Heute die FAS aufgeschlagen, dort beginnt das Feuilleton mit einem Artikel "Karl Kraus und die Folgen"; die Feuilletons arbeiten sich gerade an dem Thema ab, weil ein Amerikaner, Jonathan Franzen, einige Kraus-Essays ins Englische übersetzt und mit Fußnoten versehen hat. Im Internet heißt der Artikel "Die Schule der Vernichtung" und enthält Sätze, in denen gefragt wird, was man denn von Kraus lernen könne, wenn man nicht an die wohltuende Wirkung von Xenophobie, Frauenverachtung, Nationalismus und diffusen Männlichkeitsritualen auf die deutsche Sprache glaubt.
Seufz. Nun ist Kraus wirklich ein problematischer Schriftsteller und für mich ist der Reiz der "Vor 100 Jahren"-Artikel auch, den ganzen Kram nach zweieinhalb Jahrzehnten wiederzulesen und an einigen Stellen dann doch auch eher kritischer einzuschätzen. Der FAS-Artikel enthält (zumindest unter dem Print-Titel "Karl Kraus und die Folgen", der einen schönen Bogen zu dem Essay "Heine und die Folgen" schlagen hätte können,) einige bedenkenswerte Ansätze der Kraus-Kritik. Kraus Xenophobie und Nationalismus (auch in sprachlicher Hinsicht) vorzuhalten, ist allerdings inhaltlich Quark und für eine Auseinandersetzung nicht wirklich hilfreich. Selbst aus einer Perspektive, die Schriftsteller des letzen Jahrhunderts an den heutigen Maßstäben messen will, wäre es Quark (und auch der als Gegenbeispiel genannte Tucholsky käme bei diesem Maßstab nicht allzu gut weg). Und: Man kann nicht Kraus verehren und Bushido ablehnen, heißt es in der FAS (auwei).
An der Kraus-Rezeption scheint jedoch das Feuilleton zu versagen, da es hier entweder Fanboytum oder relativ krude Ablehnung gibt, aber wenig dazwischen. Das mag aber das Schicksal der Rezeption erklärter Journalistenhasser sein.
Schule der Vernichtung. Meine Güte. (Ich ahne schon, dass ich nach diesem Artikel mir wieder den ganzen Kram vornehmen muss und nochmal durchlesen, um die Auffassungen zu überprüfen. Das kostet wieder Zeit!)
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