Ich fand Hieronymus Bosch schon immer faszinierend. Ein Druck des "Gartens der Lüste" begleitet mich nunmehr seit über 15 Jahren. Viel ist über dieses Bild geschrieben worden, die verschiedensten Deutungsversuche gemacht, letztlich wird es immer rätselhaft bleiben.
Wilhelm Fraenger sah das Bild ja als Altarbild einer adamitischen Sekte, wahrscheinlich ist das überinterpretiert, aber ich kann mir auch nicht vorstellen, dass dieses wahnwitzige Bild keinen religiösen Hintergrund haben sollte. Eine Illustration flämischer Sprichwörter oder bloßer Bericht aus der neuen Welt (so ein paar neuere Deutungen) - das scheint mir dann doch zu kurz gegriffen.
Das Bild ist ja ein Tryptichon, der rechte Seitenflügel stellt die Hölle dar, in der Mitte hat man das merkwürdige Treiben hunderter unbekleideter Figuren und links ist eine Paradiesszene, wohl die Erschaffung Evas oder auch eine Hochzeit zwischen Adam und Eva. Fraenger hat beeindruckend beschrieben, wie schon im Hintergrund mit einem Krähenschwarm der Wechsel von Leben und Tod dargestellt wird, dieses Paradies hat aber noch ein paar andere merkwürdige Aspekte. Die Gelehrten hat ja lange Zeit vor allem die Frage beschäftigt, wie man das Treiben im Mittelteil einzuordnen hat: der weltliche Weg zur Hölle durch sündhaftes Treiben oder die Darstellung des Paradies auf Erden. Für mich gibt es einen anderen Aspekt, den ich für noch rätselhafter halte: wie paradiesisch ist das gezeigte Paradies tatsächlich? Zunächst ist man etwas verwundert, in der paradiesischen Szene Jesus zu sehen und nicht Gott Vater, aber das war wohl insbesondere bei Darstellungen der Ehestiftung zwischen Adam und Eva eine nicht unübliche Darstellung.
Was mich zum Grübeln bringt, ist eine Genreszene links neben der Dreiergruppe: eine Katze trägt eine Maus (wenn man genauer hinsieht: eher eine Art Lurch) im Maul davon (weiter oben kann man auch in der Ferne sehen wie Raubtiere eine Art Antilope ausweiden). Soweit ich das überblicken kann, wird das allgemein so gesehen, dass eben auch im Paradies schon ein Hauch des Bösen weht. Kann das wirklich das Paradies sein, wenn die Geschöpfe hier schon sterblich sind? Will einem der Maler hier nicht schon sagen, dass hier etwas gewaltig faul ist? Ich weiß nicht, ob man im 16. Jahrhundert das Paradies als Ort gesehen hat, an dem eben die Menschen nicht, aber doch die Tiere sterblich waren.
Mir geht immer noch eine andere Deutung durch den Kopf (da ich aber hier nur dilettiere, gibt es wenig Gewähr dafür, dass das auch zutrifft): Es gab einige religiöse Strömungen, die große Probleme damit hatten nachzuvollziehen, wie ein vollkommener Gott so einen Murks wie die Welt mit all ihren Fehlern erschaffen konnte. Die Gnostiker z.B. kamen zu dem Ergebnis, dass die Welt von einem Demiurg geschaffen wurde, der nicht mit dem vollkommenen Gott identisch war. Der richtige Gott kam dann erst bei der Erschaffung des Menschen. Die Bosch'sche Paradiesszene könnte man in diesem Sinne deuten, sie enthält ja schon einige Hinweise darauf, dass die Welt nicht so perfekt war. Die Mitteltafel zeigte dann (ganz im Fraenger'schen Sinne) den Himmel auf Erden der gnostischen Brüder und Schwestern. Rätselhaft wird eine solche Deutung, wenn man überlegt, dass die Altartafel über viele Jahre im streng katholischen Umfeld präsentiert wurde und keiner an den Ketzereien Anstoß nahm. Wenn man das Bild aber so lesen wollte, wie es wohl derzeit die Mehrheitsmeinung ist, dass schon im Paradies der Keim des Bösen gesät wurde, der dann auf der Erde zu sittenlosem Treiben und später zu Höllenqualen führt, wäre eine Szene des Sündenfalls oder der Vertreibung aus dem Paradies (die Bosch auch meisterlich beherrschte) doch naheliegender. Für sittenloses weltliches Treiben wären auch Darstellungen wie auf dem Heuwagen-Tryptichon passender und nicht diese Fantasy-Welt des Mittelteils des Garten der Lüste.
Für uns ist die Deutung ja inzwischen ohnehin weniger religiöses als künstlerisches Problem...
Vielleicht wollte Hieronymus Bosch aber einfach auch nur ein bisschen Katzen-Content für sein Bild...
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