrmals gehört, auch wenn‘s mir zunächst nicht gefällt). Immer noch den Kopf geschüttelt, aber fand es dann irgendwie gut.



Dienstag, 17. Dezember 2024

18. Unterwegs

 Noch einmal zurück, in die frühen 70er. Sybille Baier nimmt ein paar Stücke für sich auf. Sie arbeitet beim Film, als Schauspielerin, im Umfeld von Wim Wenders. Die Aufnahmen hören sich manchmal an wie Leonhard Cohen, manchmal wie Nico. 

Vor ein paar Wochen hörte ich das Lied zum ersten Mal und versuchte etwas über die Sängerin herauszufinden. Die Geschichte ist wirklich unglaublich: Die Aufnahmen wurden erst Anfang der 2000er veröffentlicht, als sie der Sohn von Sybille Baier, die inzwischen in den USA wohnte, an Dinosaur Jr. Sängers J Mascis schickte. Dieser vermittelte einen Plattendeal, die Aufnahmen wurden ein kleiner Indie-Hit.

Montag, 16. Dezember 2024

17. Die Love Parade

 Letzthin auf dem Undertones-Konzert sagten die Iren ein Lied „extra für Berlin“ an. The Love Parade, geschrieben zu Zeiten, als es in Berlin noch keine gab. Das Lied ist vom wenig geliebten letzten Album der Original-Undertones, machte aber live und auch beim Wiederhören erstaunlich viel Spaß. Eine Wiederentdeckung nach 40 Jahren.


Sonntag, 15. Dezember 2024

16. König und Vaterland

 Grace Petrie trifft es hier ganz gut, dieses Gefühl, dass alles schief läuft, die Sorge, dass jede Nachrichtensendung noch mehr Katastrophen bringt. 


Samstag, 14. Dezember 2024

15. Angst

 Erst vor ein paar Wochen über diese Band gestolpert, die LP habe ich gerne gehört. Vom 77er-Punk erwartet man ja nicht viel Neues, aber hier gibt es nette Lieder, die gerne Klassiker zitieren, ohne dass das langweilig klingen würde. Definitiv eine Band, die ich gerne live sehen würde. Vielleicht schaffen es die Pariserinnen ja mal nach Berlin. 


14. Rudy

Andrew Choi alias St. Lenox hat auch ein neues Album. Wie immer erzählt er in seinen Videos dann eine ganz andere persönliche Geschichte als in dem Lied. Man kann einiges über seinen Umzug lernen und ihm beim Kochen zusehen. Ich mag diesen Indie-LowFi-Soul sehr gerne.

Mittwoch, 11. Dezember 2024

12. Schwächen

 Die Amazones d‘Afrique haben sich mit einem neuen Album zurück gemeldet. Für mich ist das meiste ja dann etwas zu dance-orientiert, ein paar Lieder bleiben aber auch immer bei mir hängen. So zum Beispiel dieses, mit der verehrten Mamani Keïta.



Dienstag, 10. Dezember 2024

11. Hau ab

 Wird Zeit, dass hier neben den zarten Indie-Folk-Stückchen auch ein paar der Punkrockkracher des Jahres 2024 kommen. Gut gefallen hat mir dieses Jahr wieder Frank Turner, das Konzert sowieso, aber auch die neue Platte ist mal wieder mehr nach meinem Geschmack.  Ein schönes Lied darüber, dass man es nicht allen recht machen kann. 

Montag, 9. Dezember 2024

10. Am allermeisten

Kein Adventskalender ohne Josienne Clarke!

Das Konzert in Den Haag war sicher ein Höhepunkt meines Musikjahres 2024, die ganze „Paranthesis, I“-LP ist eine meiner diesjährigen Lieblingsplatten.

