(Die Erläuterung dieser Überschrift folgt in einigen Absätzen.)
Auch wenn meine Eltern einige klassische Musik gehört haben, fehlte es mir lange Zeit an Zugang dazu, von einigen Lieblingsstücklein abgesehen. Daran hat sich nicht furchtbar viel geändert, auch wenn ich natürlich in den letzten Jahrzehnten so einiges hören und kennen lernen konnte. Allerdings gibt es inzwischen ein paar Komponisten, die ich sehr regelmäßig höre und zu diesen gehört Johann Sebastian Bach. Diese mehrstimmige sehr klar konstruierte, fast schon mathematische Musik verschafft mir enormes Vergnügen, auch wenn ich von den musiktheoretischen Hintergründen keine Ahnung habe. Diese sehr abstrakte Musik, die dem Hörer so wenig gibt, an dem er sich festhalten kann, die sich aber nach dem vierten oder fünften Hören auf einmal so folgerichtig und zwangsläufig anhört, macht mir mehr Spaß als die spätere romantische Musik, die sich doch etwas leichter erschließen lässt.
Irgendwie bin ich in meinen frühen 20ern bei Glenn Gould gelandet, der natürlich für jemand, der das Klare und Abstrakte schätzt, ein guter Einstieg ist, ganz abgesehen von seiner Kunst mehrere Stimmen gleichberechtigt nebeneinander zu führen (von den wenigen Leuten, die ich kenne, die ernsthaft Klavier spielen, gibt es allerdings keinen, der sich mit GG wegen seiner Marotten und Manierismen anfreunden könnte.)
Es gibt eine Aufnahme der "Kunst der Fuge" von J.S. Bach, bei der Gould das Werk auf der Orgel spielt. Eigentlich sollte das ja für eine schöne Mehrstimmenführung ein Referenzstück sein, aber die Orgelaufnahmen hatten sehr wenig von der gewohnten Klarheit und eine - der wohl insgesamt vernichtenden - Rezensionen verglich die Aufnahme mit einem dressierten Seehund, der auf einer Reihe von Autohupen "God save the queen" spielt. Tatsächlich nichts, was man für die Werbung verwenden könnte, aber ein sehr anschaulicher Vergleich (in die Linernotes zu der späteren CD wurde das Zitat dann aber aufgenommen...). Wahrscheinlich stimmt die Bewertung, ich kann's nicht beurteilen; ich habe mir auf der CD zumeist nur die letzten sechs Stücke angehört, bei denen dann einige Kontrapunkte der Kunst der Fuge auf dem Piano gespielt werden, und hier findet man tatsächlich die polyphone Klarheit, die ich so gerne höre. Den Kontrapunkt IV in dieser Fassung höre ich manchmal ganz gerne in Folge mit dem zweiten Satz der Love Supreme von John Coltrane. obwohl beide Stücke eigentlich musikalisch vollkommene Gegenpole sein müssten, passen sie eigentlich gar nicht so schlecht zusammen.
Ein bisschen der Faszination lässt sich auch aus diesen Fernsehaufnahmen, bei denen Gould, kurz vor seinem Tod, das Stück spielt, erahnen. Man kann hier die Musik tatsächlich sehen.
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