"In the absence of intimidation, creativity will flourish"
G.Ginn

Sonntag, 7. Februar 2016

Ein Mann und seine Bouzouki

Heute vor 44 Jahren ist Markos Vamvakaris, der Meister der griechischen Rembetikamusik gestorben  (Eine Auswahl seiner Lieder findet man in diesem Blog hier.)

Letztes Jahr wurde seine Autobiografie, die Ende der Sechziger Jahre entstand, in einer englischen Übersetzung veröffentlicht, und ist damit auch für alle, die nicht griechisch verstehen, verfügbar. Die Autobiografie entstand auf der Grundlage von verschiedenen Aufzeichnungen, die Markos von seinen Kindern machen ließ und die schließlich von einer Journalistin durch lange Interviews ergänzt und in Form gebracht wurden. Das Ganze ist damit eine Art Mitschrift der Erzählungen von Markos, von der Form her hat mich das manchmal an Miles Davis Autobiografie erinnert, die ähnlich entstand. Wenn ich's mir durchlese habe ich auch sofort einige alte Griechen im Ohr, die mir auf Englisch ihre Lebensgeschichte erzählt haben. Diese Art der Erzählung ist natürlich nicht unbedingt ein Garant für historische Richtigkeit.

Markos wurde 1905 auf der Insel Syros geboren. Er war nur wenige Jahre in der Schule, 1912 musste er mit der Arbeit beginnen, um seine Familie zu unterstützen. Er arbeitete auf der Insel als Bote in einem Gemüsegeschäft, als Hirte für Verwandte und als Zeitungsausträger. Die frühen Geschichten von Armut und harter Arbeit, recht nüchtern erzählt, sind beeindruckend. 1920 zieht Markos mit seiner Familie nach Piräus, arbeitet dort im Hafen und lädt Kohlen aus, später arbeitet er in Athen in einem Schlachthaus. In Piräus kommt er in Kontakt mit Haschisch, mit Unterweltsgestalten und mit der Rembetika-Musik. Seine jüngeren Brüder tun es ihm nach, es bekommt beiden nicht; der eine stirbt in den Vierziger Jahren auf der Straße, vor Hunger und wegen seiner Heroinsucht, der andere tötet einen Mann und bleibt den Rest seines Lebens im Gefängnis. Es stellt sich heraus, dass Markos ein Naturtalent auf der Bouzouki ist, er selbst bezeichnet sich als Bouzouki-süchtig; neben seiner Arbeit spielt er, raucht Haschisch und treibt sich herum. Er heiratet, die Musik wird langsam von einem Hobby zu einer Geldquelle, da er in den frühen Dreißigern beginnt, Schallplatten aufzunehmen, die sich gut verkaufen. Sein Leben besteht aus Arbeit im Schlachthof, Musik, Haschisch, anderen Frauen, kurzen Gefängnisstrafen; daran ändert sich auch wenig, als er zur Armee muss.


(Das Lied heißt "Alle Rembetes auf der Welt" und handelt davon, wie alle Markos kennen und ihn bewundern).

1936 eröffnet er eine eigene Bar, in der jeden Abend das Piräus-Quartett, das aus ihm, Stratos, Batis und Artemis bestand. Seine Frau tut es ihm inzwischen nach  und betrügt ihn, es beginnt eine furchtbare Hassliebe, der alte Markos kurz vor dem Tod schimpft sich noch durch das halbe Buch über seine erste Frau. Sein jüngerer Bruder hält es für eine Schande, dass die Frau Markos betrügt und greift sie körperlich an, wird deswegen verhaftet; zwischen den Brüdern entsteht darüber ein dauernder und handfester Streit, der fast tödlich endet. Während der deutschen Besetzung hat Markos weiterhin eine Musikkneipe, in der auch italienische und deutsche Soldaten gehen; er berichtet von einer Begegnung mit der Gestapo. Es ist zu einer Zeit, als in Athen die Leichen der Verhungerten auf der Straße liegen.

Nach dem Krieg ist seine große Zeit als Musiker vorbei; Publikumslieblinge sind nun andere. Markos heiratet ein zweites Mal, führt aber weiter sein loses Musikerleben. Man merkt es der Erzählung an, dass Markos ergrimmt darüber ist, dass nun andere mit der Musik, die er begründet hatte, das große Geld machen; in den späteren Kapiteln berichtet er auch über die verschiedenen Gagen, die er bei seinen Auftritten noch erzielen konnte. Aber man glaubt ihm auch, dass ihn letztlich das Geld nicht sonderlich wichtig ist, es geht ihm wohl mehr um den Respekt, auf den er Anspruch zu haben glaubt. Die Wiederveröffentlichung seiner alten Aufnahmen scheitert daran, dass die Masterbänder nicht mehr existieren. Allerdings verdanken wir diesem Umstand auch, dass es ein paar Neuaufnahmen mit dem alten Mann gibt, gerade das späte "Deine Augenlider glänzen" ist für mich eines der schönsten Rembetikalieder. Zu seiner finanziellen Situation ist ganz erhellend, dass er erzählt, er bekäme nun einen Fernseher, den ihm sein ältester Sohn, der Kapitän sei, geschenkt habe.

Der alte Markos muss das Rauchen aufgeben, hat Sorgen, dass seine Söhne auch beginnen, Drogen zu nehmen, und darf nur noch ungesalzene Speisen essen. Er überlegt sogar, für das Ende noch in ein Kloster zu gehen.

In dem Buch gibt es viele übersetzte Texte - Markos Leben spiegelte sich immer auch in seinen Liedern. Die Geschichten wirken wie aus einer sehr fernen und archaischen Zeit. Die Musik spricht aber immer noch zu uns.




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