Sonntag, 8. Dezember 2024

9. Gleichgewicht

 Die Berries haben ihr zweites Album herausgebracht, vertrackt und heavy, mit schönen Melodien. Ich bin ja immer noch von der kurzen Live-Erfahrung vor zwei Jahren beeindruckt, man unterschätzt die jungen Frauen auf eigene Gefahr. Vor ein paar Wochen hatte ich einen Ohrwurm, ein kleines Teil einer Folkmelodie. Ich kam nicht dahinter, was für ein Lied das sein könnte, bis mir einfiel, dass es ein ruhigeres Lied der Berries ist. Hier noch einmal in einer akustischen Fassung, große Sympathie für die Bassistin, die stoisch bis 2:20 wartet, bis sie auch einmal mitspielen darf. 


Samstag, 7. Dezember 2024

8. Die Offenbarerin

 Dieses Lied ist mir über den letztjährigen Musikadventskalender zugeflogen. Ich hatte ein Lied von Lady Nade eingestellt, das ein Gillian Welch-Cover war. Welch kannte ich zwar über verschiedene Ecken, z. B. über den „O Brother where art thou“-Soundtrack, hatte mich aber nie eingehender mit der Musik beschäftigt. Der weise Alex empfahl mir in den Kommentaren, das zu ändern, und legte mir die „Time (The Revelator)“-LP ans Herz. Als ich die anhörte, machte ich eine Erfahrung, die sehr interessant war: Mir wurde auf einmal bewusst, dass dieses Album von vielen Künstlerinnen, die ich gerne höre, als Ausgangspunkt genommen wird. Welch hat hier wohl die Tür für eine neue Art Americana-Folk geöffnet, durch die viele danach gegangen sind. Oder um ein anderes Bild zu nehmen: Ich kannte bis dahin nur die Wellen auf dem See und sah jetzt den Stein, dessen Wurf sie verursacht hat.

Eine sehr glückliche (Wieder-) Entdeckung und Neueinordnung. Ich bin gleich beim ersten Lied Revelator hängen geblieben, für mich ähnlich hypnotisch wie vor vielen Jahren Cortez the Killer von Neil Young. Die Aufnahme war wohl eine Mikrophonprobe, an der Welch und Gitarrist Rawlings aber nichts mehr ändern wollten. Zu recht. (Die aktuelle LP der beiden ist auch sehr schön.)

Freitag, 6. Dezember 2024

7. Der Anschubser

 Heute wirklich ein Quell reinster Freude im musikalischen Adventskalender. Vier junge Koreaner haben im Sommer dieses Lied veröffentlicht, das - wenn ich es richtig verstehe - die Arbeit des Push Man beschreibt, also desjenigen Bahnbeamten, der die Fahrgäste in die S- und U-Bahnen schiebt.

Das Lied tauchte bei meinen vorgeschlagenen Videos auf, ich war etwas misstrauisch, aber dann ganz verzaubert. Good clean fun, wie ein Outtake aus A Hard Day's Night, 60 Jahre später.


Donnerstag, 5. Dezember 2024

6. Sonne von links

 Durch den Besuch bei schwedischen Freunden habe ich auch wieder ein bisschen mehr schwedisch geübt.  Eigentlich sinnlos in einem Land, in dem sowieso jeder nach einem Satz zum Englischen wechselt. Aber ich hatte ein paar Erfolgserlebnisse, als ich auf einmal ein paar Texte verstand, von Liedern, die ich seit dreißig  vierzig Jahren (habe gerade nachgerechnet, mein Gott, ich bin alt) gehört habe, ohne etwas zu verstehen.

Und Joakim Thåström hat eine neue Platte. Gebt mir schwedische Melancholie, jederzeit. 


Mittwoch, 4. Dezember 2024

5. Alles

Das Lied hatten wir schon mal vor zwei Jahren, es bleibt aber irgendwie auf der Playlist. Inzwischen gibt es die Version, in der ich das Lied zum ersten Mal live gehört habe, auch als Aufnahme, als akustische Ballade mit Barpiano. Damals hörte ich fasziniert bei der unplugged session zu, konnte ich mir nicht so recht vorstellen, was für einen Stil denn die Band haben würde. Später beim Konzert musste ich feststellen, dass die Bandaid Brigade Punk-Kasperle sind, die eine heimliche Liebe zu gräßlichem 80er Jahre Stadionrock haben. Tolle Musik, trotzdem oder vielleicht gerade deswegen.



Dienstag, 3. Dezember 2024

4. Fingerhut

 Dieses Jahr brachte auch ein neues Album von Haley Heynderickx. Ein Stück folkiger als die wunderbare „I need to start a garden“-LP, aber lässt immer noch mein Herz vor Freude hüpfen.

Ein Pärchen hüpft durch Bergwiesen, Haley sitzt an einem Baum und schnitzt an einem Holzstück. Schönes Video, schönes Lied, tolle Musikerin.

Der Fingerhut heißt auf englisch also Fuchshandschuh. Warum auch nicht?

Montag, 2. Dezember 2024

3. Wir tanzen

 Wir kommen in diesem Jahr an. Von der Hochzeitskapelle, die nicht allzuweit meiner früheren Heimat her kommt, habe ich zuerst auf Social Media gehört, und zwar von einem Menschen aus Oklahoma, der diese Musik sehr gelobt hat. Neugerig wie ich bin habe ich reingehört, nachgeforscht und mich gewundert, warum ich davon nur über Umwege erfahren habe.

Das Konzept, Indie-Lieder in Blaskapellenbesetzung zu spielen, ist jetzt keines das immer  oder auch nur in den meisten Fällen aufgehen würde. Hier funktioniert das aber sehr gut, man möchte tatsächlich mittanzen. Das Original ist von Pavement von 1995, merkwürdigerweise ist das Cover gar nicht so weit vom Original entfernt.

Sonntag, 1. Dezember 2024

2. Bleiben

 Das Lied ist zwar von 2023, passt aber auch noch gut in dieses Jahr, weil ich im Mai Bongeziwe Mabandla live sehen konnte. Berlin hat seine Vorteile...

Auf Mabandla bin ich ja vor ein paar Jahren gestoßen. Hat ein bisschen gedauert, die Mischung aus Xhosa-Gesang, Indiepop und afrikanischen Einflüssen ist ja dann zuerst doch ungewöhnlich. Wenn man sich reingehört hat, macht es aber sehr viel Spaß.

Das Konzert war auch sehr schön, gute Stimmung, absolut sympathischer Künstler und Hopsen zu einer Art 80er Afro-Indie-Sound. Jederzeit wieder.




Samstag, 30. November 2024

1. Welt, halts Maul

 Willkommen zum diesjährigen Musikadventskalender! Wieder 24 Lieder, die ich dieses Jahr gerne gehört habe, die meisten auch dieses Jahr erschienen. Eine Ausnahme am Anfang, Julian Cope von 1986. Ich erinnere mich vage, das Lied damals im Radio gehört zu haben, war mir wohl nicht Punk genug damals.

Letzthin wieder drauf gestoßen und mit großem Vergnügen gehört. Der Titel spricht mir gerade auch aus dem Herzen. (Cope hat mit den Teardrop Explodes ja auch großartige Sachen gemacht, die damals leider komplett an mir vorbei gegangen sind.).

Samstag, 22. Juni 2024

Wir fangen klein an

 Es gibt einiges an Konzertberichten nachzuholen, aber da bin ich noch zu faul. Deswegen kurz ein bisschen neue Musik.

Emily Barker habe ich die letzten Jahre viel gehört, allerdings nur die sehr reduzierten Folksachen. Bekannt ist sie ja eher für die breit orchestrierten Stücke, das ist weniger mein Ding. Auf der neuen Platte finde ich With small we start sehr schön. Das Plattencover, ein junger Trieb aus einem (abgestorbenen?) Stamm, ist natürlich auch nach meinem Geschmack.


Niamh Regan ist hier auch schon mehrfach aufgetaucht. Ich schätze ihre Musik sehr, auch wenn ich ansonsten mit Tori Amos ähnlichem Songwriting nicht so viel anfangen kann. Das Lied Madonna von der neuen LP wird mit jedem Anhören besser.


Samstag, 25. Mai 2024

Lose Kanonen, gleiche Dämonen

 Ich hatte ja das Glück, schon seit ein paar Monaten die Demos zu Josienne Clarkes neuem Album hören zu können. Ein Lied habe ich besonders gern gehört, FireCracker, das schon fast untypisch fröhlich für Clarke ist. Ein Liebeslied eines chaotischen Paars: You are a loose canon baby and I‘m a firecracker, what a beautiful mess we make. 

Es ist ganz interessant, ein Lied ihres Ehemannes Alec Bowman_Clarke dazu zu hören, My kind of chaos: She‘s the same kind of demon as I am, her claws sharp as a stone.


Ob Feuerwerk oder Dämonen, zwei sehr schöne Liebeslieder.

Sonntag, 5. Mai 2024

Die brennende Linie, das Stockholm-Syndrom und wenn sie Freunde sind

 Es wird Zeit, mal wieder ein bisschen Musik vorzustellen. 

Die verehrte Julii Sharp hat ein neues Lied veröffentlicht, ein Gruß an einen toten Freund. Sehr, sehr schön.


Auf Bluesky hat jemand aus Florida über die Hochzeitskapelle geschwärmt, die bislang vollkommen an mir vorbeigegangen sind. Nachgeforscht: Die kommen aus Weilheim, nicht weit von der früheren Heimat entfernt. Der Rumpelblaskapellenjazz gefällt mir ausnehmend gut, das folgende Yo la Tengo-Cover ist besonders schön.


Nach diesen neuen Liedern eine Wiederentdeckung. Pavlos Sidiropoulos mit einer Platte, die mir ein griechischer Studienkollege in Schottland in den 90 ern aufgenommen hat. Wieder oft gehört, für den Geschmack der Familie wahrscheinlich zu oft.



Samstag, 16. März 2024

Wie kommt das Pferd nach Hause?

 Wieder an der Zeit, ein bisschen neue Musik zu notieren. (Die Titelfrage wird am Schluss beantwortet, versprochen.)

Grace Petrie hat ein neues Album, Build Something Better. Schöner politischer Folk, voll kluger Gedanken. Produziert hat Frank Turner, was meines Erachtens dazu geführt hat, dass die Lieder manchmal zu gefällig sind. Aber bei King and Country, einem Lied über die Fassungslosigkeit, mit der man derzeit die Nachrichten anhören muss, hat es mich auch wieder erwischt.

Petrie hat kein Plattenlabel im Rücken, die Zeit ist nicht gut für unabhängige Künstler. In Deutschland sind die CDs deswegen nur schwer zu bekommen, Downloads bei Bandcamp funktionieren natürlich, Petries Webshop liefert auch prompt, da kommt halt immer noch der deutsche Zoll dazu. 


Josienne Clarke veröffentlicht Ostern eine neue CD, die Demos zirkulieren schon eine Zeit und werden gerne und viel bei uns gehört. Offiziell gibt es als erstes Lied das schöne Most of all. Sobald auch das Clarke-untypisch heitere Firecracker frei verfügbar ist, werde ich das sofort hier vermelden.


Es gibt das seltene Phänomen, dass sich Punkbands zu Jazzbands entwickeln. Ein Beispiel ist die Entwicklung von Saccharine Trust zu Universal Congress Of, ein neueres sind die Messthetics, eine Band, bei der die frühere Fugazi-Rhythmussection mitspielt, und die bei Impulse gelandet ist. Meine Erwartungen waren eher gedämpft, aber That Thang ist schon eine prächtige Nummer.


Nicht mehr ganz neu ist das letzte Lied von Haley Heynderickx und Max García Conover. Veröffentlicht wurde es aber erst letztes Jahr auf der Fünfjahre-Jubiläumsedition der EP „ Among Horses III“. Ich habe ja eine große Schwäche für Heynderickx, das Lied ist auch zu entzückend.

Montag, 12. Februar 2024

Josienne Clarke in Den Haag

Meine Liebe zu Josienne Clarke ist ja hier im Blog kein wirkliches Geheimnis. Als sie letztes Jahr ihre Tourdaten bekannt gab, stellte ich zunächst einmal fest, dass keine Konzerte in der Nähe geplant sind, fand aber einen Termin in Den Haag. Den Haag mögen Frau Ackerbau und ich gerne, also wurde mit Bahn-Supersparpreis ein langes Wochenende geplant. Am schwierigsten war es noch, sich ein Ticket fürs Konzert zu sichern, ging nicht mit ausländischen Zahlungskarten. Nach ein paar E-Mails hatten wir aber vereinbart, dass die Tickets an der Abendkasse hinterlegt werden.

Nach sieben Stunden Bahnfahrt spazierten wir ein bisschen durch Den Haag, der Auftrittsort war nur einen knappen Kilometer vom Hotel entfernt. Es handelte sich um ein kleines Theater mit etwa 100 Sitzplätzen, wahrscheinlich von einem Förderverein betrieben. An der Kasse sage ich meinen Namen, man findet mich aber nicht auf der Liste. Der Mann an der Abendkasse fragt mich, warum ich das Ticket noch nicht bezahlt hätte. Ich sage, dass das vom Ausland nicht ginge, da geht ein Strahlen über sein Gesicht: „Ah, you‘re Andreas!“ Wir dürfen rein.

Wir trinken einen Tee im Foyer, bis der Saal geöffnet wird, Alec Bowman_Clarke, der Mann von Josienne Clarke geht zur Theke, ich spreche ihn kurz an, sage ihm, dass ich auch seine CD toll finde und dass wir uns aufs Konzert freuen. Er ist, wie alle an dem Abend, freundlich und gut gelaunt.

Der Theatersaal wird geöffnet, es gibt acht Reihen mit je zwölf Stühlen, es bleiben nur ein oder zwei leer. Clarke kommt, nimmt ihre Gitarre. Die Akustik ist wirklich phantastisch. Clarke spielt einfache Versionen ihrer auf Platte sehr sorgfältig arrangierten Lieder. Das Publikum besteht praktisch ausschließlich aus Folk-Enthusiast:innen, wie wenig ich mich in dieser Szene auskenne, merke ich, als Clarke ein Coverlied ankündigt, ohne den Namen zu nennen, weil man es ja eh gleich erkennen würde. Begeistertes Raunen nach den ersten Zeilen - ein Teil des Publikums singt mit, ich habe bis jetzt keine Ahnung, was das für ein Lied war. 

Ansonsten kenne ich die Lieder, oder wie Frau Ackerbau meinte: Jetzt sehe ich mal die Frau, die immer bei uns im Wohnzimmer singt. Aber live hört man vieles anders und besser, einige Lieder habe ich auch erst beim Konzert richtig verstanden. Und: diese Stimme.


(Walls and hallways.)

Clarke erzählt vor jedem Lied ein bisschen etwas, kokettiert mit ihrer Neigung zu traurigen Liedern, erzählt von den Höhen und Tiefen ihrer Karriere, lange Zeit Teil eines gefeierten Folkduos, dann vom Label fallen gelassen, und nunmehr nur in Eigenregie unterwegs. Das führt leider auch dazu, dass ihre Platten in Deutschland nur sehr schwer zu bekommen sind, der Brexit tut sein übriges. Was mir an Clarke so gefällt, ist natürlich auch dieser Independent-Ansatz. Ihre Lieder sind nie beliebig, enthalten keine Ornamente, sagen, was gesagt werden muss. (Und dauern dann halt manchmal nur knappe zwei Minuten.)

Der Auftrittsort ist wirklich ein Glücksfall, dieser sehr intime Rahmen mit einem hoch konzentriertem Publikum. Auch deswegen hat sich die Reise gelohnt.

(A letter on a page)

Nach zweimal fünfundvierzig Minuten werden wir nach Hause geschickt. Anders als bei den Konzerten, bei denen ich sonst bin, klingeln mir nicht die Ohren, sondern die Melodien klingen im Kopf nach wie ferne Vogelstimmen.

In Den Haag finden übrigens regelmäßig Konzerte in dieser Reihe statt. Durchaus zu empfehlen.